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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Viertes Quartal.

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Literatur.

ausgezeichneten Organs mir zu erwerben war doch mein höchster Wunsch, so wenig
ich mich jemals zu der Einbildung verstieg, es den Lessings, Jnninssen, Couriers
u, se w, von der "Berliner Zeitung" gleichthun zu können. Aber ich bitte sie,
noch nicht gänzlich an mir zu verzweifeln; an dem guten Willen, mich zu vervoll¬
kommnen, fehlt es mir nicht. Zu dem Vorwürfe, ich hätte mich nicht darüber
ausgelassen, "ob es wahr oder unwahr, daß Berlin jlaut Herrn Ludwig Löwej
seine Verwandlung vom Dorfe in eine Großstadt nicht dem Hofe, nicht dem
Militär, sondern seinen Fabriken verdanke," muß ich zu meinem Bedauern be¬
merken, daß diese Taktik des Reizes der Neuheit entbehrt. So verkündete vor
einigen Jahrzehnten ein geistreicher Mann, dessen Name mir leider entfallen ist,
in verschiedenen Broschüren, die Erde stehe fest, und rief, als ihm nnr spöttische
Abfertigungen zuteil wurden, triumphirend aus: Das Gegenteil hat mir niemand
bewiesen! Sollte er etwa jetzt in Berlin Zeitungsrcdakteur sein? -- Nizza, den
30. November 1833. Der Verfasser des Aufsatzes "Die Fabriken und die Gro߬
städte."




Literatur.
Gustav Schwabs Leben. Erzählt von seinem Sohne Christoph Theodor Schwab.
Freiburg i. B. und Tübingen, Mohr, 1883.

Der Herausgabe der "Kleinen Schriften" Gustav Schwabs durch K. Klüpfel
ist eine ansprechend und einfach gehaltene Biographie des Dichters und Kritikers
vou dem Sohne desselben gefolgt. Die kleinen Kreise, welche an soweit zurück¬
liegenden und dabei nicht übermächtigen Erscheinungen der deutschen Literatur, wie
G. Schwab eine gewesen ist, noch ehrlichen Anteil nehmen, werden das kleine Buch
sicher willkommen heißen. Wir haben die ältere, größere biographische Arbeit'Klüpfels
über den Dichter ("Gustav Schwab" von K. Klüpfel, Leipzig, 1868) nicht zur
Hand, um das Verhältnis der neueren zur älteren Darstellung bestimmen zu können.
Doch dürfen wir wohl annehmen, daß das neue Büchlein durch mancherlei dein
älteren Biographen nicht zu Gebote stehende Mitteilungen aus dem Jugendleben
des Dichters bereichert ist. Sicher zum erstenmale werden die interessanten Tage-
buchsblattter Gustav Schwabs aus Berlin im Sommer vou 1815 veröffentlicht.
Sie lassen einen merkwürdigen Blick in vergangenes Leben thun. Wem es tröstlich
ist, daß gewisse häßliche Erscheinungen der Gegenwart schon damals im Keime
vorhanden waren, der lese S. 31 das Raisonnement, in dem sich Clemens Bren¬
tano in einer Gesellschaft bei Savigny über die Literatur seiner Zeit ergeht. Da ist
"Goethe zu klassisch und gemacht," das letztere auch Uhland, dem übrigens einige
Vortrefflichkeit zugestanden wird. Tieck sei äußerlich einnehmend, übrigens ein Lump
von mäßigem Witz, Fouque spiele den deutschen Ritter und Sänger, sei übrigens
ein zweiter Spieß (es ist Christian Heinrich Spieß, der Verfasser zahlreicher
fabrikmäßiger Räuber-, Ritter-, Geister- und Gnunergeschichten gemeint). Arnim
habe mehr Geist und Poesie am kleinen Finger, als Tieck ant ganzen geschwollenen
Leibe. An dem gepriesenen Theodor Körner sei nicht viel mehr, als daß er schlecht
habe reiten können und daher alle Augenblicke wund geworden sei, dazwischen hinein
aber geschrieen und gesungen habe. Wem wird nicht zu Mute, als ob er aus
einer Gesellschaft modernster "schneidiger" und "pikanter" Feuilletonisten käme?

Das spätere, äußerlich wenig bewegte, zwar thätige aber minder fruchtreiche
Leben Schwabs ist mit angemessener Kürze dargestellt, in dem Ganzen aber ein
Ton eingehalten, der weder die Pietät verletzt, noch eigentlich panegyrisch wird.


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ausgezeichneten Organs mir zu erwerben war doch mein höchster Wunsch, so wenig
ich mich jemals zu der Einbildung verstieg, es den Lessings, Jnninssen, Couriers
u, se w, von der „Berliner Zeitung" gleichthun zu können. Aber ich bitte sie,
noch nicht gänzlich an mir zu verzweifeln; an dem guten Willen, mich zu vervoll¬
kommnen, fehlt es mir nicht. Zu dem Vorwürfe, ich hätte mich nicht darüber
ausgelassen, „ob es wahr oder unwahr, daß Berlin jlaut Herrn Ludwig Löwej
seine Verwandlung vom Dorfe in eine Großstadt nicht dem Hofe, nicht dem
Militär, sondern seinen Fabriken verdanke," muß ich zu meinem Bedauern be¬
merken, daß diese Taktik des Reizes der Neuheit entbehrt. So verkündete vor
einigen Jahrzehnten ein geistreicher Mann, dessen Name mir leider entfallen ist,
in verschiedenen Broschüren, die Erde stehe fest, und rief, als ihm nnr spöttische
Abfertigungen zuteil wurden, triumphirend aus: Das Gegenteil hat mir niemand
bewiesen! Sollte er etwa jetzt in Berlin Zeitungsrcdakteur sein? — Nizza, den
30. November 1833. Der Verfasser des Aufsatzes „Die Fabriken und die Gro߬
städte."




Literatur.
Gustav Schwabs Leben. Erzählt von seinem Sohne Christoph Theodor Schwab.
Freiburg i. B. und Tübingen, Mohr, 1883.

Der Herausgabe der „Kleinen Schriften" Gustav Schwabs durch K. Klüpfel
ist eine ansprechend und einfach gehaltene Biographie des Dichters und Kritikers
vou dem Sohne desselben gefolgt. Die kleinen Kreise, welche an soweit zurück¬
liegenden und dabei nicht übermächtigen Erscheinungen der deutschen Literatur, wie
G. Schwab eine gewesen ist, noch ehrlichen Anteil nehmen, werden das kleine Buch
sicher willkommen heißen. Wir haben die ältere, größere biographische Arbeit'Klüpfels
über den Dichter („Gustav Schwab" von K. Klüpfel, Leipzig, 1868) nicht zur
Hand, um das Verhältnis der neueren zur älteren Darstellung bestimmen zu können.
Doch dürfen wir wohl annehmen, daß das neue Büchlein durch mancherlei dein
älteren Biographen nicht zu Gebote stehende Mitteilungen aus dem Jugendleben
des Dichters bereichert ist. Sicher zum erstenmale werden die interessanten Tage-
buchsblattter Gustav Schwabs aus Berlin im Sommer vou 1815 veröffentlicht.
Sie lassen einen merkwürdigen Blick in vergangenes Leben thun. Wem es tröstlich
ist, daß gewisse häßliche Erscheinungen der Gegenwart schon damals im Keime
vorhanden waren, der lese S. 31 das Raisonnement, in dem sich Clemens Bren¬
tano in einer Gesellschaft bei Savigny über die Literatur seiner Zeit ergeht. Da ist
„Goethe zu klassisch und gemacht," das letztere auch Uhland, dem übrigens einige
Vortrefflichkeit zugestanden wird. Tieck sei äußerlich einnehmend, übrigens ein Lump
von mäßigem Witz, Fouque spiele den deutschen Ritter und Sänger, sei übrigens
ein zweiter Spieß (es ist Christian Heinrich Spieß, der Verfasser zahlreicher
fabrikmäßiger Räuber-, Ritter-, Geister- und Gnunergeschichten gemeint). Arnim
habe mehr Geist und Poesie am kleinen Finger, als Tieck ant ganzen geschwollenen
Leibe. An dem gepriesenen Theodor Körner sei nicht viel mehr, als daß er schlecht
habe reiten können und daher alle Augenblicke wund geworden sei, dazwischen hinein
aber geschrieen und gesungen habe. Wem wird nicht zu Mute, als ob er aus
einer Gesellschaft modernster „schneidiger" und „pikanter" Feuilletonisten käme?

Das spätere, äußerlich wenig bewegte, zwar thätige aber minder fruchtreiche
Leben Schwabs ist mit angemessener Kürze dargestellt, in dem Ganzen aber ein
Ton eingehalten, der weder die Pietät verletzt, noch eigentlich panegyrisch wird.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_154164/592>, abgerufen am 13.11.2024.