Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Viertes Quartal.Das Unwesen der Lotterien. le Spielsucht der Menschen ist eine uralte Leidenschaft, und von In neuerer Zeit aber ist es mehr und mehr üblich geworden, nach dem Das Unwesen der Lotterien. le Spielsucht der Menschen ist eine uralte Leidenschaft, und von In neuerer Zeit aber ist es mehr und mehr üblich geworden, nach dem <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0576" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/154741"/> </div> <div n="1"> <head> Das Unwesen der Lotterien.</head><lb/> <p xml:id="ID_1711"> le Spielsucht der Menschen ist eine uralte Leidenschaft, und von<lb/> jeher haben sich auch solche gefunden, welche dieselbe auszunutzen<lb/> bedacht gewesen sind. Nicht minder alt sind die Bestrebungen,<lb/> einer mißbräuchlichen Ausnutzung dieser Leidenschaft zu begegnen.<lb/> Schon im römischen Recht sind die Aleatores nicht gut ange¬<lb/> sehen. Das deutsche Strafgesetzbuch bedroht mit Strafe das gewerbsmäßige<lb/> Glücksspiel, desgleichen die Veranstaltung von Lotterien oder Ausspielungen ohne<lb/> obrigkeitliche Erlaubnis, Deu Spielhöllen in unsern Bädern hat nach langen<lb/> Kämpfen das Reichsgesetz vom I. Juli 1868 ein Ende gemacht. Der Ausgabe<lb/> von Prämienanleihen — auch ein auf Ausbeutung des Publikums gerichtetes<lb/> Spielgeschäft — hat das Reichsgesetz vom 8, Juni 1871 Einhalt gethan. Stehen<lb/> geblieben sind die in den meisten deutschen Ländern eingeführten Staatslotterien.<lb/> Auch gegen sie sind öfters in den Landtagen und auch im deutschen Reichstage<lb/> Kämpfe geführt worden. Man hat ihren Bestand aber damit verteidigt, daß<lb/> die durch sie erzielten Einkünfte für die Stantsfinanzen unentbehrlich seien.<lb/> Neben den Staatslotterien hat in Deutschland lange Jahre hindurch eine gro߬<lb/> artige Lotterie für einen speziellen Zweck bestanden: die Kölner Dvmbaulotterie.<lb/> Wir wollen hier weder mit dem Fortbestand der Staatslotterien, noch mit der<lb/> Zulassung jener, jetzt zu Ende gehenden Dombaulotterie rechten. Der Kölner<lb/> Dom steht als ein unvergleichliches Denkmal deutscher Baukunst vollendet da,<lb/> und die Art und Weise, wie die Mittel zu seinem Ban beschafft worden sind,<lb/> nehmen wir als eine geschichtliche Thatsache hin.</p><lb/> <p xml:id="ID_1712" next="#ID_1713"> In neuerer Zeit aber ist es mehr und mehr üblich geworden, nach dem<lb/> Beispiel dieser Dombaulotterie auch für alle möglichen andern „gemeinnützigen<lb/> Zwecke" die Geldmittel durch eine mit „obrigkeitlicher Erlaubnis" veranstaltete<lb/> Lotterie aufzubringen. Das Lotteriewesen hat dadurch eine Ausdehnung ge-<lb/> Wonnen, gegen welche wir unsre Stimme erheben möchten. Viele dieser Lotterien<lb/> arbeiten freilich nur mit Loosen von geringen Geldbeträgen, Aber gerade da¬<lb/> durch wirken sie verderblich, weil solche Loose am leichtesten Eingang in die<lb/> untersten Schichten der Bevölkerung finden und diese veranlassen, ihren Spar¬<lb/> pfennig, statt ihn in die Sparkasse zu tragen, für einen Hoffnungskauf hinzu¬<lb/> geben, bei welchem sie vielleicht um 100 Prozent und mehr übervorteilt werden.<lb/> Wir wollen einige Beispiele anführen. Die Stadt Frankfurt a. M. ist eine<lb/> reiche Stadt und kann sich gewiß den Luxus eines prachtvollen Palmengartens</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0576]
Das Unwesen der Lotterien.
le Spielsucht der Menschen ist eine uralte Leidenschaft, und von
jeher haben sich auch solche gefunden, welche dieselbe auszunutzen
bedacht gewesen sind. Nicht minder alt sind die Bestrebungen,
einer mißbräuchlichen Ausnutzung dieser Leidenschaft zu begegnen.
Schon im römischen Recht sind die Aleatores nicht gut ange¬
sehen. Das deutsche Strafgesetzbuch bedroht mit Strafe das gewerbsmäßige
Glücksspiel, desgleichen die Veranstaltung von Lotterien oder Ausspielungen ohne
obrigkeitliche Erlaubnis, Deu Spielhöllen in unsern Bädern hat nach langen
Kämpfen das Reichsgesetz vom I. Juli 1868 ein Ende gemacht. Der Ausgabe
von Prämienanleihen — auch ein auf Ausbeutung des Publikums gerichtetes
Spielgeschäft — hat das Reichsgesetz vom 8, Juni 1871 Einhalt gethan. Stehen
geblieben sind die in den meisten deutschen Ländern eingeführten Staatslotterien.
Auch gegen sie sind öfters in den Landtagen und auch im deutschen Reichstage
Kämpfe geführt worden. Man hat ihren Bestand aber damit verteidigt, daß
die durch sie erzielten Einkünfte für die Stantsfinanzen unentbehrlich seien.
Neben den Staatslotterien hat in Deutschland lange Jahre hindurch eine gro߬
artige Lotterie für einen speziellen Zweck bestanden: die Kölner Dvmbaulotterie.
Wir wollen hier weder mit dem Fortbestand der Staatslotterien, noch mit der
Zulassung jener, jetzt zu Ende gehenden Dombaulotterie rechten. Der Kölner
Dom steht als ein unvergleichliches Denkmal deutscher Baukunst vollendet da,
und die Art und Weise, wie die Mittel zu seinem Ban beschafft worden sind,
nehmen wir als eine geschichtliche Thatsache hin.
In neuerer Zeit aber ist es mehr und mehr üblich geworden, nach dem
Beispiel dieser Dombaulotterie auch für alle möglichen andern „gemeinnützigen
Zwecke" die Geldmittel durch eine mit „obrigkeitlicher Erlaubnis" veranstaltete
Lotterie aufzubringen. Das Lotteriewesen hat dadurch eine Ausdehnung ge-
Wonnen, gegen welche wir unsre Stimme erheben möchten. Viele dieser Lotterien
arbeiten freilich nur mit Loosen von geringen Geldbeträgen, Aber gerade da¬
durch wirken sie verderblich, weil solche Loose am leichtesten Eingang in die
untersten Schichten der Bevölkerung finden und diese veranlassen, ihren Spar¬
pfennig, statt ihn in die Sparkasse zu tragen, für einen Hoffnungskauf hinzu¬
geben, bei welchem sie vielleicht um 100 Prozent und mehr übervorteilt werden.
Wir wollen einige Beispiele anführen. Die Stadt Frankfurt a. M. ist eine
reiche Stadt und kann sich gewiß den Luxus eines prachtvollen Palmengartens
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