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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Viertes Quartal.

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Notizen.

Sprachs und lief ihrem Gemahl nach und begann mit diesem und Dr. Ci-
rator ein lebhaftes Gespräch über alle möglichen Dinge und verschwendete soviel
Witz, daß selbst Herr van Köller, der sich schon wieder in gewohnter Mißstim¬
mung befand, mehrere male laut auslachte und Dr. Cirator diesen Tag als den
schönsten seiner Reise erklärte. Nichts geht doch über Berlin, sagte er, alles,
was von dort kommt, hat Witz und Verstand; hier in den Bergen kann man
wochenlang herumstreifen und findet nicht einen Menschen, mit dem man ein
vernünftiges Wort reden kann. Da Sie auf Ihrer Hochzeitsreise doch keinen
Begleiter brauchen, und ich mich nach Ihrer Abreise wieder langweilen werde,
so will ich auch meine Reise in die Heimat fortsetzen. Ich werde froh sein,
wenn ich wieder in meinem Klub meine Zeitungen, das Tageblatt und die Na-
tionalzcitung, lesen kann, die man hier anch entbehren muß.

Das war ganz aus der Seele des Herrn van Köller gesprochen, der sich
schon längst nach seinem geliebten Amsterdam zurücksehnte.

Oswald ging einsam und schweigend hinterdrein; auf der Anhöhe erreichte
er die übrige Gesellschaft, auf welche seine sichtliche Übellaune ansteckend wirkte.
Auch Margarethen gelang es nicht mehr, in seiner Gegenwart ihre Heiterkeit
zu bewcchreu. Die Gesellschaft kehrte verstimmt in das Hotel zurück; auch Herr
van Köller fand, wie er heimlich seiner Frau zuflüsterte, in Oswald nicht den
lustigen Kameraden, den er nach seinem lebhaften Benehmen bei Tische in ihm
erwartet hatte.

Vor dem Gasthause fand der Arzt eine frühere Reisegesellschaft, mit der
er sich in ein eifriges politisches Gespräch einließ, das Ehepaar van Köller
hatte sich in ein Gartenhaus zurückgezogen und Margarethe begonnen, in einer
mitgebrachten Tauchnitz-Edition zu lesen, während ihr Gemahl eine Cigarre nach
der andern rauchte und für jede eine besondre Spitze nahm, die er mit der
peinlichsten Sorgfalt behandelte.

Was sich so plötzlich zusammengefunden hatte, war ebenso schnell wieder
auseinander.

Oswald hörte, daß in einer Stunde der Stellwagen nach Pieve ti Cadore
gehe; seine Sachen waren schnell gepackt, ein flüchtiger formeller Abschied von
der neuen Begegnung war genommen, und unser Freund steuerte auf dem Vorder-
plntz des Wagens dem Geburtsorte Tizians zu. (Fortsetzung folgt.)




Notizen"
Französische Kriegführung in Ostnsien.

Im K^aro erscheinen jetzt
Briefe eines Herrn Pierre Lodi, Berichterstatter des Blattes in Huc, welche die
Einnahme der dortigen Forts durch die Truppen und Schiffe des Admirals Courbet
schildern. Diese Briefe sind keine angenehme Lektüre, bezeichnen aber in ihrer
lebendigen und anschaulichen Weise sehr deutlich die prunkvolle Methode der franzö¬
sischen Kriegführung gegenüber den Halbbarbaren, deren Unterwerfung Frankreich


Grenzboten IV. 1383. 34
Notizen.

Sprachs und lief ihrem Gemahl nach und begann mit diesem und Dr. Ci-
rator ein lebhaftes Gespräch über alle möglichen Dinge und verschwendete soviel
Witz, daß selbst Herr van Köller, der sich schon wieder in gewohnter Mißstim¬
mung befand, mehrere male laut auslachte und Dr. Cirator diesen Tag als den
schönsten seiner Reise erklärte. Nichts geht doch über Berlin, sagte er, alles,
was von dort kommt, hat Witz und Verstand; hier in den Bergen kann man
wochenlang herumstreifen und findet nicht einen Menschen, mit dem man ein
vernünftiges Wort reden kann. Da Sie auf Ihrer Hochzeitsreise doch keinen
Begleiter brauchen, und ich mich nach Ihrer Abreise wieder langweilen werde,
so will ich auch meine Reise in die Heimat fortsetzen. Ich werde froh sein,
wenn ich wieder in meinem Klub meine Zeitungen, das Tageblatt und die Na-
tionalzcitung, lesen kann, die man hier anch entbehren muß.

Das war ganz aus der Seele des Herrn van Köller gesprochen, der sich
schon längst nach seinem geliebten Amsterdam zurücksehnte.

Oswald ging einsam und schweigend hinterdrein; auf der Anhöhe erreichte
er die übrige Gesellschaft, auf welche seine sichtliche Übellaune ansteckend wirkte.
Auch Margarethen gelang es nicht mehr, in seiner Gegenwart ihre Heiterkeit
zu bewcchreu. Die Gesellschaft kehrte verstimmt in das Hotel zurück; auch Herr
van Köller fand, wie er heimlich seiner Frau zuflüsterte, in Oswald nicht den
lustigen Kameraden, den er nach seinem lebhaften Benehmen bei Tische in ihm
erwartet hatte.

Vor dem Gasthause fand der Arzt eine frühere Reisegesellschaft, mit der
er sich in ein eifriges politisches Gespräch einließ, das Ehepaar van Köller
hatte sich in ein Gartenhaus zurückgezogen und Margarethe begonnen, in einer
mitgebrachten Tauchnitz-Edition zu lesen, während ihr Gemahl eine Cigarre nach
der andern rauchte und für jede eine besondre Spitze nahm, die er mit der
peinlichsten Sorgfalt behandelte.

Was sich so plötzlich zusammengefunden hatte, war ebenso schnell wieder
auseinander.

Oswald hörte, daß in einer Stunde der Stellwagen nach Pieve ti Cadore
gehe; seine Sachen waren schnell gepackt, ein flüchtiger formeller Abschied von
der neuen Begegnung war genommen, und unser Freund steuerte auf dem Vorder-
plntz des Wagens dem Geburtsorte Tizians zu. (Fortsetzung folgt.)




Notizen»
Französische Kriegführung in Ostnsien.

Im K^aro erscheinen jetzt
Briefe eines Herrn Pierre Lodi, Berichterstatter des Blattes in Huc, welche die
Einnahme der dortigen Forts durch die Truppen und Schiffe des Admirals Courbet
schildern. Diese Briefe sind keine angenehme Lektüre, bezeichnen aber in ihrer
lebendigen und anschaulichen Weise sehr deutlich die prunkvolle Methode der franzö¬
sischen Kriegführung gegenüber den Halbbarbaren, deren Unterwerfung Frankreich


Grenzboten IV. 1383. 34
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_154164/275>, abgerufen am 27.07.2024.