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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Viertes Quartal.

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Militärische Kritikaster.

le deutsche Armee hat seit dem letzten Jahre keine Fortschritte
gemacht -- so erklärt kühl und überlegen der Korrespondent eines
der größern englischen Tagesblätter aus Anlaß der letzten Kaiser¬
manöver. Stillstand bedeutet aber Rückschritt, auf allen Gebieten
menschlicher Thätigkeit, ganz besonders aber auf dem eine unausge¬
setzte schaffende und bildende Arbeit erheischenden Felde des militärischen Wissens
und Könnens. Die deutsche Heeresleitung müßte also ernst mit sich zu Rate
gehen, um zu ergründen, in welchem Punkte sie gesündigt, und um zu gleicher
Zeit die Mittel ausfindig zu machen, eingerissene Schäden und Nachlässigkeiten
wieder zu beseitigen, wenn man die Berechtigung solcher Urteile von jenseits
des Kanals anerkennen müßte. Glücklicherweise scheint dies keineswegs der Fall
M sein. Es mag hier unerörtert bleiben, ob der oben angeführte Ausspruch des
englischen Zeitungsschreibers nicht zum guten Teile auf Rechnung der persön¬
lichen Erregung zu setzen ist darüber, daß ihm seiner Ansicht nach bei den
Manövern des elften Armeekorps, um die es sich in dem Bericht handelt, nicht
die nötige Rücksicht und Unterstützung von feiten des persönlich in dieser Be¬
gehung angegriffenen kommandirenden Generals erwiesen worden ist. Auch sach¬
lich muß einem, wenn auch im allgemeinen noch so hochgebildeten Manne, als
welcher hier ohne weiteres der Berichterstatter eines großen englischen Blattes
aufgefaßt sein mag, die Möglichkeit bestritten werden, durch flüchtige Berührung
wie einer fremden Truppe bei den Herbstübungen sich ein zutreffendes Urteil
über deren Kriegstüchtigkeit zu bilden. Man wird einwenden, daß es auf ein
solches bei Berichten für eine politische Zeitung garnicht ankomme, und dieser Ein¬
Wurf wäre auch in Bezug ans deutsche Blätter völlig zutreffend. Bei den fortlaufenden
Meldungen unsrer Zeitungen über die großen Manöver der Armee handelt es sich


Grenzboten IV. 18L3. Is


Militärische Kritikaster.

le deutsche Armee hat seit dem letzten Jahre keine Fortschritte
gemacht — so erklärt kühl und überlegen der Korrespondent eines
der größern englischen Tagesblätter aus Anlaß der letzten Kaiser¬
manöver. Stillstand bedeutet aber Rückschritt, auf allen Gebieten
menschlicher Thätigkeit, ganz besonders aber auf dem eine unausge¬
setzte schaffende und bildende Arbeit erheischenden Felde des militärischen Wissens
und Könnens. Die deutsche Heeresleitung müßte also ernst mit sich zu Rate
gehen, um zu ergründen, in welchem Punkte sie gesündigt, und um zu gleicher
Zeit die Mittel ausfindig zu machen, eingerissene Schäden und Nachlässigkeiten
wieder zu beseitigen, wenn man die Berechtigung solcher Urteile von jenseits
des Kanals anerkennen müßte. Glücklicherweise scheint dies keineswegs der Fall
M sein. Es mag hier unerörtert bleiben, ob der oben angeführte Ausspruch des
englischen Zeitungsschreibers nicht zum guten Teile auf Rechnung der persön¬
lichen Erregung zu setzen ist darüber, daß ihm seiner Ansicht nach bei den
Manövern des elften Armeekorps, um die es sich in dem Bericht handelt, nicht
die nötige Rücksicht und Unterstützung von feiten des persönlich in dieser Be¬
gehung angegriffenen kommandirenden Generals erwiesen worden ist. Auch sach¬
lich muß einem, wenn auch im allgemeinen noch so hochgebildeten Manne, als
welcher hier ohne weiteres der Berichterstatter eines großen englischen Blattes
aufgefaßt sein mag, die Möglichkeit bestritten werden, durch flüchtige Berührung
wie einer fremden Truppe bei den Herbstübungen sich ein zutreffendes Urteil
über deren Kriegstüchtigkeit zu bilden. Man wird einwenden, daß es auf ein
solches bei Berichten für eine politische Zeitung garnicht ankomme, und dieser Ein¬
Wurf wäre auch in Bezug ans deutsche Blätter völlig zutreffend. Bei den fortlaufenden
Meldungen unsrer Zeitungen über die großen Manöver der Armee handelt es sich


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[0123] [Abbildung] Militärische Kritikaster. le deutsche Armee hat seit dem letzten Jahre keine Fortschritte gemacht — so erklärt kühl und überlegen der Korrespondent eines der größern englischen Tagesblätter aus Anlaß der letzten Kaiser¬ manöver. Stillstand bedeutet aber Rückschritt, auf allen Gebieten menschlicher Thätigkeit, ganz besonders aber auf dem eine unausge¬ setzte schaffende und bildende Arbeit erheischenden Felde des militärischen Wissens und Könnens. Die deutsche Heeresleitung müßte also ernst mit sich zu Rate gehen, um zu ergründen, in welchem Punkte sie gesündigt, und um zu gleicher Zeit die Mittel ausfindig zu machen, eingerissene Schäden und Nachlässigkeiten wieder zu beseitigen, wenn man die Berechtigung solcher Urteile von jenseits des Kanals anerkennen müßte. Glücklicherweise scheint dies keineswegs der Fall M sein. Es mag hier unerörtert bleiben, ob der oben angeführte Ausspruch des englischen Zeitungsschreibers nicht zum guten Teile auf Rechnung der persön¬ lichen Erregung zu setzen ist darüber, daß ihm seiner Ansicht nach bei den Manövern des elften Armeekorps, um die es sich in dem Bericht handelt, nicht die nötige Rücksicht und Unterstützung von feiten des persönlich in dieser Be¬ gehung angegriffenen kommandirenden Generals erwiesen worden ist. Auch sach¬ lich muß einem, wenn auch im allgemeinen noch so hochgebildeten Manne, als welcher hier ohne weiteres der Berichterstatter eines großen englischen Blattes aufgefaßt sein mag, die Möglichkeit bestritten werden, durch flüchtige Berührung wie einer fremden Truppe bei den Herbstübungen sich ein zutreffendes Urteil über deren Kriegstüchtigkeit zu bilden. Man wird einwenden, daß es auf ein solches bei Berichten für eine politische Zeitung garnicht ankomme, und dieser Ein¬ Wurf wäre auch in Bezug ans deutsche Blätter völlig zutreffend. Bei den fortlaufenden Meldungen unsrer Zeitungen über die großen Manöver der Armee handelt es sich Grenzboten IV. 18L3. Is

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_154164/123>, abgerufen am 27.07.2024.