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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal.

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Die Davidsbündler.

Als Gelehrter, als Theolog, als Dichter, als Redner, als Staatsmann ein
seltener Mensch, auch dann noch Herr über sich, wann er vor Zorn zu sprudeln
schien. Aber er war ein Begeisterter, er glaubte Gott und seiue Winke und
Regungen unmittelbar in sich, er kämpfte mit dem Teufel und dem ganzen höllischen
Heer als mit gegenwärtigen Streitern, und in diesem Sinn und Gefühl sah er die
Gewalt und Heftigkeit, womit er durchfuhr und, was ihm widerstehen wollte,
niederwarf, auch für eine Kraft Gottes und für sein gebührliches Recht an. Und
was würde er ausgerichtet haben, wäre dieser Glaube nicht in ihm gewesen?
Aber das bleibt seine unsterbliche Ehre, daß er gutmütig, zutraulich, fröhlich und
redlich war, wie nur die besten Deutschen gewesen sind, daß er Ehre und Treue
dem deutscheu Vaterlande, Gehorsam und Pflicht dem Kaiser, Haß der italienischen
Arglist, und Furcht vor der französischen Trüglichkeit predigte, und wie er konnte,
aufrecht erhielt. . . . Seine Gesinnung, sein Glaube, seiue Treue muß gewogen
werden, nicht das Gute oder Böse, das aus seiner Aussaat erwachsen ist. Denn
kein Sterblicher weiß, was er säet; aber wie er es säet, das weiß er. Luther
stand als eine letzte schöne Blüte an der Spitze eines vergehenden Zeitalters; er
glaubte, es sey der Anfang eiuer neuen Zeit: es war nur der Anfang eines langen,
lahmen und traurigen Überganges zu einer neuen herrlicheren Zeit des Christen¬
tums, die künftig werden soll. Drey schwere, mühevolle, blutige und freudenlose
Jahrhunderte liegen hinter seinem Streben; noch ist die Zeit nicht da, aber aus
dem blutige" Staube der Gegenwart dämmert die Morgenröte, die er schon zu
sehen glaubte, und die nur in seinem himinclhellen und freudige" Gemüte leuchtete. ...


Franz Schmorr von Larolsfeld.


Die Davidsbündler.

meer diesem Titel ist vor kurzem im Verlag von Vreitkopf und
Härtel in Leipzig ein Buch erschienen, das über einen der merk¬
würdigsten und entscheidendsten Abschnitte der deutschen Musik¬
geschichte zum erstenmale Licht Perbreitet, über die Zeit, wo Ro¬
bert Schumann, heute der gefeierte Liebling aller echten
Musilantenscelen und längst von ihnen ausgenommen in jene glänzende Reihe,
die gebildet wird durch die Namen Bach, Händel, Haydn, Mozart, Beethoven,
Schubert, Mendelssohn, Schumann, Brahms, zuerst auftauchte und in rührender
Bescheidenheit Beachtung und Verständnis suchte für Klavierwerke, die bellte
zum täglichen Brot der musikalischen Konservatorien zählen und das Entzücken
aller fortgeschrittenen Klavierspieler bilden, die Zeit, die in der Geschichte des
deutschen Geisteslebens nur einmal noch ihresgleichen hat: in der Sturm- und
Drangperiode der deutscheu Poesie. Man setze für den jungen Goethe den jungen


Die Davidsbündler.

Als Gelehrter, als Theolog, als Dichter, als Redner, als Staatsmann ein
seltener Mensch, auch dann noch Herr über sich, wann er vor Zorn zu sprudeln
schien. Aber er war ein Begeisterter, er glaubte Gott und seiue Winke und
Regungen unmittelbar in sich, er kämpfte mit dem Teufel und dem ganzen höllischen
Heer als mit gegenwärtigen Streitern, und in diesem Sinn und Gefühl sah er die
Gewalt und Heftigkeit, womit er durchfuhr und, was ihm widerstehen wollte,
niederwarf, auch für eine Kraft Gottes und für sein gebührliches Recht an. Und
was würde er ausgerichtet haben, wäre dieser Glaube nicht in ihm gewesen?
Aber das bleibt seine unsterbliche Ehre, daß er gutmütig, zutraulich, fröhlich und
redlich war, wie nur die besten Deutschen gewesen sind, daß er Ehre und Treue
dem deutscheu Vaterlande, Gehorsam und Pflicht dem Kaiser, Haß der italienischen
Arglist, und Furcht vor der französischen Trüglichkeit predigte, und wie er konnte,
aufrecht erhielt. . . . Seine Gesinnung, sein Glaube, seiue Treue muß gewogen
werden, nicht das Gute oder Böse, das aus seiner Aussaat erwachsen ist. Denn
kein Sterblicher weiß, was er säet; aber wie er es säet, das weiß er. Luther
stand als eine letzte schöne Blüte an der Spitze eines vergehenden Zeitalters; er
glaubte, es sey der Anfang eiuer neuen Zeit: es war nur der Anfang eines langen,
lahmen und traurigen Überganges zu einer neuen herrlicheren Zeit des Christen¬
tums, die künftig werden soll. Drey schwere, mühevolle, blutige und freudenlose
Jahrhunderte liegen hinter seinem Streben; noch ist die Zeit nicht da, aber aus
dem blutige» Staube der Gegenwart dämmert die Morgenröte, die er schon zu
sehen glaubte, und die nur in seinem himinclhellen und freudige» Gemüte leuchtete. ...


Franz Schmorr von Larolsfeld.


Die Davidsbündler.

meer diesem Titel ist vor kurzem im Verlag von Vreitkopf und
Härtel in Leipzig ein Buch erschienen, das über einen der merk¬
würdigsten und entscheidendsten Abschnitte der deutschen Musik¬
geschichte zum erstenmale Licht Perbreitet, über die Zeit, wo Ro¬
bert Schumann, heute der gefeierte Liebling aller echten
Musilantenscelen und längst von ihnen ausgenommen in jene glänzende Reihe,
die gebildet wird durch die Namen Bach, Händel, Haydn, Mozart, Beethoven,
Schubert, Mendelssohn, Schumann, Brahms, zuerst auftauchte und in rührender
Bescheidenheit Beachtung und Verständnis suchte für Klavierwerke, die bellte
zum täglichen Brot der musikalischen Konservatorien zählen und das Entzücken
aller fortgeschrittenen Klavierspieler bilden, die Zeit, die in der Geschichte des
deutschen Geisteslebens nur einmal noch ihresgleichen hat: in der Sturm- und
Drangperiode der deutscheu Poesie. Man setze für den jungen Goethe den jungen


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[0680] Die Davidsbündler. Als Gelehrter, als Theolog, als Dichter, als Redner, als Staatsmann ein seltener Mensch, auch dann noch Herr über sich, wann er vor Zorn zu sprudeln schien. Aber er war ein Begeisterter, er glaubte Gott und seiue Winke und Regungen unmittelbar in sich, er kämpfte mit dem Teufel und dem ganzen höllischen Heer als mit gegenwärtigen Streitern, und in diesem Sinn und Gefühl sah er die Gewalt und Heftigkeit, womit er durchfuhr und, was ihm widerstehen wollte, niederwarf, auch für eine Kraft Gottes und für sein gebührliches Recht an. Und was würde er ausgerichtet haben, wäre dieser Glaube nicht in ihm gewesen? Aber das bleibt seine unsterbliche Ehre, daß er gutmütig, zutraulich, fröhlich und redlich war, wie nur die besten Deutschen gewesen sind, daß er Ehre und Treue dem deutscheu Vaterlande, Gehorsam und Pflicht dem Kaiser, Haß der italienischen Arglist, und Furcht vor der französischen Trüglichkeit predigte, und wie er konnte, aufrecht erhielt. . . . Seine Gesinnung, sein Glaube, seiue Treue muß gewogen werden, nicht das Gute oder Böse, das aus seiner Aussaat erwachsen ist. Denn kein Sterblicher weiß, was er säet; aber wie er es säet, das weiß er. Luther stand als eine letzte schöne Blüte an der Spitze eines vergehenden Zeitalters; er glaubte, es sey der Anfang eiuer neuen Zeit: es war nur der Anfang eines langen, lahmen und traurigen Überganges zu einer neuen herrlicheren Zeit des Christen¬ tums, die künftig werden soll. Drey schwere, mühevolle, blutige und freudenlose Jahrhunderte liegen hinter seinem Streben; noch ist die Zeit nicht da, aber aus dem blutige» Staube der Gegenwart dämmert die Morgenröte, die er schon zu sehen glaubte, und die nur in seinem himinclhellen und freudige» Gemüte leuchtete. ... Franz Schmorr von Larolsfeld. Die Davidsbündler. meer diesem Titel ist vor kurzem im Verlag von Vreitkopf und Härtel in Leipzig ein Buch erschienen, das über einen der merk¬ würdigsten und entscheidendsten Abschnitte der deutschen Musik¬ geschichte zum erstenmale Licht Perbreitet, über die Zeit, wo Ro¬ bert Schumann, heute der gefeierte Liebling aller echten Musilantenscelen und längst von ihnen ausgenommen in jene glänzende Reihe, die gebildet wird durch die Namen Bach, Händel, Haydn, Mozart, Beethoven, Schubert, Mendelssohn, Schumann, Brahms, zuerst auftauchte und in rührender Bescheidenheit Beachtung und Verständnis suchte für Klavierwerke, die bellte zum täglichen Brot der musikalischen Konservatorien zählen und das Entzücken aller fortgeschrittenen Klavierspieler bilden, die Zeit, die in der Geschichte des deutschen Geisteslebens nur einmal noch ihresgleichen hat: in der Sturm- und Drangperiode der deutscheu Poesie. Man setze für den jungen Goethe den jungen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_153446/680>, abgerufen am 08.09.2024.