Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal.Notiz. Zur Zeit der Jesuitenherrschaft haben die Misiones auch Weizen hervorgebracht. Die Verkehrsverhältnisse des Landes sind vorderhand noch wenig entwickelt. Nichtsdestoweniger erscheint Paraguay schou heute für den mit einem ent¬ Die kleinbäuerliche Ansiedlung einzelner unbemittelte" deutscheu Familien ist Bei aller Begeisterung für die Schönheit und Fruchtbarkeit des Landes sind Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig. Verlag von F. L. Hcrbig in Leipzig. -- Druck von Carl Marqucirt in Neudmtz-Leipzig. Notiz. Zur Zeit der Jesuitenherrschaft haben die Misiones auch Weizen hervorgebracht. Die Verkehrsverhältnisse des Landes sind vorderhand noch wenig entwickelt. Nichtsdestoweniger erscheint Paraguay schou heute für den mit einem ent¬ Die kleinbäuerliche Ansiedlung einzelner unbemittelte» deutscheu Familien ist Bei aller Begeisterung für die Schönheit und Fruchtbarkeit des Landes sind Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig. Verlag von F. L. Hcrbig in Leipzig. — Druck von Carl Marqucirt in Neudmtz-Leipzig. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0544" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/153991"/> <fw type="header" place="top"> Notiz.</fw><lb/> <p xml:id="ID_2431"> Zur Zeit der Jesuitenherrschaft haben die Misiones auch Weizen hervorgebracht.<lb/> Es erscheint aber fraglich, ob unter den jetzigen Preisverhältnissen der Anbau von<lb/> Weizen und Kartoffeln lohnen würde. Dagegen gedeihen Manioca, Mais, Reis,<lb/> Tabak, Zuckerrohr, Baumwolle und zahlreiche andre Kulturpflanzen. Ebenso ist<lb/> die Aufzucht von Rindvieh und Ziegen, namentlich im Großbetriebe, aussichtsvoll,<lb/> »veniger die von Pferden und Schafen.</p><lb/> <p xml:id="ID_2432"> Die Verkehrsverhältnisse des Landes sind vorderhand noch wenig entwickelt.<lb/> Die Dampfschifffahrt ans dem Paraguay genügt nicht, sodaß die Transportkosten<lb/> sich unverhältnismäßig hoch stellen, wie denn auch die Ufer dieses Stromes für<lb/> die Landwirtschaft sich wenig geeignet erweisen. Ebenso durchschneidet die einzige<lb/> Eisenbahn Asuncion-Pciragnari gerade den weniger fruchtbaren Teil des Landes<lb/> und besitzt trotzdem zu wenig rollendes Material, um dem Bedürfnisse zu genügen.<lb/> Die Schifffahrt auf dem obern Parana und dem Tebicuari ist gering, und die den<lb/> Verkehr zwischen Argentinien und Paraguay hemmende Zollgrenze beschränkt das<lb/> Ausfuhrgebiet des letzter« Staates auf Montevideo und Europa.</p><lb/> <p xml:id="ID_2433"> Nichtsdestoweniger erscheint Paraguay schou heute für den mit einem ent¬<lb/> sprechenden Kapital zum Estanziabetrieb ausgerüsteten Landwirt knltivationsfähig.<lb/> Die niedrigen Landpreise gestatten den Erwerb eines ausgedehnten Areals, und die<lb/> Produkte der Viehzucht werden auf Jahre hinaus «och Absatz im Lande selbst<lb/> finden. Dagegen würden Ackerbauer und Industrielle vorläufig wahrscheinlich mit<lb/> den Schwierigkeiten eines regelmäßigen Absatzes zu kämpfen haben, während ihnen<lb/> später in dein friedlichen und gelehrigen Volke der Guarani ein gutes Arbcits-<lb/> material zur Seite stehen würde.</p><lb/> <p xml:id="ID_2434"> Die kleinbäuerliche Ansiedlung einzelner unbemittelte» deutscheu Familien ist<lb/> im Augenblicke nicht zu empfehlen. Die Kolonisten würden zwar bei der Frucht¬<lb/> barkeit des Bodeus Lebensmittel im Überfluß gewinnen, aber aus Mangel an<lb/> Absatz für ihre Produkte oft nicht imstande sein, ihre sonstigen Bedürfnisse zu<lb/> kaufen, oder die auf dem Lande lastenden Schulden zu verzinsen und abzutragen.<lb/> Das Land erscheint also erst dann kolonisationsfähig, wenn Mnsterfarmen zur Er¬<lb/> lernung der landesüblichen Kulturen vorhanden sein werden, der Absatz aller<lb/> Kulturprvdukte durch Erweiterung und Verbesserung der Verkehrsmittel gehoben<lb/> und sichergestellt, und dem armen Kolonisten dnrch Eisenbahnlinien oder der¬<lb/> gleichen Gelegenheit zum Erwerb baaren Geldes geboten sein wird.</p><lb/> <p xml:id="ID_2435"> Bei aller Begeisterung für die Schönheit und Fruchtbarkeit des Landes sind<lb/> demnach die Schwierigkeiten einer Kolonisation nicht zu verkennen. Die Aufgabe<lb/> der südamerikanischen Kolonisationsgesellschaft und andrer ähnlichen Unternehmungen<lb/> wird deshalb zuerst in vorbereitenden Maßnahmen, Ankauf und Bau von Eisen¬<lb/> bahnen, Anlage von Dampferlinieu und dergleichen zu suchen sein. Ist damit eine<lb/> gesunde Grundlage gesteigerten Verkehrs geschaffen, so scheinen die Vorbedingungen<lb/> für ein Gelingen der spätern Organisation der Kulturarbeit in reichem Maße Vor¬<lb/> handen. Dies gilt von Paraguay, und ähnlich liegen die Verhältnisse in den<lb/> argentinischen Misiones.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div type="corrigenda" n="1"><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <note type="byline"> Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig.<lb/> Verlag von F. L. Hcrbig in Leipzig. — Druck von Carl Marqucirt in Neudmtz-Leipzig.</note><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0544]
Notiz.
Zur Zeit der Jesuitenherrschaft haben die Misiones auch Weizen hervorgebracht.
Es erscheint aber fraglich, ob unter den jetzigen Preisverhältnissen der Anbau von
Weizen und Kartoffeln lohnen würde. Dagegen gedeihen Manioca, Mais, Reis,
Tabak, Zuckerrohr, Baumwolle und zahlreiche andre Kulturpflanzen. Ebenso ist
die Aufzucht von Rindvieh und Ziegen, namentlich im Großbetriebe, aussichtsvoll,
»veniger die von Pferden und Schafen.
Die Verkehrsverhältnisse des Landes sind vorderhand noch wenig entwickelt.
Die Dampfschifffahrt ans dem Paraguay genügt nicht, sodaß die Transportkosten
sich unverhältnismäßig hoch stellen, wie denn auch die Ufer dieses Stromes für
die Landwirtschaft sich wenig geeignet erweisen. Ebenso durchschneidet die einzige
Eisenbahn Asuncion-Pciragnari gerade den weniger fruchtbaren Teil des Landes
und besitzt trotzdem zu wenig rollendes Material, um dem Bedürfnisse zu genügen.
Die Schifffahrt auf dem obern Parana und dem Tebicuari ist gering, und die den
Verkehr zwischen Argentinien und Paraguay hemmende Zollgrenze beschränkt das
Ausfuhrgebiet des letzter« Staates auf Montevideo und Europa.
Nichtsdestoweniger erscheint Paraguay schou heute für den mit einem ent¬
sprechenden Kapital zum Estanziabetrieb ausgerüsteten Landwirt knltivationsfähig.
Die niedrigen Landpreise gestatten den Erwerb eines ausgedehnten Areals, und die
Produkte der Viehzucht werden auf Jahre hinaus «och Absatz im Lande selbst
finden. Dagegen würden Ackerbauer und Industrielle vorläufig wahrscheinlich mit
den Schwierigkeiten eines regelmäßigen Absatzes zu kämpfen haben, während ihnen
später in dein friedlichen und gelehrigen Volke der Guarani ein gutes Arbcits-
material zur Seite stehen würde.
Die kleinbäuerliche Ansiedlung einzelner unbemittelte» deutscheu Familien ist
im Augenblicke nicht zu empfehlen. Die Kolonisten würden zwar bei der Frucht¬
barkeit des Bodeus Lebensmittel im Überfluß gewinnen, aber aus Mangel an
Absatz für ihre Produkte oft nicht imstande sein, ihre sonstigen Bedürfnisse zu
kaufen, oder die auf dem Lande lastenden Schulden zu verzinsen und abzutragen.
Das Land erscheint also erst dann kolonisationsfähig, wenn Mnsterfarmen zur Er¬
lernung der landesüblichen Kulturen vorhanden sein werden, der Absatz aller
Kulturprvdukte durch Erweiterung und Verbesserung der Verkehrsmittel gehoben
und sichergestellt, und dem armen Kolonisten dnrch Eisenbahnlinien oder der¬
gleichen Gelegenheit zum Erwerb baaren Geldes geboten sein wird.
Bei aller Begeisterung für die Schönheit und Fruchtbarkeit des Landes sind
demnach die Schwierigkeiten einer Kolonisation nicht zu verkennen. Die Aufgabe
der südamerikanischen Kolonisationsgesellschaft und andrer ähnlichen Unternehmungen
wird deshalb zuerst in vorbereitenden Maßnahmen, Ankauf und Bau von Eisen¬
bahnen, Anlage von Dampferlinieu und dergleichen zu suchen sein. Ist damit eine
gesunde Grundlage gesteigerten Verkehrs geschaffen, so scheinen die Vorbedingungen
für ein Gelingen der spätern Organisation der Kulturarbeit in reichem Maße Vor¬
handen. Dies gilt von Paraguay, und ähnlich liegen die Verhältnisse in den
argentinischen Misiones.
Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig.
Verlag von F. L. Hcrbig in Leipzig. — Druck von Carl Marqucirt in Neudmtz-Leipzig.
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |