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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal.

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Fritz Reuters Haushund.

das, im römischen Stil gehalten, dnrch seine von dorischen Sandsteinsäulen ge¬
tragene Loggia einen wahrhaft vornehmen Eindruck macht.

Zum Einzuge des Dichters hatte Gisbcrt Freiherr von Vincke, sein Freund
und Sangesbruder, dein der Roman "De mecklenborgschen Montecchi un Capu-
letti, oder de Reis' nah Konstantinopel" gewidmet ist, ein Haushund gestiftet
und mit folgender warmherzigen Begrüßung eingeleitet:


[Beginn Spaltensatz] Dies Haushund haben wir Zwei erdacht:
Das Titelblatt hat die Frau gemacht,
Den Spruch hat der Mann zu Stand gebracht,
Und Jacquet hatte des Deckels Acht --
So ruft es dein Haus sein Lalvo! Jetzt, Buch, nimm treu die Pflicht in Betracht:
Sollst laden an Bord viel reiche Fracht,
Sollst sein anmutiger Rede Schacht,
Durchwirkt mit sonniger Bilder Pracht.
Die allesamt predigen Lslvo! [Spaltenumbruch] Sollst sein der Anger in Moudschciunacht,
Wo Puck der lustige Kobold wacht,
Sollst Blachfeld sein, wo reisige Macht
Der Geister schlägt die friedliche Schlacht,
Ihr Feldgeschrei fröhliches Lalvo! Verschleuß dich, Buch, laugohriger Tracht--
Sonst hebe von Mann und Weib den Pacht!
Wer dann dich liest fein sinnig und sacht,
El, daß ihm das Herz im Leibe lacht
Und schreibet dazu seine Llrlvo! [Ende Spaltensatz]

Atta von Vincke, seine kunstsinnige Gemahlin, hat das Titelblatt von Pergament
mit einem saubern Aquarellbilde geschmückt, welches nach einer Photographie
die Vorderansicht der Villa darstellt. In hübscher Anspielung ranken sich links
herum Kannten und Rosen. Das sind die "oller Kamelien," welche den platt¬
deutschen Poeten auf Rosen gebettet haben. Aber keine Rose ohne Dornen,
auch nicht die, welche einem Dichter auf den Weg gestreut werden. So erblicken
wir weiter unter mächtige Disteln, die ein Esel frißt. Mit dieser Allegorie
hat die Malerin die zudringlichen Fremden und Neugierigen gekennzeichnet, welche
Reuter schou seit Jahren aufs unerträglichste mit ihren Besuchen plagten und
ihn um die beste Schaffeuszeit, die Morgenstunden, brachten, bis endlich die
fürsorgliche Gattin eines Tages an der Hausthüre ein Porzellanschild befestige"
ließ, worauf zu lesen war:


Dr. Fritz Reuter.
Vormittags nicht zu sprechen.

Das half! Doch für seine Freunde blieb er allezeit zu sprechen, und wer später
unter seinem gastfreien Dache beherbergt wurde, ist auch beim Abschiede durch
die Bitte beglückt worden:


So du von dannen ziehst, mein Gast,
Laß uns ein Sprüchlein, das du hast:
Da, wo gut Wort geht aus und ein,
Muß gut das Haus bestellet sein.

Wie viele Freude hat dies Buch bereitet! Als es eintraf, bedankte sich
Reuter brieflich bei Herrn von Vincke auf originell rührende Art: "Eben kommt
dein Packet. In höchster Erwartung wird es geöffnet, und dn finde ich denn


Fritz Reuters Haushund.

das, im römischen Stil gehalten, dnrch seine von dorischen Sandsteinsäulen ge¬
tragene Loggia einen wahrhaft vornehmen Eindruck macht.

Zum Einzuge des Dichters hatte Gisbcrt Freiherr von Vincke, sein Freund
und Sangesbruder, dein der Roman „De mecklenborgschen Montecchi un Capu-
letti, oder de Reis' nah Konstantinopel" gewidmet ist, ein Haushund gestiftet
und mit folgender warmherzigen Begrüßung eingeleitet:


[Beginn Spaltensatz] Dies Haushund haben wir Zwei erdacht:
Das Titelblatt hat die Frau gemacht,
Den Spruch hat der Mann zu Stand gebracht,
Und Jacquet hatte des Deckels Acht —
So ruft es dein Haus sein Lalvo! Jetzt, Buch, nimm treu die Pflicht in Betracht:
Sollst laden an Bord viel reiche Fracht,
Sollst sein anmutiger Rede Schacht,
Durchwirkt mit sonniger Bilder Pracht.
Die allesamt predigen Lslvo! [Spaltenumbruch] Sollst sein der Anger in Moudschciunacht,
Wo Puck der lustige Kobold wacht,
Sollst Blachfeld sein, wo reisige Macht
Der Geister schlägt die friedliche Schlacht,
Ihr Feldgeschrei fröhliches Lalvo! Verschleuß dich, Buch, laugohriger Tracht—
Sonst hebe von Mann und Weib den Pacht!
Wer dann dich liest fein sinnig und sacht,
El, daß ihm das Herz im Leibe lacht
Und schreibet dazu seine Llrlvo! [Ende Spaltensatz]

Atta von Vincke, seine kunstsinnige Gemahlin, hat das Titelblatt von Pergament
mit einem saubern Aquarellbilde geschmückt, welches nach einer Photographie
die Vorderansicht der Villa darstellt. In hübscher Anspielung ranken sich links
herum Kannten und Rosen. Das sind die „oller Kamelien," welche den platt¬
deutschen Poeten auf Rosen gebettet haben. Aber keine Rose ohne Dornen,
auch nicht die, welche einem Dichter auf den Weg gestreut werden. So erblicken
wir weiter unter mächtige Disteln, die ein Esel frißt. Mit dieser Allegorie
hat die Malerin die zudringlichen Fremden und Neugierigen gekennzeichnet, welche
Reuter schou seit Jahren aufs unerträglichste mit ihren Besuchen plagten und
ihn um die beste Schaffeuszeit, die Morgenstunden, brachten, bis endlich die
fürsorgliche Gattin eines Tages an der Hausthüre ein Porzellanschild befestige»
ließ, worauf zu lesen war:


Dr. Fritz Reuter.
Vormittags nicht zu sprechen.

Das half! Doch für seine Freunde blieb er allezeit zu sprechen, und wer später
unter seinem gastfreien Dache beherbergt wurde, ist auch beim Abschiede durch
die Bitte beglückt worden:


So du von dannen ziehst, mein Gast,
Laß uns ein Sprüchlein, das du hast:
Da, wo gut Wort geht aus und ein,
Muß gut das Haus bestellet sein.

Wie viele Freude hat dies Buch bereitet! Als es eintraf, bedankte sich
Reuter brieflich bei Herrn von Vincke auf originell rührende Art: „Eben kommt
dein Packet. In höchster Erwartung wird es geöffnet, und dn finde ich denn


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[0523] Fritz Reuters Haushund. das, im römischen Stil gehalten, dnrch seine von dorischen Sandsteinsäulen ge¬ tragene Loggia einen wahrhaft vornehmen Eindruck macht. Zum Einzuge des Dichters hatte Gisbcrt Freiherr von Vincke, sein Freund und Sangesbruder, dein der Roman „De mecklenborgschen Montecchi un Capu- letti, oder de Reis' nah Konstantinopel" gewidmet ist, ein Haushund gestiftet und mit folgender warmherzigen Begrüßung eingeleitet: Dies Haushund haben wir Zwei erdacht: Das Titelblatt hat die Frau gemacht, Den Spruch hat der Mann zu Stand gebracht, Und Jacquet hatte des Deckels Acht — So ruft es dein Haus sein Lalvo! Jetzt, Buch, nimm treu die Pflicht in Betracht: Sollst laden an Bord viel reiche Fracht, Sollst sein anmutiger Rede Schacht, Durchwirkt mit sonniger Bilder Pracht. Die allesamt predigen Lslvo! Sollst sein der Anger in Moudschciunacht, Wo Puck der lustige Kobold wacht, Sollst Blachfeld sein, wo reisige Macht Der Geister schlägt die friedliche Schlacht, Ihr Feldgeschrei fröhliches Lalvo! Verschleuß dich, Buch, laugohriger Tracht— Sonst hebe von Mann und Weib den Pacht! Wer dann dich liest fein sinnig und sacht, El, daß ihm das Herz im Leibe lacht Und schreibet dazu seine Llrlvo! Atta von Vincke, seine kunstsinnige Gemahlin, hat das Titelblatt von Pergament mit einem saubern Aquarellbilde geschmückt, welches nach einer Photographie die Vorderansicht der Villa darstellt. In hübscher Anspielung ranken sich links herum Kannten und Rosen. Das sind die „oller Kamelien," welche den platt¬ deutschen Poeten auf Rosen gebettet haben. Aber keine Rose ohne Dornen, auch nicht die, welche einem Dichter auf den Weg gestreut werden. So erblicken wir weiter unter mächtige Disteln, die ein Esel frißt. Mit dieser Allegorie hat die Malerin die zudringlichen Fremden und Neugierigen gekennzeichnet, welche Reuter schou seit Jahren aufs unerträglichste mit ihren Besuchen plagten und ihn um die beste Schaffeuszeit, die Morgenstunden, brachten, bis endlich die fürsorgliche Gattin eines Tages an der Hausthüre ein Porzellanschild befestige» ließ, worauf zu lesen war: Dr. Fritz Reuter. Vormittags nicht zu sprechen. Das half! Doch für seine Freunde blieb er allezeit zu sprechen, und wer später unter seinem gastfreien Dache beherbergt wurde, ist auch beim Abschiede durch die Bitte beglückt worden: So du von dannen ziehst, mein Gast, Laß uns ein Sprüchlein, das du hast: Da, wo gut Wort geht aus und ein, Muß gut das Haus bestellet sein. Wie viele Freude hat dies Buch bereitet! Als es eintraf, bedankte sich Reuter brieflich bei Herrn von Vincke auf originell rührende Art: „Eben kommt dein Packet. In höchster Erwartung wird es geöffnet, und dn finde ich denn

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_153446/523>, abgerufen am 08.09.2024.