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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal.

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österreichische Wirren.

iener Blätter diskutiren mit großer Lebhaftigkeit den Beschluß
des Gemeinderath, das Jubiläum des Sieges der Christen über
die Türken unter den Mauern der Stadt nicht durch ein Volks¬
fest zu feiern, mehr noch die Motivirung jenes Beschlusses. Über
^letzter" selbst kann man sehr verschiedner Ansicht sein; eine Blöße
hat sich Versammlung der Stadtväter unzweifelhaft gegeben, indem sie auch
notgedrungene Sparsamkeit als Grund anführten, den Antrag eines Mitgliedes
aber, daß jeder Teilnehmer an dem "Frühstück," welches der Gemeinderat nach
Enthüllung eines Denksteins auf dem Kcihlenberge einnehmen will, seine Zeche
I^bst "begleichen" solle, unter allgemeiner "Heiterkeit" ablehnten. Die Gegner
haben nun ein Recht zu fragen, wie die Stadt, welche angeblich keine Mittel
^Ntze, um der ganzen Bevölkerung Unterhaltung durch Musik, Feuerwerk
dergl. in. im Prater zu gewähren, dazu komme, den Herren Gemeinderäten
den Champagner zu bezahlen. Anders steht es um die Hauptmotive des Be-
Musses. Wien ist nicht in der Stimmung, Feste zu feiern, und es hat auch
reinen Grund dazu -- das ist eine Thatsache, welche durch alles Geschrei der
Achten und der Ehrentschechen nicht aus der Welt geschafft werden kann. Wien
Mull Physisch und moralisch. Als nach den unglücklichen Kriegen und der
vtrennung Ungarns die Hauptstadt sich zu einer bis dahin ungeahnten Blüte
entwickelte, fehlte es nicht an Personen, welche ans dem xost Iioo ein xroxtsr Koo
wachten und die militärischen und politischen Niederlagen gewissermaßen als
den Dünger darstellten, welcher dem Boden neue Triebkraft mitgeteilt habe,
^ber der "volkswirtschaftliche Aufschwung." der wirkliche Guano in diesem Falle,
wirkt nicht mehr nach, und nun zeigt sich handgreiflich, wie viel die Stadt in
ehren Lebensbedingungen geschädigt worden ist. Die Hofhaltung ist abwechselnd


Grenzboten III, 1883. 41


österreichische Wirren.

iener Blätter diskutiren mit großer Lebhaftigkeit den Beschluß
des Gemeinderath, das Jubiläum des Sieges der Christen über
die Türken unter den Mauern der Stadt nicht durch ein Volks¬
fest zu feiern, mehr noch die Motivirung jenes Beschlusses. Über
^letzter» selbst kann man sehr verschiedner Ansicht sein; eine Blöße
hat sich Versammlung der Stadtväter unzweifelhaft gegeben, indem sie auch
notgedrungene Sparsamkeit als Grund anführten, den Antrag eines Mitgliedes
aber, daß jeder Teilnehmer an dem „Frühstück," welches der Gemeinderat nach
Enthüllung eines Denksteins auf dem Kcihlenberge einnehmen will, seine Zeche
I^bst „begleichen" solle, unter allgemeiner „Heiterkeit" ablehnten. Die Gegner
haben nun ein Recht zu fragen, wie die Stadt, welche angeblich keine Mittel
^Ntze, um der ganzen Bevölkerung Unterhaltung durch Musik, Feuerwerk
dergl. in. im Prater zu gewähren, dazu komme, den Herren Gemeinderäten
den Champagner zu bezahlen. Anders steht es um die Hauptmotive des Be-
Musses. Wien ist nicht in der Stimmung, Feste zu feiern, und es hat auch
reinen Grund dazu — das ist eine Thatsache, welche durch alles Geschrei der
Achten und der Ehrentschechen nicht aus der Welt geschafft werden kann. Wien
Mull Physisch und moralisch. Als nach den unglücklichen Kriegen und der
vtrennung Ungarns die Hauptstadt sich zu einer bis dahin ungeahnten Blüte
entwickelte, fehlte es nicht an Personen, welche ans dem xost Iioo ein xroxtsr Koo
wachten und die militärischen und politischen Niederlagen gewissermaßen als
den Dünger darstellten, welcher dem Boden neue Triebkraft mitgeteilt habe,
^ber der „volkswirtschaftliche Aufschwung." der wirkliche Guano in diesem Falle,
wirkt nicht mehr nach, und nun zeigt sich handgreiflich, wie viel die Stadt in
ehren Lebensbedingungen geschädigt worden ist. Die Hofhaltung ist abwechselnd


Grenzboten III, 1883. 41
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[0329] [Abbildung] österreichische Wirren. iener Blätter diskutiren mit großer Lebhaftigkeit den Beschluß des Gemeinderath, das Jubiläum des Sieges der Christen über die Türken unter den Mauern der Stadt nicht durch ein Volks¬ fest zu feiern, mehr noch die Motivirung jenes Beschlusses. Über ^letzter» selbst kann man sehr verschiedner Ansicht sein; eine Blöße hat sich Versammlung der Stadtväter unzweifelhaft gegeben, indem sie auch notgedrungene Sparsamkeit als Grund anführten, den Antrag eines Mitgliedes aber, daß jeder Teilnehmer an dem „Frühstück," welches der Gemeinderat nach Enthüllung eines Denksteins auf dem Kcihlenberge einnehmen will, seine Zeche I^bst „begleichen" solle, unter allgemeiner „Heiterkeit" ablehnten. Die Gegner haben nun ein Recht zu fragen, wie die Stadt, welche angeblich keine Mittel ^Ntze, um der ganzen Bevölkerung Unterhaltung durch Musik, Feuerwerk dergl. in. im Prater zu gewähren, dazu komme, den Herren Gemeinderäten den Champagner zu bezahlen. Anders steht es um die Hauptmotive des Be- Musses. Wien ist nicht in der Stimmung, Feste zu feiern, und es hat auch reinen Grund dazu — das ist eine Thatsache, welche durch alles Geschrei der Achten und der Ehrentschechen nicht aus der Welt geschafft werden kann. Wien Mull Physisch und moralisch. Als nach den unglücklichen Kriegen und der vtrennung Ungarns die Hauptstadt sich zu einer bis dahin ungeahnten Blüte entwickelte, fehlte es nicht an Personen, welche ans dem xost Iioo ein xroxtsr Koo wachten und die militärischen und politischen Niederlagen gewissermaßen als den Dünger darstellten, welcher dem Boden neue Triebkraft mitgeteilt habe, ^ber der „volkswirtschaftliche Aufschwung." der wirkliche Guano in diesem Falle, wirkt nicht mehr nach, und nun zeigt sich handgreiflich, wie viel die Stadt in ehren Lebensbedingungen geschädigt worden ist. Die Hofhaltung ist abwechselnd Grenzboten III, 1883. 41

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_153446/329>, abgerufen am 08.09.2024.