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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal.

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Bäuerliche Zustände in Deutschland.

Bau, der den Bund des Hanfes Hohenzollern mit der Reformation besiegeln
muß, nachdem dieses Haus durch diesen Bund groß geworden, nachdem durch
diesen Bund die deutsche Nation erhalten worden, deren Zukunft, deren Voll¬
endung auf diesem Bau beruht. Denn nimmer hätte der Romanismus einen
deutschen Staat sich bilden lassen, dessen Existenz zu unterwühlen seine Haupt¬
arbeit gewesen ist, so lange er lebt, und bleiben wird, so lange er seine giftigen
Wurzeln in das deutsche Erdreich treibt.

Man spricht von einem Standbilde Luthers in der deutschen Hauptstadt und
hat zum Aufruf für dasselbe Namen der unverträglichsten Richtungen zusammen¬
gebracht. Möge das Bild zu stände kommen! Aber möge die Art, wie es zu
stände gebracht werden soll, uns nicht den lebendigen Luther verhüllen! Wir
brauchen Klarheit, Klarheit! Eine evangelische Nationalpartei sollte sich bilden,
in ihr sollte die nationalliberale Partei aufgehen oder sich zum Keim derselben
machen. Thorheit das Gerede, daß die politischen Parteien von der Religion
absehen sollen. Seit dreizehn Jahren haben wir eine kirchliche und politische
Partei im sogenannten Zentrum, deren Stärke und Erfolge auf dieser Ver¬
bindung beruhen. Dem Ultramontanismus und Jesuitismus soll die Freiheit
politischer Parteibildung einspruchslvs gestattet sein, dem evangelischen Geiste,
dem sittlichen Geist des deutschen Volkes aber nicht? Ist das nicht der Selbst¬
mord des Protestantismus? Eine evangelische Nationalpartei als religiös poli¬
tische Partei -- keine Frucht des Lutherjubiläums thut uns so not als diese!
Diese Partei muß uus durch geistige Arbeit in Parlament und Presse von all
den lähmenden Unklarheiten befreien, die uns dem Romanismus gebunden in
die Hände liefern. Zuerst von der heuchlerisch albernen, aus jesuitischer Arglist
auf ultramontaner Seite, aus dumm gewordener Superklugheit auf protestan¬
tischer Seite genährten Vorstellung des paritätischen Staates mit ihren tief
verderblichen Konsequenzen. In dieses Dunkel ist hineinzuleuchten, in diese
giftigen Spinngewebe mit dem Besen zu fahren!




Bäuerliche Zustände in Deutschland.

le Geduld des Bauern ist ebenso sprichwörtlich wie seine Lethargie:
wenn der Bauer nicht muß, rührt er weder Hand noch Fuß.
In der Zeit der Erb- und Gntsunterthänigkeit war er seiner
Sorgen um sein leibliches Fortkommen überhoben; von Natur
mit bescheidnen Ansprüchen ausgestattet, begnügte er sich mit
dem, was er hatte, was ihm der gute oder böse Wille des Herrn zukommen
ließ. Die Uberwucherung der feudalen Rechte unterdrückte aber nicht bloß das
menschenwürdige Dasein des Bauern, sondern sie brachte auch die gesamte


Bäuerliche Zustände in Deutschland.

Bau, der den Bund des Hanfes Hohenzollern mit der Reformation besiegeln
muß, nachdem dieses Haus durch diesen Bund groß geworden, nachdem durch
diesen Bund die deutsche Nation erhalten worden, deren Zukunft, deren Voll¬
endung auf diesem Bau beruht. Denn nimmer hätte der Romanismus einen
deutschen Staat sich bilden lassen, dessen Existenz zu unterwühlen seine Haupt¬
arbeit gewesen ist, so lange er lebt, und bleiben wird, so lange er seine giftigen
Wurzeln in das deutsche Erdreich treibt.

Man spricht von einem Standbilde Luthers in der deutschen Hauptstadt und
hat zum Aufruf für dasselbe Namen der unverträglichsten Richtungen zusammen¬
gebracht. Möge das Bild zu stände kommen! Aber möge die Art, wie es zu
stände gebracht werden soll, uns nicht den lebendigen Luther verhüllen! Wir
brauchen Klarheit, Klarheit! Eine evangelische Nationalpartei sollte sich bilden,
in ihr sollte die nationalliberale Partei aufgehen oder sich zum Keim derselben
machen. Thorheit das Gerede, daß die politischen Parteien von der Religion
absehen sollen. Seit dreizehn Jahren haben wir eine kirchliche und politische
Partei im sogenannten Zentrum, deren Stärke und Erfolge auf dieser Ver¬
bindung beruhen. Dem Ultramontanismus und Jesuitismus soll die Freiheit
politischer Parteibildung einspruchslvs gestattet sein, dem evangelischen Geiste,
dem sittlichen Geist des deutschen Volkes aber nicht? Ist das nicht der Selbst¬
mord des Protestantismus? Eine evangelische Nationalpartei als religiös poli¬
tische Partei — keine Frucht des Lutherjubiläums thut uns so not als diese!
Diese Partei muß uus durch geistige Arbeit in Parlament und Presse von all
den lähmenden Unklarheiten befreien, die uns dem Romanismus gebunden in
die Hände liefern. Zuerst von der heuchlerisch albernen, aus jesuitischer Arglist
auf ultramontaner Seite, aus dumm gewordener Superklugheit auf protestan¬
tischer Seite genährten Vorstellung des paritätischen Staates mit ihren tief
verderblichen Konsequenzen. In dieses Dunkel ist hineinzuleuchten, in diese
giftigen Spinngewebe mit dem Besen zu fahren!




Bäuerliche Zustände in Deutschland.

le Geduld des Bauern ist ebenso sprichwörtlich wie seine Lethargie:
wenn der Bauer nicht muß, rührt er weder Hand noch Fuß.
In der Zeit der Erb- und Gntsunterthänigkeit war er seiner
Sorgen um sein leibliches Fortkommen überhoben; von Natur
mit bescheidnen Ansprüchen ausgestattet, begnügte er sich mit
dem, was er hatte, was ihm der gute oder böse Wille des Herrn zukommen
ließ. Die Uberwucherung der feudalen Rechte unterdrückte aber nicht bloß das
menschenwürdige Dasein des Bauern, sondern sie brachte auch die gesamte


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[0228] Bäuerliche Zustände in Deutschland. Bau, der den Bund des Hanfes Hohenzollern mit der Reformation besiegeln muß, nachdem dieses Haus durch diesen Bund groß geworden, nachdem durch diesen Bund die deutsche Nation erhalten worden, deren Zukunft, deren Voll¬ endung auf diesem Bau beruht. Denn nimmer hätte der Romanismus einen deutschen Staat sich bilden lassen, dessen Existenz zu unterwühlen seine Haupt¬ arbeit gewesen ist, so lange er lebt, und bleiben wird, so lange er seine giftigen Wurzeln in das deutsche Erdreich treibt. Man spricht von einem Standbilde Luthers in der deutschen Hauptstadt und hat zum Aufruf für dasselbe Namen der unverträglichsten Richtungen zusammen¬ gebracht. Möge das Bild zu stände kommen! Aber möge die Art, wie es zu stände gebracht werden soll, uns nicht den lebendigen Luther verhüllen! Wir brauchen Klarheit, Klarheit! Eine evangelische Nationalpartei sollte sich bilden, in ihr sollte die nationalliberale Partei aufgehen oder sich zum Keim derselben machen. Thorheit das Gerede, daß die politischen Parteien von der Religion absehen sollen. Seit dreizehn Jahren haben wir eine kirchliche und politische Partei im sogenannten Zentrum, deren Stärke und Erfolge auf dieser Ver¬ bindung beruhen. Dem Ultramontanismus und Jesuitismus soll die Freiheit politischer Parteibildung einspruchslvs gestattet sein, dem evangelischen Geiste, dem sittlichen Geist des deutschen Volkes aber nicht? Ist das nicht der Selbst¬ mord des Protestantismus? Eine evangelische Nationalpartei als religiös poli¬ tische Partei — keine Frucht des Lutherjubiläums thut uns so not als diese! Diese Partei muß uus durch geistige Arbeit in Parlament und Presse von all den lähmenden Unklarheiten befreien, die uns dem Romanismus gebunden in die Hände liefern. Zuerst von der heuchlerisch albernen, aus jesuitischer Arglist auf ultramontaner Seite, aus dumm gewordener Superklugheit auf protestan¬ tischer Seite genährten Vorstellung des paritätischen Staates mit ihren tief verderblichen Konsequenzen. In dieses Dunkel ist hineinzuleuchten, in diese giftigen Spinngewebe mit dem Besen zu fahren! Bäuerliche Zustände in Deutschland. le Geduld des Bauern ist ebenso sprichwörtlich wie seine Lethargie: wenn der Bauer nicht muß, rührt er weder Hand noch Fuß. In der Zeit der Erb- und Gntsunterthänigkeit war er seiner Sorgen um sein leibliches Fortkommen überhoben; von Natur mit bescheidnen Ansprüchen ausgestattet, begnügte er sich mit dem, was er hatte, was ihm der gute oder böse Wille des Herrn zukommen ließ. Die Uberwucherung der feudalen Rechte unterdrückte aber nicht bloß das menschenwürdige Dasein des Bauern, sondern sie brachte auch die gesamte

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_153446/228>, abgerufen am 08.09.2024.