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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal.

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Die Pflege der Monumentalmalerei in Preußen.
von Adolf Rosenberg, (Fortsetzung.)

cum wir zunächst den Bilderschmuck für die Anim des Jnsterburger
Gymnasiums betrachten, so dürfen wir in erster Linie der Wahl
des Stoffes unsre volle Anerkennung zollen. Die klassische
Bildung spielt nnn einmal -- wir gehören zu denen, die
da sagen: mit Recht -- eine so hervorragende Rolle, daß
die bildliche Verkörperung der Gestalten der griechischen Heldensagen sich
von selbst ergab. Die plastische Kraft Homers, die Anschaulichkeit seiner
Schilderungen kommt der jugendlichen Phantasie ebenso sehr entgegen wie dem
Darstellungsvermögen des Künstlers. Und in der Odyssee besonders zeigt sich
diese plastische Kraft ungleich vielseitiger als in der Ilias, in welcher sich Kampf
an Kampf reiht, bei deren bildlicher Gestaltung selbst der phantasievollste
Künstler kaum Wiederholungen vermeiden könnte. Nicht so ganz können wir
uns mit der Ausführung dieses Gedankens einverstanden erklären. Einmal
widerspricht es dem innern Wesen der monumentalen Kunst, daß die Gemälde
auf Leinwand ausgeführt worden sind und nicht direkt ans die Wand. Die
leichtere Möglichkeit der technischen Herstellung verleitet den Künstler, in der
Erzielung koloristischer Effekte mit der Ölmalerei zu wetteifern, und das soll
und darf die monumentale oder dekorative Malerei nicht, da sie sich als dienendes
Glied der Architektur unterzuordnen hat. Gründe genug werden die Maler
anzuführen haben, um ihr Verfahren zu motiviren. Alle drei üben an der
Königsberger Kunstakademie eine Lehrthätigkeit aus, welche unliebsam unter¬
brochen worden wäre, wenn sie Monate lang in Jnsterburg festgehalten worden
wären. Auch arbeitet es sich im Atelier vor der Staffelei bequemer als auf
dem Gerüst. Endlich ist es für eine unruhige, an das wechselnde Treiben einer
großen Stadt gewohnte Künstlerseele nicht angenehm, sich lange Wochen hindurch
in die philiströse Stille einer Kleinstadt zu vergraben. Und doch haben Künstler
wie Wislicenus und Janssen, der eine in Goslar, der andre in Erfurt, sich diese
Entsagung auferlegt, und vielleicht ist gerade die innere Sammlung, welche sie
in einer kleinen Stadt leichter finden konnten als in der großen, ihren Werken
zu Gute gekommen. Aber die Art der Ausführung ist am Ende der kleinere
Vorwurf, welcher dem Jnsterburger Gemüldecyklus zu machen ist. Viel schwerer
wiegt der Umstand, daß derselbe nicht von einem, sondern von drei Künstlern
gemalt worden ist, und daß es ihm aus diesem Grunde an Einheitlichkeit ge-


Die Pflege der Monumentalmalerei in Preußen.
von Adolf Rosenberg, (Fortsetzung.)

cum wir zunächst den Bilderschmuck für die Anim des Jnsterburger
Gymnasiums betrachten, so dürfen wir in erster Linie der Wahl
des Stoffes unsre volle Anerkennung zollen. Die klassische
Bildung spielt nnn einmal — wir gehören zu denen, die
da sagen: mit Recht — eine so hervorragende Rolle, daß
die bildliche Verkörperung der Gestalten der griechischen Heldensagen sich
von selbst ergab. Die plastische Kraft Homers, die Anschaulichkeit seiner
Schilderungen kommt der jugendlichen Phantasie ebenso sehr entgegen wie dem
Darstellungsvermögen des Künstlers. Und in der Odyssee besonders zeigt sich
diese plastische Kraft ungleich vielseitiger als in der Ilias, in welcher sich Kampf
an Kampf reiht, bei deren bildlicher Gestaltung selbst der phantasievollste
Künstler kaum Wiederholungen vermeiden könnte. Nicht so ganz können wir
uns mit der Ausführung dieses Gedankens einverstanden erklären. Einmal
widerspricht es dem innern Wesen der monumentalen Kunst, daß die Gemälde
auf Leinwand ausgeführt worden sind und nicht direkt ans die Wand. Die
leichtere Möglichkeit der technischen Herstellung verleitet den Künstler, in der
Erzielung koloristischer Effekte mit der Ölmalerei zu wetteifern, und das soll
und darf die monumentale oder dekorative Malerei nicht, da sie sich als dienendes
Glied der Architektur unterzuordnen hat. Gründe genug werden die Maler
anzuführen haben, um ihr Verfahren zu motiviren. Alle drei üben an der
Königsberger Kunstakademie eine Lehrthätigkeit aus, welche unliebsam unter¬
brochen worden wäre, wenn sie Monate lang in Jnsterburg festgehalten worden
wären. Auch arbeitet es sich im Atelier vor der Staffelei bequemer als auf
dem Gerüst. Endlich ist es für eine unruhige, an das wechselnde Treiben einer
großen Stadt gewohnte Künstlerseele nicht angenehm, sich lange Wochen hindurch
in die philiströse Stille einer Kleinstadt zu vergraben. Und doch haben Künstler
wie Wislicenus und Janssen, der eine in Goslar, der andre in Erfurt, sich diese
Entsagung auferlegt, und vielleicht ist gerade die innere Sammlung, welche sie
in einer kleinen Stadt leichter finden konnten als in der großen, ihren Werken
zu Gute gekommen. Aber die Art der Ausführung ist am Ende der kleinere
Vorwurf, welcher dem Jnsterburger Gemüldecyklus zu machen ist. Viel schwerer
wiegt der Umstand, daß derselbe nicht von einem, sondern von drei Künstlern
gemalt worden ist, und daß es ihm aus diesem Grunde an Einheitlichkeit ge-


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[0098] Die Pflege der Monumentalmalerei in Preußen. von Adolf Rosenberg, (Fortsetzung.) cum wir zunächst den Bilderschmuck für die Anim des Jnsterburger Gymnasiums betrachten, so dürfen wir in erster Linie der Wahl des Stoffes unsre volle Anerkennung zollen. Die klassische Bildung spielt nnn einmal — wir gehören zu denen, die da sagen: mit Recht — eine so hervorragende Rolle, daß die bildliche Verkörperung der Gestalten der griechischen Heldensagen sich von selbst ergab. Die plastische Kraft Homers, die Anschaulichkeit seiner Schilderungen kommt der jugendlichen Phantasie ebenso sehr entgegen wie dem Darstellungsvermögen des Künstlers. Und in der Odyssee besonders zeigt sich diese plastische Kraft ungleich vielseitiger als in der Ilias, in welcher sich Kampf an Kampf reiht, bei deren bildlicher Gestaltung selbst der phantasievollste Künstler kaum Wiederholungen vermeiden könnte. Nicht so ganz können wir uns mit der Ausführung dieses Gedankens einverstanden erklären. Einmal widerspricht es dem innern Wesen der monumentalen Kunst, daß die Gemälde auf Leinwand ausgeführt worden sind und nicht direkt ans die Wand. Die leichtere Möglichkeit der technischen Herstellung verleitet den Künstler, in der Erzielung koloristischer Effekte mit der Ölmalerei zu wetteifern, und das soll und darf die monumentale oder dekorative Malerei nicht, da sie sich als dienendes Glied der Architektur unterzuordnen hat. Gründe genug werden die Maler anzuführen haben, um ihr Verfahren zu motiviren. Alle drei üben an der Königsberger Kunstakademie eine Lehrthätigkeit aus, welche unliebsam unter¬ brochen worden wäre, wenn sie Monate lang in Jnsterburg festgehalten worden wären. Auch arbeitet es sich im Atelier vor der Staffelei bequemer als auf dem Gerüst. Endlich ist es für eine unruhige, an das wechselnde Treiben einer großen Stadt gewohnte Künstlerseele nicht angenehm, sich lange Wochen hindurch in die philiströse Stille einer Kleinstadt zu vergraben. Und doch haben Künstler wie Wislicenus und Janssen, der eine in Goslar, der andre in Erfurt, sich diese Entsagung auferlegt, und vielleicht ist gerade die innere Sammlung, welche sie in einer kleinen Stadt leichter finden konnten als in der großen, ihren Werken zu Gute gekommen. Aber die Art der Ausführung ist am Ende der kleinere Vorwurf, welcher dem Jnsterburger Gemüldecyklus zu machen ist. Viel schwerer wiegt der Umstand, daß derselbe nicht von einem, sondern von drei Künstlern gemalt worden ist, und daß es ihm aus diesem Grunde an Einheitlichkeit ge-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_151310/98>, abgerufen am 22.07.2024.