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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal.

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Die Grafen von Altenschwerdt.
Roman von August Nieinnuu (Gotha). Vvrtsctzung.)

err Schunde wurde bald gestört. Vom Hause her kam eine Dame
in deu Garten geschritten, die seine Blicke auf der Stelle fesselte.
Er dachte, sie wäre über die besten Jahre hinaus, aber immer
noch schön. Er bemerkte an ihr eine stolze Haltung, einen
leichten Gang und ein höchst elegantes Promenadenkostüm.
Als sie ihn sitzen sah, änderte sie die Richtung ihres Weges, kam auf ihn
zu und rief: Nun, Doktor, Sie kamen ja gestern Abend nicht mehr!

Herr Schmidt erhob sich und verbeugte sich unter dem Eindruck dieser
offenbar sehr vornehmen Persönlichkeit. Er sah, als die Dame näher kam, daß
sie in der That sehr schön war, wen" auch ihre Nase vielleicht ein wenig zu spitz
und ihr Kinn etwas zu sehr vortretend war. Ein verteufeltes Gesicht, dachte
er für sich.

Verzeihen Sie, gnädige Frau, sagte er, es liegt wohl eine Verwechslung
mit meinem Bruder vor, der mir allerdings ähnlich sieht. Ich bin nicht der
Doktor Schmidt, sondern der Bankdirektor Schmidt aus Holzfurt.

Ach, ich sehe jetzt, sagte sie, die Augen leicht zudrückend und ihn anblin¬
zelnd, während sie zugleich eine Lorgnette aus der Umschlingung vieler kleinen
funkelnden Scichelchen an der Uhrkette loszumachen bemüht war. Eine große
Ähnlichkeit, entschuldigen Sie. Aber -- Bankdirektor sagten Sie, nicht wahr,
Bankdirektor. Da könnten Sie mir vielleicht sagen, weshalb die Kreditaktien
jetzt so sehr heruntergegangen sind?

Zu dienen, sagte Herr Schmidt. Er sah sich das Gesicht mit immer stei¬
gender Neugierde an. Die Augen waren sehr dunkel, beinahe schwarz, und
hatten einen verwegenen Ausdruck. Die Wangen waren rot und das übrige
Gesicht herrlich weiß. Herr Schmidt verstand äußerst wenig von den Toiletten-




Die Grafen von Altenschwerdt.
Roman von August Nieinnuu (Gotha). Vvrtsctzung.)

err Schunde wurde bald gestört. Vom Hause her kam eine Dame
in deu Garten geschritten, die seine Blicke auf der Stelle fesselte.
Er dachte, sie wäre über die besten Jahre hinaus, aber immer
noch schön. Er bemerkte an ihr eine stolze Haltung, einen
leichten Gang und ein höchst elegantes Promenadenkostüm.
Als sie ihn sitzen sah, änderte sie die Richtung ihres Weges, kam auf ihn
zu und rief: Nun, Doktor, Sie kamen ja gestern Abend nicht mehr!

Herr Schmidt erhob sich und verbeugte sich unter dem Eindruck dieser
offenbar sehr vornehmen Persönlichkeit. Er sah, als die Dame näher kam, daß
sie in der That sehr schön war, wen» auch ihre Nase vielleicht ein wenig zu spitz
und ihr Kinn etwas zu sehr vortretend war. Ein verteufeltes Gesicht, dachte
er für sich.

Verzeihen Sie, gnädige Frau, sagte er, es liegt wohl eine Verwechslung
mit meinem Bruder vor, der mir allerdings ähnlich sieht. Ich bin nicht der
Doktor Schmidt, sondern der Bankdirektor Schmidt aus Holzfurt.

Ach, ich sehe jetzt, sagte sie, die Augen leicht zudrückend und ihn anblin¬
zelnd, während sie zugleich eine Lorgnette aus der Umschlingung vieler kleinen
funkelnden Scichelchen an der Uhrkette loszumachen bemüht war. Eine große
Ähnlichkeit, entschuldigen Sie. Aber — Bankdirektor sagten Sie, nicht wahr,
Bankdirektor. Da könnten Sie mir vielleicht sagen, weshalb die Kreditaktien
jetzt so sehr heruntergegangen sind?

Zu dienen, sagte Herr Schmidt. Er sah sich das Gesicht mit immer stei¬
gender Neugierde an. Die Augen waren sehr dunkel, beinahe schwarz, und
hatten einen verwegenen Ausdruck. Die Wangen waren rot und das übrige
Gesicht herrlich weiß. Herr Schmidt verstand äußerst wenig von den Toiletten-


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[0379] Die Grafen von Altenschwerdt. Roman von August Nieinnuu (Gotha). Vvrtsctzung.) err Schunde wurde bald gestört. Vom Hause her kam eine Dame in deu Garten geschritten, die seine Blicke auf der Stelle fesselte. Er dachte, sie wäre über die besten Jahre hinaus, aber immer noch schön. Er bemerkte an ihr eine stolze Haltung, einen leichten Gang und ein höchst elegantes Promenadenkostüm. Als sie ihn sitzen sah, änderte sie die Richtung ihres Weges, kam auf ihn zu und rief: Nun, Doktor, Sie kamen ja gestern Abend nicht mehr! Herr Schmidt erhob sich und verbeugte sich unter dem Eindruck dieser offenbar sehr vornehmen Persönlichkeit. Er sah, als die Dame näher kam, daß sie in der That sehr schön war, wen» auch ihre Nase vielleicht ein wenig zu spitz und ihr Kinn etwas zu sehr vortretend war. Ein verteufeltes Gesicht, dachte er für sich. Verzeihen Sie, gnädige Frau, sagte er, es liegt wohl eine Verwechslung mit meinem Bruder vor, der mir allerdings ähnlich sieht. Ich bin nicht der Doktor Schmidt, sondern der Bankdirektor Schmidt aus Holzfurt. Ach, ich sehe jetzt, sagte sie, die Augen leicht zudrückend und ihn anblin¬ zelnd, während sie zugleich eine Lorgnette aus der Umschlingung vieler kleinen funkelnden Scichelchen an der Uhrkette loszumachen bemüht war. Eine große Ähnlichkeit, entschuldigen Sie. Aber — Bankdirektor sagten Sie, nicht wahr, Bankdirektor. Da könnten Sie mir vielleicht sagen, weshalb die Kreditaktien jetzt so sehr heruntergegangen sind? Zu dienen, sagte Herr Schmidt. Er sah sich das Gesicht mit immer stei¬ gender Neugierde an. Die Augen waren sehr dunkel, beinahe schwarz, und hatten einen verwegenen Ausdruck. Die Wangen waren rot und das übrige Gesicht herrlich weiß. Herr Schmidt verstand äußerst wenig von den Toiletten-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_151310/379>, abgerufen am 22.07.2024.