Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
Rußland am Lalkau.

Titel wegen ihres niedern Ertrages weit hinter die unsichern Titel zurückstellen
und in den meisten Fällen endlich dazu schreiten, diese selbst mit Verlust zu ver¬
kaufen, um sich größeren Zinsertrag zu verschaffen, was in sehr vielen Fällen in
vollem Vermögensverlust seinen Abschluß findet.

Auch nach dieser Richtung hin hat die Vankgründungsepoche unter dem
zweiten Kaiserreich wahrhaft verheerend gewirkt. Insbesondre der OiMit, mMlisr
hat alle Begriffe von Vorsicht und Sicherheit verwirrt. Dieses Institut, an¬
geblich zur Belebung des Kredits und des Unternehmungsgeistes gegründet,
hatte thatsächlich nur den Zweck der Agiotage, bei der sie das alte System
Rothschild auf die Spitze trieb. Der <Ä6an> wobilior gründete große und kleine
Unternehmungen in Menge. Alle waren mit übertriebenen Kapitaltiteln be¬
lastet. Nicht nur wurden Aktien weit mehr, als das Bedürfnis erheischte, aus¬
gegeben und wurden Gründer und Aufsichtsrate mit ausschweifenden, besonders
materielle" Vorteilen bedacht; es wurden oft auch noch unter allerlei Vorwänden
besondre Anleihen auf das wirkliche oder fiktive Vermögen gemacht. Hiervon be¬
zahlte man einige fette Dividenden, wodurch die Menge der "gemischen Rentiers"
gereizt wurde und die Grundlage einer erfolgreichen Agiotage gewonnen war.
Diese wurde natürlich getrieben so weit als möglich, und dann verschwand
das Zauberschloß. Aktionäre und Gläubiger sahen ins Leere. Der Prozeß
Mirss hat auf diesen Schlammhaufen von Dieberei und Dicbesgesinnnng einen
Blick werfen lassen. Derselbe blieb indeß vereinzelt, während man damals die
ganze Uimtö-tinWeo wegen der gleichen Manipulationen hätte ins Zuchthaus
schicken können.

Die Politik des zweiten Kaiserreiches war für die Agiotage gemacht. Und
die mexikanische Affäre ließ keinen Zweifel mehr, daß bis zur vollständigen, anch
politischen Unterwerfung Frankreichs unter die Börse kein großer Schritt mehr
sei. Es war in der That nur noch eine Frage der Zeit, um Herrn von Roth¬
schild als Beherrscher des alten Reiches der Gallier und Franken zu sehen.




Rußland am Balkan.

uf dem Grabe Gmnbettas befand sich unter andern ein Kranz
mit folgender Inschrift: "Die Kammer der Petersburger Rechts-
anwälte dem großen Patrioten und Redner"; die tschechische
Bürgerschaft verschiedner böhmischer Städte mit unaussprechlichen
Namen beeilte sich, ihr Beileid telegraphisch auszudrücken; die
kroatischen Studenten in Wien stimmten eine laute Heldenklage an. Der Tod
des Trägers der Revanchcidee hat in der That in der gesamten slavischen Welt


Rußland am Lalkau.

Titel wegen ihres niedern Ertrages weit hinter die unsichern Titel zurückstellen
und in den meisten Fällen endlich dazu schreiten, diese selbst mit Verlust zu ver¬
kaufen, um sich größeren Zinsertrag zu verschaffen, was in sehr vielen Fällen in
vollem Vermögensverlust seinen Abschluß findet.

Auch nach dieser Richtung hin hat die Vankgründungsepoche unter dem
zweiten Kaiserreich wahrhaft verheerend gewirkt. Insbesondre der OiMit, mMlisr
hat alle Begriffe von Vorsicht und Sicherheit verwirrt. Dieses Institut, an¬
geblich zur Belebung des Kredits und des Unternehmungsgeistes gegründet,
hatte thatsächlich nur den Zweck der Agiotage, bei der sie das alte System
Rothschild auf die Spitze trieb. Der <Ä6an> wobilior gründete große und kleine
Unternehmungen in Menge. Alle waren mit übertriebenen Kapitaltiteln be¬
lastet. Nicht nur wurden Aktien weit mehr, als das Bedürfnis erheischte, aus¬
gegeben und wurden Gründer und Aufsichtsrate mit ausschweifenden, besonders
materielle» Vorteilen bedacht; es wurden oft auch noch unter allerlei Vorwänden
besondre Anleihen auf das wirkliche oder fiktive Vermögen gemacht. Hiervon be¬
zahlte man einige fette Dividenden, wodurch die Menge der „gemischen Rentiers"
gereizt wurde und die Grundlage einer erfolgreichen Agiotage gewonnen war.
Diese wurde natürlich getrieben so weit als möglich, und dann verschwand
das Zauberschloß. Aktionäre und Gläubiger sahen ins Leere. Der Prozeß
Mirss hat auf diesen Schlammhaufen von Dieberei und Dicbesgesinnnng einen
Blick werfen lassen. Derselbe blieb indeß vereinzelt, während man damals die
ganze Uimtö-tinWeo wegen der gleichen Manipulationen hätte ins Zuchthaus
schicken können.

Die Politik des zweiten Kaiserreiches war für die Agiotage gemacht. Und
die mexikanische Affäre ließ keinen Zweifel mehr, daß bis zur vollständigen, anch
politischen Unterwerfung Frankreichs unter die Börse kein großer Schritt mehr
sei. Es war in der That nur noch eine Frage der Zeit, um Herrn von Roth¬
schild als Beherrscher des alten Reiches der Gallier und Franken zu sehen.




Rußland am Balkan.

uf dem Grabe Gmnbettas befand sich unter andern ein Kranz
mit folgender Inschrift: „Die Kammer der Petersburger Rechts-
anwälte dem großen Patrioten und Redner"; die tschechische
Bürgerschaft verschiedner böhmischer Städte mit unaussprechlichen
Namen beeilte sich, ihr Beileid telegraphisch auszudrücken; die
kroatischen Studenten in Wien stimmten eine laute Heldenklage an. Der Tod
des Trägers der Revanchcidee hat in der That in der gesamten slavischen Welt


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0307" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/151924"/>
          <fw type="header" place="top"> Rußland am Lalkau.</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1013" prev="#ID_1012"> Titel wegen ihres niedern Ertrages weit hinter die unsichern Titel zurückstellen<lb/>
und in den meisten Fällen endlich dazu schreiten, diese selbst mit Verlust zu ver¬<lb/>
kaufen, um sich größeren Zinsertrag zu verschaffen, was in sehr vielen Fällen in<lb/>
vollem Vermögensverlust seinen Abschluß findet.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1014"> Auch nach dieser Richtung hin hat die Vankgründungsepoche unter dem<lb/>
zweiten Kaiserreich wahrhaft verheerend gewirkt. Insbesondre der OiMit, mMlisr<lb/>
hat alle Begriffe von Vorsicht und Sicherheit verwirrt. Dieses Institut, an¬<lb/>
geblich zur Belebung des Kredits und des Unternehmungsgeistes gegründet,<lb/>
hatte thatsächlich nur den Zweck der Agiotage, bei der sie das alte System<lb/>
Rothschild auf die Spitze trieb. Der &lt;Ä6an&gt; wobilior gründete große und kleine<lb/>
Unternehmungen in Menge. Alle waren mit übertriebenen Kapitaltiteln be¬<lb/>
lastet. Nicht nur wurden Aktien weit mehr, als das Bedürfnis erheischte, aus¬<lb/>
gegeben und wurden Gründer und Aufsichtsrate mit ausschweifenden, besonders<lb/>
materielle» Vorteilen bedacht; es wurden oft auch noch unter allerlei Vorwänden<lb/>
besondre Anleihen auf das wirkliche oder fiktive Vermögen gemacht. Hiervon be¬<lb/>
zahlte man einige fette Dividenden, wodurch die Menge der &#x201E;gemischen Rentiers"<lb/>
gereizt wurde und die Grundlage einer erfolgreichen Agiotage gewonnen war.<lb/>
Diese wurde natürlich getrieben so weit als möglich, und dann verschwand<lb/>
das Zauberschloß. Aktionäre und Gläubiger sahen ins Leere. Der Prozeß<lb/>
Mirss hat auf diesen Schlammhaufen von Dieberei und Dicbesgesinnnng einen<lb/>
Blick werfen lassen. Derselbe blieb indeß vereinzelt, während man damals die<lb/>
ganze Uimtö-tinWeo wegen der gleichen Manipulationen hätte ins Zuchthaus<lb/>
schicken können.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1015"> Die Politik des zweiten Kaiserreiches war für die Agiotage gemacht. Und<lb/>
die mexikanische Affäre ließ keinen Zweifel mehr, daß bis zur vollständigen, anch<lb/>
politischen Unterwerfung Frankreichs unter die Börse kein großer Schritt mehr<lb/>
sei. Es war in der That nur noch eine Frage der Zeit, um Herrn von Roth¬<lb/>
schild als Beherrscher des alten Reiches der Gallier und Franken zu sehen.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Rußland am Balkan.</head><lb/>
          <p xml:id="ID_1016" next="#ID_1017"> uf dem Grabe Gmnbettas befand sich unter andern ein Kranz<lb/>
mit folgender Inschrift: &#x201E;Die Kammer der Petersburger Rechts-<lb/>
anwälte dem großen Patrioten und Redner"; die tschechische<lb/>
Bürgerschaft verschiedner böhmischer Städte mit unaussprechlichen<lb/>
Namen beeilte sich, ihr Beileid telegraphisch auszudrücken; die<lb/>
kroatischen Studenten in Wien stimmten eine laute Heldenklage an. Der Tod<lb/>
des Trägers der Revanchcidee hat in der That in der gesamten slavischen Welt</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0307] Rußland am Lalkau. Titel wegen ihres niedern Ertrages weit hinter die unsichern Titel zurückstellen und in den meisten Fällen endlich dazu schreiten, diese selbst mit Verlust zu ver¬ kaufen, um sich größeren Zinsertrag zu verschaffen, was in sehr vielen Fällen in vollem Vermögensverlust seinen Abschluß findet. Auch nach dieser Richtung hin hat die Vankgründungsepoche unter dem zweiten Kaiserreich wahrhaft verheerend gewirkt. Insbesondre der OiMit, mMlisr hat alle Begriffe von Vorsicht und Sicherheit verwirrt. Dieses Institut, an¬ geblich zur Belebung des Kredits und des Unternehmungsgeistes gegründet, hatte thatsächlich nur den Zweck der Agiotage, bei der sie das alte System Rothschild auf die Spitze trieb. Der <Ä6an> wobilior gründete große und kleine Unternehmungen in Menge. Alle waren mit übertriebenen Kapitaltiteln be¬ lastet. Nicht nur wurden Aktien weit mehr, als das Bedürfnis erheischte, aus¬ gegeben und wurden Gründer und Aufsichtsrate mit ausschweifenden, besonders materielle» Vorteilen bedacht; es wurden oft auch noch unter allerlei Vorwänden besondre Anleihen auf das wirkliche oder fiktive Vermögen gemacht. Hiervon be¬ zahlte man einige fette Dividenden, wodurch die Menge der „gemischen Rentiers" gereizt wurde und die Grundlage einer erfolgreichen Agiotage gewonnen war. Diese wurde natürlich getrieben so weit als möglich, und dann verschwand das Zauberschloß. Aktionäre und Gläubiger sahen ins Leere. Der Prozeß Mirss hat auf diesen Schlammhaufen von Dieberei und Dicbesgesinnnng einen Blick werfen lassen. Derselbe blieb indeß vereinzelt, während man damals die ganze Uimtö-tinWeo wegen der gleichen Manipulationen hätte ins Zuchthaus schicken können. Die Politik des zweiten Kaiserreiches war für die Agiotage gemacht. Und die mexikanische Affäre ließ keinen Zweifel mehr, daß bis zur vollständigen, anch politischen Unterwerfung Frankreichs unter die Börse kein großer Schritt mehr sei. Es war in der That nur noch eine Frage der Zeit, um Herrn von Roth¬ schild als Beherrscher des alten Reiches der Gallier und Franken zu sehen. Rußland am Balkan. uf dem Grabe Gmnbettas befand sich unter andern ein Kranz mit folgender Inschrift: „Die Kammer der Petersburger Rechts- anwälte dem großen Patrioten und Redner"; die tschechische Bürgerschaft verschiedner böhmischer Städte mit unaussprechlichen Namen beeilte sich, ihr Beileid telegraphisch auszudrücken; die kroatischen Studenten in Wien stimmten eine laute Heldenklage an. Der Tod des Trägers der Revanchcidee hat in der That in der gesamten slavischen Welt

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_151310
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_151310/307
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_151310/307>, abgerufen am 03.07.2024.