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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal.

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Frug oder fragte?

es die schwer Gequälten gar oft in solchen Fällen thaten, zu den Barbaren zu entlaufen,
mit diesen das Weite zu suchen.

Auch bargen seine Villen, war er auch just kein Kunstfreund und zu vorsichtig, Schätze
außerhalb der Festung zu belassen (!), gar manches wertvolle Gerät und Geschirr, auch
Herden von Rindern, Schafen und Schweinen, das (!) der Wirksame (!) ungern den Räubern
gegönnt hätte.

Daß so unglaubliche Übergänge wie: "Wir schließen uns lieber den zechenden
Germanen oberhalb, als dem in ohnmächtiger Wut Zürnenden unterhalb des
Marmvrbodens an" oder: "Der Tag steigt, seufzte sie, und mit ihm steigt doch
meine Angst. Mein Fulvius, wo magst du sein? Hier bin ich! rief eine fröh¬
liche, helle Stimme" ebenso zahlreich vorkommen wie mißgeschaffene neue Worte
und absonderliche Wendungen, kann nach alledem nicht Wunder nehmen.

Die "Spezialität" ist auf poetischem Gebiete offenbar kein Schutz gegen
die Flüchtigkeit und Geschmacklosigkeit. Sie scheint dieselbe sogar zu fördern.
Wenn dergleichen am grünen Holze geschieht, was soll man am dürren erwarten?
Will Felix Dahn die kleinen "Romane aus der Völkerwanderung" in der That
fortsetzen, so dürfen das deutsche Publikum und die deutsche Literatur wohl vou
ihm erwarten, das; er sich auf sich selbst besinne. Sorgfalt und guter Geschmack
der Ausführung sind das mindeste, was man von einem namhaften Dichter
fordern darf, und die Diskussion über den innern Wert oder Unwert einer
Schöpfung sollten erst jenseits dieser erfüllten Forderungen beginnen.




Frug oder fragte?

uf das im vorletzten Hefte der Grenzboten veröffentlichte Sonett
von Paul Lang: "Ich frug," welches in launiger Weise einen
neuerdings immer mehr um sich greifenden Sprachfehler ver¬
spottete, hat die in Berlin erscheinende Post in einer ihrer letzte"
Nummern folgendes mit v. C. unterzeichnete Gegensonett gebracht:


Was neulich du verlangt, ich bin es willig,
Ich folge dir! Nicht sag' ich mehr: ich frug!
Nicht sprech' ich fürder noch: ich wug, ich klug!
Der Sprache Regel völlig nur erfült' ich!
Grammatikalisch aber sprechen will ich!
Wenn nicht: ich frug! -- Warum denn dann: ich trug?
Wenn nicht: ich wug! -- Warum denn dann: ich schlug?
Was recht dem einen, ist dem andern billig.
Ich spreche jetzt nur noch: ich fragte, wagte!
Ich gehe stracks, wohin du mir gewinkt,
Und sage auch: ich dragee und ich schlagte!

Frug oder fragte?

es die schwer Gequälten gar oft in solchen Fällen thaten, zu den Barbaren zu entlaufen,
mit diesen das Weite zu suchen.

Auch bargen seine Villen, war er auch just kein Kunstfreund und zu vorsichtig, Schätze
außerhalb der Festung zu belassen (!), gar manches wertvolle Gerät und Geschirr, auch
Herden von Rindern, Schafen und Schweinen, das (!) der Wirksame (!) ungern den Räubern
gegönnt hätte.

Daß so unglaubliche Übergänge wie: „Wir schließen uns lieber den zechenden
Germanen oberhalb, als dem in ohnmächtiger Wut Zürnenden unterhalb des
Marmvrbodens an" oder: „Der Tag steigt, seufzte sie, und mit ihm steigt doch
meine Angst. Mein Fulvius, wo magst du sein? Hier bin ich! rief eine fröh¬
liche, helle Stimme" ebenso zahlreich vorkommen wie mißgeschaffene neue Worte
und absonderliche Wendungen, kann nach alledem nicht Wunder nehmen.

Die „Spezialität" ist auf poetischem Gebiete offenbar kein Schutz gegen
die Flüchtigkeit und Geschmacklosigkeit. Sie scheint dieselbe sogar zu fördern.
Wenn dergleichen am grünen Holze geschieht, was soll man am dürren erwarten?
Will Felix Dahn die kleinen „Romane aus der Völkerwanderung" in der That
fortsetzen, so dürfen das deutsche Publikum und die deutsche Literatur wohl vou
ihm erwarten, das; er sich auf sich selbst besinne. Sorgfalt und guter Geschmack
der Ausführung sind das mindeste, was man von einem namhaften Dichter
fordern darf, und die Diskussion über den innern Wert oder Unwert einer
Schöpfung sollten erst jenseits dieser erfüllten Forderungen beginnen.




Frug oder fragte?

uf das im vorletzten Hefte der Grenzboten veröffentlichte Sonett
von Paul Lang: „Ich frug," welches in launiger Weise einen
neuerdings immer mehr um sich greifenden Sprachfehler ver¬
spottete, hat die in Berlin erscheinende Post in einer ihrer letzte»
Nummern folgendes mit v. C. unterzeichnete Gegensonett gebracht:


Was neulich du verlangt, ich bin es willig,
Ich folge dir! Nicht sag' ich mehr: ich frug!
Nicht sprech' ich fürder noch: ich wug, ich klug!
Der Sprache Regel völlig nur erfült' ich!
Grammatikalisch aber sprechen will ich!
Wenn nicht: ich frug! — Warum denn dann: ich trug?
Wenn nicht: ich wug! — Warum denn dann: ich schlug?
Was recht dem einen, ist dem andern billig.
Ich spreche jetzt nur noch: ich fragte, wagte!
Ich gehe stracks, wohin du mir gewinkt,
Und sage auch: ich dragee und ich schlagte!

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[0029] Frug oder fragte? es die schwer Gequälten gar oft in solchen Fällen thaten, zu den Barbaren zu entlaufen, mit diesen das Weite zu suchen. Auch bargen seine Villen, war er auch just kein Kunstfreund und zu vorsichtig, Schätze außerhalb der Festung zu belassen (!), gar manches wertvolle Gerät und Geschirr, auch Herden von Rindern, Schafen und Schweinen, das (!) der Wirksame (!) ungern den Räubern gegönnt hätte. Daß so unglaubliche Übergänge wie: „Wir schließen uns lieber den zechenden Germanen oberhalb, als dem in ohnmächtiger Wut Zürnenden unterhalb des Marmvrbodens an" oder: „Der Tag steigt, seufzte sie, und mit ihm steigt doch meine Angst. Mein Fulvius, wo magst du sein? Hier bin ich! rief eine fröh¬ liche, helle Stimme" ebenso zahlreich vorkommen wie mißgeschaffene neue Worte und absonderliche Wendungen, kann nach alledem nicht Wunder nehmen. Die „Spezialität" ist auf poetischem Gebiete offenbar kein Schutz gegen die Flüchtigkeit und Geschmacklosigkeit. Sie scheint dieselbe sogar zu fördern. Wenn dergleichen am grünen Holze geschieht, was soll man am dürren erwarten? Will Felix Dahn die kleinen „Romane aus der Völkerwanderung" in der That fortsetzen, so dürfen das deutsche Publikum und die deutsche Literatur wohl vou ihm erwarten, das; er sich auf sich selbst besinne. Sorgfalt und guter Geschmack der Ausführung sind das mindeste, was man von einem namhaften Dichter fordern darf, und die Diskussion über den innern Wert oder Unwert einer Schöpfung sollten erst jenseits dieser erfüllten Forderungen beginnen. Frug oder fragte? uf das im vorletzten Hefte der Grenzboten veröffentlichte Sonett von Paul Lang: „Ich frug," welches in launiger Weise einen neuerdings immer mehr um sich greifenden Sprachfehler ver¬ spottete, hat die in Berlin erscheinende Post in einer ihrer letzte» Nummern folgendes mit v. C. unterzeichnete Gegensonett gebracht: Was neulich du verlangt, ich bin es willig, Ich folge dir! Nicht sag' ich mehr: ich frug! Nicht sprech' ich fürder noch: ich wug, ich klug! Der Sprache Regel völlig nur erfült' ich! Grammatikalisch aber sprechen will ich! Wenn nicht: ich frug! — Warum denn dann: ich trug? Wenn nicht: ich wug! — Warum denn dann: ich schlug? Was recht dem einen, ist dem andern billig. Ich spreche jetzt nur noch: ich fragte, wagte! Ich gehe stracks, wohin du mir gewinkt, Und sage auch: ich dragee und ich schlagte!

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_151310/29>, abgerufen am 22.07.2024.