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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal.

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Das Manifest des Prinzen Napoleon.

indes ist gewiß, als das Unvorhergesehene. Zu diesem franzö¬
sischen Sprichworte hat die vergangene Woche wieder einmal ein
überraschendes Beispiel geliefert. Sonnabend den 13. Januar
weihte der Prinz of Wales zu Woolwich das Denkmal ein,
welches dort vor der Militärakademie dem Andenken des im
letzten Kaffernkriege gefallenen Sohnes Napoleons III. errichtet worden war.
Der Teilnehmer an der Feier hatten sich viele eingefunden, aber sie trug kein
politisches Gepräge. Der Imperialismus schien schon seit Jahren begraben.
Mit dem frühzeitigen Tode des kaiserlichen Prinzen hatte, so durfte man an¬
nehmen, der letzte Teil der Napoleonischen Trilogie ausgespielt, die mit dem
Tage begann, wo der Korse Napoleon sein Patent als Unterleutnant im Re-
gimente von La Mre erhielt. Es war eine großartige Dramengruppe gewesen,
voll gewaltiger Kämpfe, Siege und Niederlagen, voll unerhörten Aufsteigens und
Sinkens, voll hellsten Glanzes und tiefster Dunkelheit in raschem Wechsel. Wie
man den ersten Cäsar, den römischen, den großen Friedensstörer Roms genannt
hat, so war Napoleon I. sein Abbild, der große Friedensstörer Europas. Er
war es sogar über sein Grab auf Se. Helena hinaus, in der Partei und in
der Legende, die er hinterlassen, und er blieb es auch dann noch, als Ludwig
Philipp seine Asche aus dem einsamen Weidenthale bei Longwood abgeholt und
in der Prachtgruft mit den zwölf riesigen Siegesgöttinnen Pradiers im Pa¬
riser Jnvalidendome bestattet hatte. Der unruhige Geist des kriegsgewaltigeu
Friedensstörers war mit dieser Feier nur neu belebt und ging von neuem durch
die Welt. Seine Legende fand in Thiers ihren wirkungsvollen Geschichtschreiber.
Der graue Rock von Marengo und der Degen von Austerlitz spielten ihre Rolle
vor den Franzosen fort. Ludwig Bonaparte begann mit lächerlichen Demo"-


Grenzboten I. I8L3. 29


Das Manifest des Prinzen Napoleon.

indes ist gewiß, als das Unvorhergesehene. Zu diesem franzö¬
sischen Sprichworte hat die vergangene Woche wieder einmal ein
überraschendes Beispiel geliefert. Sonnabend den 13. Januar
weihte der Prinz of Wales zu Woolwich das Denkmal ein,
welches dort vor der Militärakademie dem Andenken des im
letzten Kaffernkriege gefallenen Sohnes Napoleons III. errichtet worden war.
Der Teilnehmer an der Feier hatten sich viele eingefunden, aber sie trug kein
politisches Gepräge. Der Imperialismus schien schon seit Jahren begraben.
Mit dem frühzeitigen Tode des kaiserlichen Prinzen hatte, so durfte man an¬
nehmen, der letzte Teil der Napoleonischen Trilogie ausgespielt, die mit dem
Tage begann, wo der Korse Napoleon sein Patent als Unterleutnant im Re-
gimente von La Mre erhielt. Es war eine großartige Dramengruppe gewesen,
voll gewaltiger Kämpfe, Siege und Niederlagen, voll unerhörten Aufsteigens und
Sinkens, voll hellsten Glanzes und tiefster Dunkelheit in raschem Wechsel. Wie
man den ersten Cäsar, den römischen, den großen Friedensstörer Roms genannt
hat, so war Napoleon I. sein Abbild, der große Friedensstörer Europas. Er
war es sogar über sein Grab auf Se. Helena hinaus, in der Partei und in
der Legende, die er hinterlassen, und er blieb es auch dann noch, als Ludwig
Philipp seine Asche aus dem einsamen Weidenthale bei Longwood abgeholt und
in der Prachtgruft mit den zwölf riesigen Siegesgöttinnen Pradiers im Pa¬
riser Jnvalidendome bestattet hatte. Der unruhige Geist des kriegsgewaltigeu
Friedensstörers war mit dieser Feier nur neu belebt und ging von neuem durch
die Welt. Seine Legende fand in Thiers ihren wirkungsvollen Geschichtschreiber.
Der graue Rock von Marengo und der Degen von Austerlitz spielten ihre Rolle
vor den Franzosen fort. Ludwig Bonaparte begann mit lächerlichen Demo»-


Grenzboten I. I8L3. 29
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[0233] [Abbildung] Das Manifest des Prinzen Napoleon. indes ist gewiß, als das Unvorhergesehene. Zu diesem franzö¬ sischen Sprichworte hat die vergangene Woche wieder einmal ein überraschendes Beispiel geliefert. Sonnabend den 13. Januar weihte der Prinz of Wales zu Woolwich das Denkmal ein, welches dort vor der Militärakademie dem Andenken des im letzten Kaffernkriege gefallenen Sohnes Napoleons III. errichtet worden war. Der Teilnehmer an der Feier hatten sich viele eingefunden, aber sie trug kein politisches Gepräge. Der Imperialismus schien schon seit Jahren begraben. Mit dem frühzeitigen Tode des kaiserlichen Prinzen hatte, so durfte man an¬ nehmen, der letzte Teil der Napoleonischen Trilogie ausgespielt, die mit dem Tage begann, wo der Korse Napoleon sein Patent als Unterleutnant im Re- gimente von La Mre erhielt. Es war eine großartige Dramengruppe gewesen, voll gewaltiger Kämpfe, Siege und Niederlagen, voll unerhörten Aufsteigens und Sinkens, voll hellsten Glanzes und tiefster Dunkelheit in raschem Wechsel. Wie man den ersten Cäsar, den römischen, den großen Friedensstörer Roms genannt hat, so war Napoleon I. sein Abbild, der große Friedensstörer Europas. Er war es sogar über sein Grab auf Se. Helena hinaus, in der Partei und in der Legende, die er hinterlassen, und er blieb es auch dann noch, als Ludwig Philipp seine Asche aus dem einsamen Weidenthale bei Longwood abgeholt und in der Prachtgruft mit den zwölf riesigen Siegesgöttinnen Pradiers im Pa¬ riser Jnvalidendome bestattet hatte. Der unruhige Geist des kriegsgewaltigeu Friedensstörers war mit dieser Feier nur neu belebt und ging von neuem durch die Welt. Seine Legende fand in Thiers ihren wirkungsvollen Geschichtschreiber. Der graue Rock von Marengo und der Degen von Austerlitz spielten ihre Rolle vor den Franzosen fort. Ludwig Bonaparte begann mit lächerlichen Demo»- Grenzboten I. I8L3. 29

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_151310/233>, abgerufen am 25.08.2024.