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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal.

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Die Grafen von Altenschwerdt.
Roman von August Niemann (Fortsetzung.)

crgessen wir nicht, Verehrtester Herr Kamerad, sagte der Graf,
daß die deutsche Armee, wie sie jetzt dasteht, unvergleichlich
an Größe, Ruhm und innerer Tüchtigkeit ist! Niemals,
so weit wir die Kriegsgeschichte zurückverfolgen können, hat es
eine solche Armee gegeben. Sie ist vorzüglich organisirt, ihr
Material ist das brauchbarste, ihre Bewaffnung steht auf der Höhe der
Technik, ihr Offizierkorps ist das durchgcbildetste, und selbst der Unteroffizier
und der gemeine Mann stehen an moralischem Wert wie an militärischer Disziplin
höher als in jeder andern Armee. Das Ganze ist beseelt von einem ritter¬
lichen Geiste, der von höchster Stelle ausgeht, indem die erhabne Persönlichkeit
des Monarchen als das Musterbild eines Kriegsherrn jedem einzelnen Manne
in imposanter Weise vor Augen steht. Diese Armee ist eine bewunderungs¬
würdige Schöpfung, sie ist fehlerlos, soweit ein Menschenwerk das sein kann,
sie ist ein Wunder.

Ja ja, versetzte der Baron, das ist im ganzen richtig. Aber ich bin der
Meinung, daß jede Schöpfung, so vollkommen sie sein mag, immer noch der
beständig bessernden Hand bedarf. Nichts darf stillstehen, sonst geht es zurück.
Und ich kann meine Bedenken auf Eurer Exzellenz Dithyramben hin nicht auf¬
geben. Solche ritterliche Erscheinungen wie in der alten preußischen Armee giebt
es heutzutage, wo die Welt sich ins Flache gewendet hat, nur noch sehr ver¬
einzelt. Mein seliger Vater, der als Kind noch den großen König mit
leiblichen Augen gesehen hat, erzählte mir oft aus der Zeit, wo er mit
Eurer Exzellenz Vater zusammen im Regiment Gendarmes stand, voni
Prinzen Louis Ferdinand. Das war noch ein Herr, einer jener glän¬
zenden Kavaliere, wie sie vordem in Frankreich berühmt waren/ aber auch
bei uns wohl vorkamen, ein Herr von echter Soldatenehre! Er soll groß




Die Grafen von Altenschwerdt.
Roman von August Niemann (Fortsetzung.)

crgessen wir nicht, Verehrtester Herr Kamerad, sagte der Graf,
daß die deutsche Armee, wie sie jetzt dasteht, unvergleichlich
an Größe, Ruhm und innerer Tüchtigkeit ist! Niemals,
so weit wir die Kriegsgeschichte zurückverfolgen können, hat es
eine solche Armee gegeben. Sie ist vorzüglich organisirt, ihr
Material ist das brauchbarste, ihre Bewaffnung steht auf der Höhe der
Technik, ihr Offizierkorps ist das durchgcbildetste, und selbst der Unteroffizier
und der gemeine Mann stehen an moralischem Wert wie an militärischer Disziplin
höher als in jeder andern Armee. Das Ganze ist beseelt von einem ritter¬
lichen Geiste, der von höchster Stelle ausgeht, indem die erhabne Persönlichkeit
des Monarchen als das Musterbild eines Kriegsherrn jedem einzelnen Manne
in imposanter Weise vor Augen steht. Diese Armee ist eine bewunderungs¬
würdige Schöpfung, sie ist fehlerlos, soweit ein Menschenwerk das sein kann,
sie ist ein Wunder.

Ja ja, versetzte der Baron, das ist im ganzen richtig. Aber ich bin der
Meinung, daß jede Schöpfung, so vollkommen sie sein mag, immer noch der
beständig bessernden Hand bedarf. Nichts darf stillstehen, sonst geht es zurück.
Und ich kann meine Bedenken auf Eurer Exzellenz Dithyramben hin nicht auf¬
geben. Solche ritterliche Erscheinungen wie in der alten preußischen Armee giebt
es heutzutage, wo die Welt sich ins Flache gewendet hat, nur noch sehr ver¬
einzelt. Mein seliger Vater, der als Kind noch den großen König mit
leiblichen Augen gesehen hat, erzählte mir oft aus der Zeit, wo er mit
Eurer Exzellenz Vater zusammen im Regiment Gendarmes stand, voni
Prinzen Louis Ferdinand. Das war noch ein Herr, einer jener glän¬
zenden Kavaliere, wie sie vordem in Frankreich berühmt waren/ aber auch
bei uns wohl vorkamen, ein Herr von echter Soldatenehre! Er soll groß


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[0223] [Abbildung] Die Grafen von Altenschwerdt. Roman von August Niemann (Fortsetzung.) crgessen wir nicht, Verehrtester Herr Kamerad, sagte der Graf, daß die deutsche Armee, wie sie jetzt dasteht, unvergleichlich an Größe, Ruhm und innerer Tüchtigkeit ist! Niemals, so weit wir die Kriegsgeschichte zurückverfolgen können, hat es eine solche Armee gegeben. Sie ist vorzüglich organisirt, ihr Material ist das brauchbarste, ihre Bewaffnung steht auf der Höhe der Technik, ihr Offizierkorps ist das durchgcbildetste, und selbst der Unteroffizier und der gemeine Mann stehen an moralischem Wert wie an militärischer Disziplin höher als in jeder andern Armee. Das Ganze ist beseelt von einem ritter¬ lichen Geiste, der von höchster Stelle ausgeht, indem die erhabne Persönlichkeit des Monarchen als das Musterbild eines Kriegsherrn jedem einzelnen Manne in imposanter Weise vor Augen steht. Diese Armee ist eine bewunderungs¬ würdige Schöpfung, sie ist fehlerlos, soweit ein Menschenwerk das sein kann, sie ist ein Wunder. Ja ja, versetzte der Baron, das ist im ganzen richtig. Aber ich bin der Meinung, daß jede Schöpfung, so vollkommen sie sein mag, immer noch der beständig bessernden Hand bedarf. Nichts darf stillstehen, sonst geht es zurück. Und ich kann meine Bedenken auf Eurer Exzellenz Dithyramben hin nicht auf¬ geben. Solche ritterliche Erscheinungen wie in der alten preußischen Armee giebt es heutzutage, wo die Welt sich ins Flache gewendet hat, nur noch sehr ver¬ einzelt. Mein seliger Vater, der als Kind noch den großen König mit leiblichen Augen gesehen hat, erzählte mir oft aus der Zeit, wo er mit Eurer Exzellenz Vater zusammen im Regiment Gendarmes stand, voni Prinzen Louis Ferdinand. Das war noch ein Herr, einer jener glän¬ zenden Kavaliere, wie sie vordem in Frankreich berühmt waren/ aber auch bei uns wohl vorkamen, ein Herr von echter Soldatenehre! Er soll groß

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_151310/223>, abgerufen am 03.07.2024.