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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal.

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Der jüngste Tag.

solle mit ihm auf gleichen Gewinn spielen. Norman ging darauf ein, und
Plötzlich sah er sich im Besitze von fünfzig Dollars, die er mühelos gewonnen
hatte. Das verdrehte ihm den Kopf. Nichts berauscht einen schwachen Menschen
so leicht, als Geld ohne Anstrengung zu verdienen. So fuhr Norman fort, zu
wetten, bisweilen unabhängig, ans eigue Rechnung, zuweilen in Gemciuschcift
mit dem gentlemännischen Smith. Die Aufregung des Glückswechsels -- eines
Glückswechsels, der ganz und gar in dem Belieben des Kartengcbers stand,
welcher sich als vollkommener Taschenspieler erwies -- trug ihn weiter und
immer weiter. Und dieser Glückswechsel hatte auf die Dauer zur Folge, daß
drei Einsätze vou fünfen in die Taschen der Gauner wanderten, welche fanden,
daß das Spielchen ein recht interessantes Vergnügen für Gentlemen sei.




Siebenuudzwauzigstes Aapitel.
Das Ergebnis eines mit Gentlemen verbrachten Abends.

Was that min August die ganze Zeit über, während welcher die lächelnde"
^nllnukeu dnrch ihre aufs höchste ausgebildete Täuscherkunst ihr schwachköpfiges
^Pfer in ihr Garn zogen? Wo war seine rasche, charaktervolle Entschlossenheit,
Mre schnelle Fassungskraft, seine schöne deutsche Ausdauer hin, die den Bruder Julia
^ndersvns aus deu Klauen von Harpyien hätten retten können? Konnte unser
blauäugiger junger Landsmann, der es verstand, edle Bestrebungen sich zu bewahren,
nährend er in den Furchen eines Pflügers hinschritt -- konnte er dastehen und
^'me Rachsucht sättigen, indem er Zeuge vou dem Ruin eines jungen Menschen
^ar, der gleich vielen andern nnr deshalb schlecht war, weil er schwach war?

In der That, August war ein Mann mit dauerhaften Gefühlen. Sein
^'oll über das Unrecht, das ihm angethan worden, war zäh, war beharrlich
^le seine Liebe. Aber seine Liebe zur Gerechtigkeit war höher und dauerhafter,
"ud er wäre uicht imstande gewesen, zuzusehen, wie irgend jemand in dieser er¬
barmungslosen Weise ausgezogen wird, ohne kräftig an die Seite des Opfers zu
treten. Noch viel weniger aber vermochte er's über sich zu gewinnen, zu sehen,
wie der Bruder Juliens durch die trügerischen Lichter schurkischer Strandränber
"uf Klippen gelockt wurde, ohne deu lebhaften Wunsch zu empfinden, ihn zu retten.
Denn der Brief Andrews hatte jetzt aufgehört, ihm in der Tasche zu brennen.
vMier andre Brief, der einzige, den Julia imstande gewesen war, ihm dnrch
^nthh Ann und Jonas zukommen zu lassen -- jener andre Brief ganz voll
von je"im zärtlichen Überschwänglichkeiten, von denen die Liebe sich nährt, der
Gedanke an diesen andern Brief, der ihm sagte, wie schön und köstlich die Ein¬
ladungen an die Mühseligen und Geladenen seien, hatte seinen Groll gestillt,
""d statt dessen stellte sich der lebhafte Wunsch ein, Norman um Juliens und


Der jüngste Tag.

solle mit ihm auf gleichen Gewinn spielen. Norman ging darauf ein, und
Plötzlich sah er sich im Besitze von fünfzig Dollars, die er mühelos gewonnen
hatte. Das verdrehte ihm den Kopf. Nichts berauscht einen schwachen Menschen
so leicht, als Geld ohne Anstrengung zu verdienen. So fuhr Norman fort, zu
wetten, bisweilen unabhängig, ans eigue Rechnung, zuweilen in Gemciuschcift
mit dem gentlemännischen Smith. Die Aufregung des Glückswechsels — eines
Glückswechsels, der ganz und gar in dem Belieben des Kartengcbers stand,
welcher sich als vollkommener Taschenspieler erwies — trug ihn weiter und
immer weiter. Und dieser Glückswechsel hatte auf die Dauer zur Folge, daß
drei Einsätze vou fünfen in die Taschen der Gauner wanderten, welche fanden,
daß das Spielchen ein recht interessantes Vergnügen für Gentlemen sei.




Siebenuudzwauzigstes Aapitel.
Das Ergebnis eines mit Gentlemen verbrachten Abends.

Was that min August die ganze Zeit über, während welcher die lächelnde«
^nllnukeu dnrch ihre aufs höchste ausgebildete Täuscherkunst ihr schwachköpfiges
^Pfer in ihr Garn zogen? Wo war seine rasche, charaktervolle Entschlossenheit,
Mre schnelle Fassungskraft, seine schöne deutsche Ausdauer hin, die den Bruder Julia
^ndersvns aus deu Klauen von Harpyien hätten retten können? Konnte unser
blauäugiger junger Landsmann, der es verstand, edle Bestrebungen sich zu bewahren,
nährend er in den Furchen eines Pflügers hinschritt — konnte er dastehen und
^'me Rachsucht sättigen, indem er Zeuge vou dem Ruin eines jungen Menschen
^ar, der gleich vielen andern nnr deshalb schlecht war, weil er schwach war?

In der That, August war ein Mann mit dauerhaften Gefühlen. Sein
^'oll über das Unrecht, das ihm angethan worden, war zäh, war beharrlich
^le seine Liebe. Aber seine Liebe zur Gerechtigkeit war höher und dauerhafter,
"ud er wäre uicht imstande gewesen, zuzusehen, wie irgend jemand in dieser er¬
barmungslosen Weise ausgezogen wird, ohne kräftig an die Seite des Opfers zu
treten. Noch viel weniger aber vermochte er's über sich zu gewinnen, zu sehen,
wie der Bruder Juliens durch die trügerischen Lichter schurkischer Strandränber
"uf Klippen gelockt wurde, ohne deu lebhaften Wunsch zu empfinden, ihn zu retten.
Denn der Brief Andrews hatte jetzt aufgehört, ihm in der Tasche zu brennen.
vMier andre Brief, der einzige, den Julia imstande gewesen war, ihm dnrch
^nthh Ann und Jonas zukommen zu lassen — jener andre Brief ganz voll
von je„im zärtlichen Überschwänglichkeiten, von denen die Liebe sich nährt, der
Gedanke an diesen andern Brief, der ihm sagte, wie schön und köstlich die Ein¬
ladungen an die Mühseligen und Geladenen seien, hatte seinen Groll gestillt,
""d statt dessen stellte sich der lebhafte Wunsch ein, Norman um Juliens und


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[0055] Der jüngste Tag. solle mit ihm auf gleichen Gewinn spielen. Norman ging darauf ein, und Plötzlich sah er sich im Besitze von fünfzig Dollars, die er mühelos gewonnen hatte. Das verdrehte ihm den Kopf. Nichts berauscht einen schwachen Menschen so leicht, als Geld ohne Anstrengung zu verdienen. So fuhr Norman fort, zu wetten, bisweilen unabhängig, ans eigue Rechnung, zuweilen in Gemciuschcift mit dem gentlemännischen Smith. Die Aufregung des Glückswechsels — eines Glückswechsels, der ganz und gar in dem Belieben des Kartengcbers stand, welcher sich als vollkommener Taschenspieler erwies — trug ihn weiter und immer weiter. Und dieser Glückswechsel hatte auf die Dauer zur Folge, daß drei Einsätze vou fünfen in die Taschen der Gauner wanderten, welche fanden, daß das Spielchen ein recht interessantes Vergnügen für Gentlemen sei. Siebenuudzwauzigstes Aapitel. Das Ergebnis eines mit Gentlemen verbrachten Abends. Was that min August die ganze Zeit über, während welcher die lächelnde« ^nllnukeu dnrch ihre aufs höchste ausgebildete Täuscherkunst ihr schwachköpfiges ^Pfer in ihr Garn zogen? Wo war seine rasche, charaktervolle Entschlossenheit, Mre schnelle Fassungskraft, seine schöne deutsche Ausdauer hin, die den Bruder Julia ^ndersvns aus deu Klauen von Harpyien hätten retten können? Konnte unser blauäugiger junger Landsmann, der es verstand, edle Bestrebungen sich zu bewahren, nährend er in den Furchen eines Pflügers hinschritt — konnte er dastehen und ^'me Rachsucht sättigen, indem er Zeuge vou dem Ruin eines jungen Menschen ^ar, der gleich vielen andern nnr deshalb schlecht war, weil er schwach war? In der That, August war ein Mann mit dauerhaften Gefühlen. Sein ^'oll über das Unrecht, das ihm angethan worden, war zäh, war beharrlich ^le seine Liebe. Aber seine Liebe zur Gerechtigkeit war höher und dauerhafter, "ud er wäre uicht imstande gewesen, zuzusehen, wie irgend jemand in dieser er¬ barmungslosen Weise ausgezogen wird, ohne kräftig an die Seite des Opfers zu treten. Noch viel weniger aber vermochte er's über sich zu gewinnen, zu sehen, wie der Bruder Juliens durch die trügerischen Lichter schurkischer Strandränber "uf Klippen gelockt wurde, ohne deu lebhaften Wunsch zu empfinden, ihn zu retten. Denn der Brief Andrews hatte jetzt aufgehört, ihm in der Tasche zu brennen. vMier andre Brief, der einzige, den Julia imstande gewesen war, ihm dnrch ^nthh Ann und Jonas zukommen zu lassen — jener andre Brief ganz voll von je„im zärtlichen Überschwänglichkeiten, von denen die Liebe sich nährt, der Gedanke an diesen andern Brief, der ihm sagte, wie schön und köstlich die Ein¬ ladungen an die Mühseligen und Geladenen seien, hatte seinen Groll gestillt, ""d statt dessen stellte sich der lebhafte Wunsch ein, Norman um Juliens und

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_359176/55>, abgerufen am 22.07.2024.