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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Zweites Quartal.

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immer die nationalen Parteien sonst trennen möge, in dieser Frage möchten
wir jedem Zwiespalt mit den Worten Kleist's entgegentreten:


Hinweg! -- Verwirre das Gefühl nur nicht I --
Barus und die Cohorten, sag' ich dir,
Das ist der Feind, dem dieser Busen schwillt!



Zur'Charakteristik der Liberalen und des Centrums.

Für diesmal wollen wir nur in der Kürze ein paar Themata erörtern, die
genauerer und ausführlicherer Untersuchung und Darstellung werth sind, und
die wir darum später getrennt von einander eingehender zu betrachten gedenken.
Vielleicht nehmen inzwischen auch Andere diese Gedanken auf, und wir würden
uns dann freuen, dazu angeregt zu haben.

Unser erstes Thema soll die laute und innige Freude sein, welche einige
liberale Blätter darüber kund gaben, daß der Reichskanzler erklärt haben soll,
er werde sich in Zukunft den parlamentarischen Geschäften gegenüber der Zurück¬
haltung befleißigen, die inneren Fragen Anderen zu lösen überlassen und sich
auf die Arbeiten beschränken, welche die auswärtigen Angelegenheiten des Reiches
mit sich brächten. Bei anderen Preßorganen der liberalen Parteien artete diese
vergnügte Stimmung sogar in Helles Frohlocken aus, nachdem man wiederholt
schon geäußert hatte, daß der Fürst wohl in auswärtigen Dingen Bescheid wisse
und dankenswerthe Leistungen zu verzeichnen habe, daß dies aber in Betreff
der innere" Angelegenheiten von ihm keineswegs behauptet werde" könne. Hier
seien seine Erfolge nnr Mißerfolge gewesen. Ganze Sessionen seien, so behaup¬
tete man "vom Standpunkte derjenigen aus, welche die Ausbildung und Befe¬
stigung des Reiches im Wege constitutioneller Staatseinrichtungen erstreben",
mit Unfruchtbarkeit geschlagen gewesen, und so könne man den Entschluß des
Kanzlers zur Selbstbeschränkung nur mit Genugthuung begrüßen.

Wir meinen, daß sich gegen dieses abfällige Urtheil denn doch mit Fug
Einiges geltend machen läßt, und daß wohl nur der Verdruß über die schon
seit geraumer Zeit bemerkbare Zurückhaltung des Fürsten von den Parlamenten
-- eine Zurückhaltung, die uns, zweifelsohne mit vielen Anderen, sehr begreif¬
lich erscheint -- das Gedächtniß für das geschwächt hat, was die Nation, frei¬
lich nicht die oder jene Fraction, ihm auch in Betreff ihrer inneren Entwicklung
zu danken hat.

Wir bedauern, da die Sache rasch besprochen sein will, hier nicht auf die


immer die nationalen Parteien sonst trennen möge, in dieser Frage möchten
wir jedem Zwiespalt mit den Worten Kleist's entgegentreten:


Hinweg! — Verwirre das Gefühl nur nicht I —
Barus und die Cohorten, sag' ich dir,
Das ist der Feind, dem dieser Busen schwillt!



Zur'Charakteristik der Liberalen und des Centrums.

Für diesmal wollen wir nur in der Kürze ein paar Themata erörtern, die
genauerer und ausführlicherer Untersuchung und Darstellung werth sind, und
die wir darum später getrennt von einander eingehender zu betrachten gedenken.
Vielleicht nehmen inzwischen auch Andere diese Gedanken auf, und wir würden
uns dann freuen, dazu angeregt zu haben.

Unser erstes Thema soll die laute und innige Freude sein, welche einige
liberale Blätter darüber kund gaben, daß der Reichskanzler erklärt haben soll,
er werde sich in Zukunft den parlamentarischen Geschäften gegenüber der Zurück¬
haltung befleißigen, die inneren Fragen Anderen zu lösen überlassen und sich
auf die Arbeiten beschränken, welche die auswärtigen Angelegenheiten des Reiches
mit sich brächten. Bei anderen Preßorganen der liberalen Parteien artete diese
vergnügte Stimmung sogar in Helles Frohlocken aus, nachdem man wiederholt
schon geäußert hatte, daß der Fürst wohl in auswärtigen Dingen Bescheid wisse
und dankenswerthe Leistungen zu verzeichnen habe, daß dies aber in Betreff
der innere» Angelegenheiten von ihm keineswegs behauptet werde» könne. Hier
seien seine Erfolge nnr Mißerfolge gewesen. Ganze Sessionen seien, so behaup¬
tete man „vom Standpunkte derjenigen aus, welche die Ausbildung und Befe¬
stigung des Reiches im Wege constitutioneller Staatseinrichtungen erstreben",
mit Unfruchtbarkeit geschlagen gewesen, und so könne man den Entschluß des
Kanzlers zur Selbstbeschränkung nur mit Genugthuung begrüßen.

Wir meinen, daß sich gegen dieses abfällige Urtheil denn doch mit Fug
Einiges geltend machen läßt, und daß wohl nur der Verdruß über die schon
seit geraumer Zeit bemerkbare Zurückhaltung des Fürsten von den Parlamenten
— eine Zurückhaltung, die uns, zweifelsohne mit vielen Anderen, sehr begreif¬
lich erscheint — das Gedächtniß für das geschwächt hat, was die Nation, frei¬
lich nicht die oder jene Fraction, ihm auch in Betreff ihrer inneren Entwicklung
zu danken hat.

Wir bedauern, da die Sache rasch besprochen sein will, hier nicht auf die


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[0527] immer die nationalen Parteien sonst trennen möge, in dieser Frage möchten wir jedem Zwiespalt mit den Worten Kleist's entgegentreten: Hinweg! — Verwirre das Gefühl nur nicht I — Barus und die Cohorten, sag' ich dir, Das ist der Feind, dem dieser Busen schwillt! Zur'Charakteristik der Liberalen und des Centrums. Für diesmal wollen wir nur in der Kürze ein paar Themata erörtern, die genauerer und ausführlicherer Untersuchung und Darstellung werth sind, und die wir darum später getrennt von einander eingehender zu betrachten gedenken. Vielleicht nehmen inzwischen auch Andere diese Gedanken auf, und wir würden uns dann freuen, dazu angeregt zu haben. Unser erstes Thema soll die laute und innige Freude sein, welche einige liberale Blätter darüber kund gaben, daß der Reichskanzler erklärt haben soll, er werde sich in Zukunft den parlamentarischen Geschäften gegenüber der Zurück¬ haltung befleißigen, die inneren Fragen Anderen zu lösen überlassen und sich auf die Arbeiten beschränken, welche die auswärtigen Angelegenheiten des Reiches mit sich brächten. Bei anderen Preßorganen der liberalen Parteien artete diese vergnügte Stimmung sogar in Helles Frohlocken aus, nachdem man wiederholt schon geäußert hatte, daß der Fürst wohl in auswärtigen Dingen Bescheid wisse und dankenswerthe Leistungen zu verzeichnen habe, daß dies aber in Betreff der innere» Angelegenheiten von ihm keineswegs behauptet werde» könne. Hier seien seine Erfolge nnr Mißerfolge gewesen. Ganze Sessionen seien, so behaup¬ tete man „vom Standpunkte derjenigen aus, welche die Ausbildung und Befe¬ stigung des Reiches im Wege constitutioneller Staatseinrichtungen erstreben", mit Unfruchtbarkeit geschlagen gewesen, und so könne man den Entschluß des Kanzlers zur Selbstbeschränkung nur mit Genugthuung begrüßen. Wir meinen, daß sich gegen dieses abfällige Urtheil denn doch mit Fug Einiges geltend machen läßt, und daß wohl nur der Verdruß über die schon seit geraumer Zeit bemerkbare Zurückhaltung des Fürsten von den Parlamenten — eine Zurückhaltung, die uns, zweifelsohne mit vielen Anderen, sehr begreif¬ lich erscheint — das Gedächtniß für das geschwächt hat, was die Nation, frei¬ lich nicht die oder jene Fraction, ihm auch in Betreff ihrer inneren Entwicklung zu danken hat. Wir bedauern, da die Sache rasch besprochen sein will, hier nicht auf die

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157679/527>, abgerufen am 03.07.2024.