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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Viertes Quartal.

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Zur Lntivickelung der Dinge in Frankreich.

Was wir wiederholt an dieser Stelle ausgeführt haben, das hat in den
letzten Monaten seinen Fortgang genommen: Die französische Republik geht
langsam, aber sicher ihrem Untergange durch eine Umwälzung entgegen, die von
Seiten der radikalen Parteien droht. Mancherlei Dinge können im Laufe der
nächste" Zeit sich dieser Entwickelung entgegenstellen und ihren Gang verzögern,
das angegebene Ende aber scheint unausbleiblich, und mit Recht reiben die
voraussichtlichen Erben der Rothen, die monarchischen Parteien und die Jesuiten,
sich schon jetzt vergnügt die Hände über die Schwäche und die Verblendung,
welche die konservativen Republikaner den Bestrebungen der Ultras gegenüber
an den Tag legten. Vielleicht im nächsten Jahre schon, mit Bestimmtheit aber
binnen nicht viel längerer Frist, wird man den Pöbel mit der rothen Fahne
in Paris wieder obenauf sehen, und nicht lange nachher werden wir das
Schauspiel erleben, daß ein energischer und glücklicher Soldat auftritt, die
Kommunisten und ihre Verbündeten von der permanenten Revolution zu Paaren
treibt und ig. vslls Kranes die phrugische Mütze vom Haupte nimmt, um ihr
wieder eine Krone aufzusetzen.

Seit der Heimkehr der amnestirten Kommnnards hat sich der Himmel
über Paris fast mit jeder Woche mehr bewölkt, und man beginnt auf Seiten
der Gemäßigten einzusehen, daß man mit der Amnestirung des größten Theils
jener Verbannten einen Mißgriff begangen, während die Maßlosen davon noch
nicht befriedigt sind und Begnadigung Aller fordern. Anfangs sah es aus,
als ob diejenigen Recht behalten sollten, welche die Maßregel als ungefährlich
bezeichnet hatten. Die Regierung schien unbesorgt zu sein, und die Zeitungen
fanden Gelegenheit, das bescheidene und geräuschlose Wesen zu loben, mit
welchem die "Unglücklichen", durch Schaden klug geworden, den heimatlichen
Boden wieder betraten. Aber es sollte bald anders kommen. Schon seit ge¬
raumer Zeit hatte man wiederholt Anlaß zu bemerken, daß die Zurückgekehrten
nicht allein Gegenstand menschlicher Theilnahme waren, sondern auch auf die


Grenzboten IV. 1379. 34
Zur Lntivickelung der Dinge in Frankreich.

Was wir wiederholt an dieser Stelle ausgeführt haben, das hat in den
letzten Monaten seinen Fortgang genommen: Die französische Republik geht
langsam, aber sicher ihrem Untergange durch eine Umwälzung entgegen, die von
Seiten der radikalen Parteien droht. Mancherlei Dinge können im Laufe der
nächste» Zeit sich dieser Entwickelung entgegenstellen und ihren Gang verzögern,
das angegebene Ende aber scheint unausbleiblich, und mit Recht reiben die
voraussichtlichen Erben der Rothen, die monarchischen Parteien und die Jesuiten,
sich schon jetzt vergnügt die Hände über die Schwäche und die Verblendung,
welche die konservativen Republikaner den Bestrebungen der Ultras gegenüber
an den Tag legten. Vielleicht im nächsten Jahre schon, mit Bestimmtheit aber
binnen nicht viel längerer Frist, wird man den Pöbel mit der rothen Fahne
in Paris wieder obenauf sehen, und nicht lange nachher werden wir das
Schauspiel erleben, daß ein energischer und glücklicher Soldat auftritt, die
Kommunisten und ihre Verbündeten von der permanenten Revolution zu Paaren
treibt und ig. vslls Kranes die phrugische Mütze vom Haupte nimmt, um ihr
wieder eine Krone aufzusetzen.

Seit der Heimkehr der amnestirten Kommnnards hat sich der Himmel
über Paris fast mit jeder Woche mehr bewölkt, und man beginnt auf Seiten
der Gemäßigten einzusehen, daß man mit der Amnestirung des größten Theils
jener Verbannten einen Mißgriff begangen, während die Maßlosen davon noch
nicht befriedigt sind und Begnadigung Aller fordern. Anfangs sah es aus,
als ob diejenigen Recht behalten sollten, welche die Maßregel als ungefährlich
bezeichnet hatten. Die Regierung schien unbesorgt zu sein, und die Zeitungen
fanden Gelegenheit, das bescheidene und geräuschlose Wesen zu loben, mit
welchem die „Unglücklichen", durch Schaden klug geworden, den heimatlichen
Boden wieder betraten. Aber es sollte bald anders kommen. Schon seit ge¬
raumer Zeit hatte man wiederholt Anlaß zu bemerken, daß die Zurückgekehrten
nicht allein Gegenstand menschlicher Theilnahme waren, sondern auch auf die


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[0261] Zur Lntivickelung der Dinge in Frankreich. Was wir wiederholt an dieser Stelle ausgeführt haben, das hat in den letzten Monaten seinen Fortgang genommen: Die französische Republik geht langsam, aber sicher ihrem Untergange durch eine Umwälzung entgegen, die von Seiten der radikalen Parteien droht. Mancherlei Dinge können im Laufe der nächste» Zeit sich dieser Entwickelung entgegenstellen und ihren Gang verzögern, das angegebene Ende aber scheint unausbleiblich, und mit Recht reiben die voraussichtlichen Erben der Rothen, die monarchischen Parteien und die Jesuiten, sich schon jetzt vergnügt die Hände über die Schwäche und die Verblendung, welche die konservativen Republikaner den Bestrebungen der Ultras gegenüber an den Tag legten. Vielleicht im nächsten Jahre schon, mit Bestimmtheit aber binnen nicht viel längerer Frist, wird man den Pöbel mit der rothen Fahne in Paris wieder obenauf sehen, und nicht lange nachher werden wir das Schauspiel erleben, daß ein energischer und glücklicher Soldat auftritt, die Kommunisten und ihre Verbündeten von der permanenten Revolution zu Paaren treibt und ig. vslls Kranes die phrugische Mütze vom Haupte nimmt, um ihr wieder eine Krone aufzusetzen. Seit der Heimkehr der amnestirten Kommnnards hat sich der Himmel über Paris fast mit jeder Woche mehr bewölkt, und man beginnt auf Seiten der Gemäßigten einzusehen, daß man mit der Amnestirung des größten Theils jener Verbannten einen Mißgriff begangen, während die Maßlosen davon noch nicht befriedigt sind und Begnadigung Aller fordern. Anfangs sah es aus, als ob diejenigen Recht behalten sollten, welche die Maßregel als ungefährlich bezeichnet hatten. Die Regierung schien unbesorgt zu sein, und die Zeitungen fanden Gelegenheit, das bescheidene und geräuschlose Wesen zu loben, mit welchem die „Unglücklichen", durch Schaden klug geworden, den heimatlichen Boden wieder betraten. Aber es sollte bald anders kommen. Schon seit ge¬ raumer Zeit hatte man wiederholt Anlaß zu bemerken, daß die Zurückgekehrten nicht allein Gegenstand menschlicher Theilnahme waren, sondern auch auf die Grenzboten IV. 1379. 34

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157675/261>, abgerufen am 23.07.2024.