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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal.

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welche List für sein patriotisches Wirken in Leipzig durchzukosten hatte. Wir
haben dabei einzig und allein die Thatsachen reden lassen, in der Meinung,
daß diese eine hinreichend beredte Sprache führen, um Leser diejenigen Empfin¬
dungen hervorzurufen, welche wir selbst oft genug unterdrückt haben, um die Ruhe
zu bewahren, die wir für die Darstellung so beschämender Ereignisse, nachdem
sie über vierzig Jahre hinter uns liegen, für geeignet hielten. Eins aber darf
nicht verschwiegen werden: daß List die Leipziger Vorgänge nie verschmerzt
hat, daß sie mit der Zeit einen immer düsterern Schatten in sein sonst so
heiteres Gemüth warfen, und daß sie es hauptsächlich waren, die schließlich jene
tiefe Verstimmung in ihm hervorriefen, in der er zum Pistol griff. Das Publi¬
kum aber wird hoffentlich jetzt wissen, was es sich beim Anblick der beiden
Leipziger Eisenbahndenkmüler, die ja die nächste Veranlassung zu unsrer Dar¬
stellung gewesen, zu denken und wem es für die großartige Entwickelung
des deutschen Verkehrswesens in erster Linie eilte dankbare Erinnerung zu be¬
wahren hat: nicht Harkort, nicht den namenlosen Mitgliedern jenes ersten
Direktoriums, sondern Deutschland's großem Patrioten und Nationalökonomen
Friedrich List.


H. Niedermüller.


Z)le Judenfrage in Kanarien.

^.nckiarur ot alter", xars. Gewöhnlich hört man über die Judenfrage in
Rumänien in den Zeitungen nnr eine Stimme, und zwar eine das angebliche
Recht der rumänischen Juden emphatisch vertretende Stimme; denn die Mehr¬
zahl der großen Blätter Deutschland's und Oesterreich's befindet sich in den
Händen von Stammgenossen dieser Juden, die ,MIitmvö IsrsMtiz" besitzt große
Mittel und gute Verbindungen, und von denen, die sonst öffentliche Meinung
machen helfen, glauben viele sich durch Nichteinfallen in den Ruf nach unbe¬
dingter Emanzipation an der "Humanität" zu versündigen, die jetzt bei jeder
Gelegenheit, ganz vorzüglich aber da, wo es sich um die Judenheit handelt,
von den Dächern gepredigt wird und in Folge dessen Mode geworden ist.
Kehren wir uns einmal nicht an diese Mode. Lassen wir, unbekümmert um
etwaige Schmähungen und Verdächtigungen, einmal auch die entgegengesetzte
Meinung im Interesse der wahren Humanität zu Worte kommen -- eine Mei¬
nung, die sich kurz dahin zusammenfassen läßt, daß es nicht gerathen, daß es
geradezu eine Inhumanität ist, wenn eine unbedingte Emanzipation aller runa-


welche List für sein patriotisches Wirken in Leipzig durchzukosten hatte. Wir
haben dabei einzig und allein die Thatsachen reden lassen, in der Meinung,
daß diese eine hinreichend beredte Sprache führen, um Leser diejenigen Empfin¬
dungen hervorzurufen, welche wir selbst oft genug unterdrückt haben, um die Ruhe
zu bewahren, die wir für die Darstellung so beschämender Ereignisse, nachdem
sie über vierzig Jahre hinter uns liegen, für geeignet hielten. Eins aber darf
nicht verschwiegen werden: daß List die Leipziger Vorgänge nie verschmerzt
hat, daß sie mit der Zeit einen immer düsterern Schatten in sein sonst so
heiteres Gemüth warfen, und daß sie es hauptsächlich waren, die schließlich jene
tiefe Verstimmung in ihm hervorriefen, in der er zum Pistol griff. Das Publi¬
kum aber wird hoffentlich jetzt wissen, was es sich beim Anblick der beiden
Leipziger Eisenbahndenkmüler, die ja die nächste Veranlassung zu unsrer Dar¬
stellung gewesen, zu denken und wem es für die großartige Entwickelung
des deutschen Verkehrswesens in erster Linie eilte dankbare Erinnerung zu be¬
wahren hat: nicht Harkort, nicht den namenlosen Mitgliedern jenes ersten
Direktoriums, sondern Deutschland's großem Patrioten und Nationalökonomen
Friedrich List.


H. Niedermüller.


Z)le Judenfrage in Kanarien.

^.nckiarur ot alter», xars. Gewöhnlich hört man über die Judenfrage in
Rumänien in den Zeitungen nnr eine Stimme, und zwar eine das angebliche
Recht der rumänischen Juden emphatisch vertretende Stimme; denn die Mehr¬
zahl der großen Blätter Deutschland's und Oesterreich's befindet sich in den
Händen von Stammgenossen dieser Juden, die ,MIitmvö IsrsMtiz" besitzt große
Mittel und gute Verbindungen, und von denen, die sonst öffentliche Meinung
machen helfen, glauben viele sich durch Nichteinfallen in den Ruf nach unbe¬
dingter Emanzipation an der „Humanität" zu versündigen, die jetzt bei jeder
Gelegenheit, ganz vorzüglich aber da, wo es sich um die Judenheit handelt,
von den Dächern gepredigt wird und in Folge dessen Mode geworden ist.
Kehren wir uns einmal nicht an diese Mode. Lassen wir, unbekümmert um
etwaige Schmähungen und Verdächtigungen, einmal auch die entgegengesetzte
Meinung im Interesse der wahren Humanität zu Worte kommen — eine Mei¬
nung, die sich kurz dahin zusammenfassen läßt, daß es nicht gerathen, daß es
geradezu eine Inhumanität ist, wenn eine unbedingte Emanzipation aller runa-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157673/124>, abgerufen am 27.11.2024.