Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Zweites Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite

"ein klein Paris" genannt wird -- zur Ergänzung eingefügt, übrigens der
Text durch den Herausgeber mit fleißigen erläuternden Anmerkungen versehen
worden. Die Verlagshandlung aber hat durch die ganze Druckausstattung
und die Zugabe von drei interessanten Illustrationen -- eines ziemlich gleich¬
zeitigen Planes von Leipzig und einer Abbildung der damaligen Leipziger
Promenade, beides in Lichtdruck, und eines Planes der Umgegend von Leipzig,
der in Landkartensatz von dem noch in der Offizin von Breitkopf Härtel
stehenden Originalsatz von 1776 gedruckt ist -- dem Büchlein ein so reizvolles
Gewand verliehen, daß der ehemalige Leipziger Student sich bei den als
Luxsris ör intsris dafür bedanken kann, daß die Publikation seines Schriftchens
sich um die Kleinigkeit von 100 Jahren verzögert hat.


Plattdeutscher Hebel. Eine freie Uebersetzung der Hebel'schen alemannischen Ge¬
dichte von Johann Meyer. Zweite Auflage. Hamburg, I. F. Richter, 1878.

Seitdem in Deutschland jeder sekundärer in die germanistischen Geheim¬
nisse eingeweiht wird und klug darüber schwatzen lernt, daß die deutschen
Dialekte keineswegs Entartungen der Schriftsprache find, sondern die Schrift¬
sprache selbst nichts anderes ist als ein Dialekt, und "alle Dialekte gleich¬
berechtigt" sind, seitdem ist auch die Dialektdichtung furchtbar bei uns in's
Kraut geschossen. Kein Jahr vergeht, ohne daß eine Menge dialektischer
Tand auf den Markt käme, der einem fast die Freude an den paar guten
Sachen, die wir in dieser Art haben, verleiden kann. Hier wird uns nun gar
eine Uebersetzung aus einem Dialekt in den andern geboten. Die Arbeit ist
gewiß keine leichte gewesen, denn es galt ja nicht blos die Worte, sondern
gleichsam auch die Sachen zu übertragen, das ganze Lokalkolorit des Originals
umzustimmen, und der Uebersetzer hat dies mit unleugbaren Geschick zu Stande
gebracht. Trotzdem fragt man sich: Wozu? Wer soll an dieser Leistung
Freude haben? Für wen ist sie berechnet? -- An schönen Aussichtspunkten
sind oft Bretterhäuschen errichtet mit farbigen Fenstern, und großen und
kleinen Kindern gewährt es unaussprechliches Vergnügen, sich die grüne
Sommerlandschaft zur Abwechselung einmal durch solche blaue oder rothe
Scheiben zu betrachten. Uns behagt, ehrlich gestanden, ein rother Wald
oder eine blaue Wiese ebensowenig wie ein plattdeutscher Hebel. Doch wollen
wir unsre Meinung niemand aufdrängen. Wir sagen nur mit Fritz Reuter,
und zwar ohne Dialekt: "Wer es mag, der mag es, und wer es nicht mag,
der mag es ja wohl nicht mögen."




Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunvw in Leipzig.
Verlag von F. L. Herbig in Leipzig. -- Druck von Hüthel 6c Herrmann in Leipzig-

„ein klein Paris" genannt wird — zur Ergänzung eingefügt, übrigens der
Text durch den Herausgeber mit fleißigen erläuternden Anmerkungen versehen
worden. Die Verlagshandlung aber hat durch die ganze Druckausstattung
und die Zugabe von drei interessanten Illustrationen — eines ziemlich gleich¬
zeitigen Planes von Leipzig und einer Abbildung der damaligen Leipziger
Promenade, beides in Lichtdruck, und eines Planes der Umgegend von Leipzig,
der in Landkartensatz von dem noch in der Offizin von Breitkopf Härtel
stehenden Originalsatz von 1776 gedruckt ist — dem Büchlein ein so reizvolles
Gewand verliehen, daß der ehemalige Leipziger Student sich bei den als
Luxsris ör intsris dafür bedanken kann, daß die Publikation seines Schriftchens
sich um die Kleinigkeit von 100 Jahren verzögert hat.


Plattdeutscher Hebel. Eine freie Uebersetzung der Hebel'schen alemannischen Ge¬
dichte von Johann Meyer. Zweite Auflage. Hamburg, I. F. Richter, 1878.

Seitdem in Deutschland jeder sekundärer in die germanistischen Geheim¬
nisse eingeweiht wird und klug darüber schwatzen lernt, daß die deutschen
Dialekte keineswegs Entartungen der Schriftsprache find, sondern die Schrift¬
sprache selbst nichts anderes ist als ein Dialekt, und „alle Dialekte gleich¬
berechtigt" sind, seitdem ist auch die Dialektdichtung furchtbar bei uns in's
Kraut geschossen. Kein Jahr vergeht, ohne daß eine Menge dialektischer
Tand auf den Markt käme, der einem fast die Freude an den paar guten
Sachen, die wir in dieser Art haben, verleiden kann. Hier wird uns nun gar
eine Uebersetzung aus einem Dialekt in den andern geboten. Die Arbeit ist
gewiß keine leichte gewesen, denn es galt ja nicht blos die Worte, sondern
gleichsam auch die Sachen zu übertragen, das ganze Lokalkolorit des Originals
umzustimmen, und der Uebersetzer hat dies mit unleugbaren Geschick zu Stande
gebracht. Trotzdem fragt man sich: Wozu? Wer soll an dieser Leistung
Freude haben? Für wen ist sie berechnet? — An schönen Aussichtspunkten
sind oft Bretterhäuschen errichtet mit farbigen Fenstern, und großen und
kleinen Kindern gewährt es unaussprechliches Vergnügen, sich die grüne
Sommerlandschaft zur Abwechselung einmal durch solche blaue oder rothe
Scheiben zu betrachten. Uns behagt, ehrlich gestanden, ein rother Wald
oder eine blaue Wiese ebensowenig wie ein plattdeutscher Hebel. Doch wollen
wir unsre Meinung niemand aufdrängen. Wir sagen nur mit Fritz Reuter,
und zwar ohne Dialekt: „Wer es mag, der mag es, und wer es nicht mag,
der mag es ja wohl nicht mögen."




Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunvw in Leipzig.
Verlag von F. L. Herbig in Leipzig. — Druck von Hüthel 6c Herrmann in Leipzig-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0488" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/142443"/>
            <p xml:id="ID_1480" prev="#ID_1479"> &#x201E;ein klein Paris" genannt wird &#x2014; zur Ergänzung eingefügt, übrigens der<lb/>
Text durch den Herausgeber mit fleißigen erläuternden Anmerkungen versehen<lb/>
worden. Die Verlagshandlung aber hat durch die ganze Druckausstattung<lb/>
und die Zugabe von drei interessanten Illustrationen &#x2014; eines ziemlich gleich¬<lb/>
zeitigen Planes von Leipzig und einer Abbildung der damaligen Leipziger<lb/>
Promenade, beides in Lichtdruck, und eines Planes der Umgegend von Leipzig,<lb/>
der in Landkartensatz von dem noch in der Offizin von Breitkopf Härtel<lb/>
stehenden Originalsatz von 1776 gedruckt ist &#x2014; dem Büchlein ein so reizvolles<lb/>
Gewand verliehen, daß der ehemalige Leipziger Student sich bei den als<lb/>
Luxsris ör intsris dafür bedanken kann, daß die Publikation seines Schriftchens<lb/>
sich um die Kleinigkeit von 100 Jahren verzögert hat.</p><lb/>
          </div>
          <div n="2">
            <head> Plattdeutscher Hebel. Eine freie Uebersetzung der Hebel'schen alemannischen Ge¬<lb/>
dichte von Johann Meyer.  Zweite Auflage.  Hamburg, I. F. Richter, 1878.</head><lb/>
            <p xml:id="ID_1481"> Seitdem in Deutschland jeder sekundärer in die germanistischen Geheim¬<lb/>
nisse eingeweiht wird und klug darüber schwatzen lernt, daß die deutschen<lb/>
Dialekte keineswegs Entartungen der Schriftsprache find, sondern die Schrift¬<lb/>
sprache selbst nichts anderes ist als ein Dialekt, und &#x201E;alle Dialekte gleich¬<lb/>
berechtigt" sind, seitdem ist auch die Dialektdichtung furchtbar bei uns in's<lb/>
Kraut geschossen. Kein Jahr vergeht, ohne daß eine Menge dialektischer<lb/>
Tand auf den Markt käme, der einem fast die Freude an den paar guten<lb/>
Sachen, die wir in dieser Art haben, verleiden kann. Hier wird uns nun gar<lb/>
eine Uebersetzung aus einem Dialekt in den andern geboten. Die Arbeit ist<lb/>
gewiß keine leichte gewesen, denn es galt ja nicht blos die Worte, sondern<lb/>
gleichsam auch die Sachen zu übertragen, das ganze Lokalkolorit des Originals<lb/>
umzustimmen, und der Uebersetzer hat dies mit unleugbaren Geschick zu Stande<lb/>
gebracht. Trotzdem fragt man sich: Wozu? Wer soll an dieser Leistung<lb/>
Freude haben? Für wen ist sie berechnet? &#x2014; An schönen Aussichtspunkten<lb/>
sind oft Bretterhäuschen errichtet mit farbigen Fenstern, und großen und<lb/>
kleinen Kindern gewährt es unaussprechliches Vergnügen, sich die grüne<lb/>
Sommerlandschaft zur Abwechselung einmal durch solche blaue oder rothe<lb/>
Scheiben zu betrachten. Uns behagt, ehrlich gestanden, ein rother Wald<lb/>
oder eine blaue Wiese ebensowenig wie ein plattdeutscher Hebel. Doch wollen<lb/>
wir unsre Meinung niemand aufdrängen. Wir sagen nur mit Fritz Reuter,<lb/>
und zwar ohne Dialekt: &#x201E;Wer es mag, der mag es, und wer es nicht mag,<lb/>
der mag es ja wohl nicht mögen."</p><lb/>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
            <note type="byline"> Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunvw in Leipzig.<lb/>
Verlag von F. L. Herbig in Leipzig. &#x2014; Druck von Hüthel 6c Herrmann in Leipzig-</note><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0488] „ein klein Paris" genannt wird — zur Ergänzung eingefügt, übrigens der Text durch den Herausgeber mit fleißigen erläuternden Anmerkungen versehen worden. Die Verlagshandlung aber hat durch die ganze Druckausstattung und die Zugabe von drei interessanten Illustrationen — eines ziemlich gleich¬ zeitigen Planes von Leipzig und einer Abbildung der damaligen Leipziger Promenade, beides in Lichtdruck, und eines Planes der Umgegend von Leipzig, der in Landkartensatz von dem noch in der Offizin von Breitkopf Härtel stehenden Originalsatz von 1776 gedruckt ist — dem Büchlein ein so reizvolles Gewand verliehen, daß der ehemalige Leipziger Student sich bei den als Luxsris ör intsris dafür bedanken kann, daß die Publikation seines Schriftchens sich um die Kleinigkeit von 100 Jahren verzögert hat. Plattdeutscher Hebel. Eine freie Uebersetzung der Hebel'schen alemannischen Ge¬ dichte von Johann Meyer. Zweite Auflage. Hamburg, I. F. Richter, 1878. Seitdem in Deutschland jeder sekundärer in die germanistischen Geheim¬ nisse eingeweiht wird und klug darüber schwatzen lernt, daß die deutschen Dialekte keineswegs Entartungen der Schriftsprache find, sondern die Schrift¬ sprache selbst nichts anderes ist als ein Dialekt, und „alle Dialekte gleich¬ berechtigt" sind, seitdem ist auch die Dialektdichtung furchtbar bei uns in's Kraut geschossen. Kein Jahr vergeht, ohne daß eine Menge dialektischer Tand auf den Markt käme, der einem fast die Freude an den paar guten Sachen, die wir in dieser Art haben, verleiden kann. Hier wird uns nun gar eine Uebersetzung aus einem Dialekt in den andern geboten. Die Arbeit ist gewiß keine leichte gewesen, denn es galt ja nicht blos die Worte, sondern gleichsam auch die Sachen zu übertragen, das ganze Lokalkolorit des Originals umzustimmen, und der Uebersetzer hat dies mit unleugbaren Geschick zu Stande gebracht. Trotzdem fragt man sich: Wozu? Wer soll an dieser Leistung Freude haben? Für wen ist sie berechnet? — An schönen Aussichtspunkten sind oft Bretterhäuschen errichtet mit farbigen Fenstern, und großen und kleinen Kindern gewährt es unaussprechliches Vergnügen, sich die grüne Sommerlandschaft zur Abwechselung einmal durch solche blaue oder rothe Scheiben zu betrachten. Uns behagt, ehrlich gestanden, ein rother Wald oder eine blaue Wiese ebensowenig wie ein plattdeutscher Hebel. Doch wollen wir unsre Meinung niemand aufdrängen. Wir sagen nur mit Fritz Reuter, und zwar ohne Dialekt: „Wer es mag, der mag es, und wer es nicht mag, der mag es ja wohl nicht mögen." Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunvw in Leipzig. Verlag von F. L. Herbig in Leipzig. — Druck von Hüthel 6c Herrmann in Leipzig-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157663
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157663/488
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157663/488>, abgerufen am 27.12.2024.