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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band.

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Aas evangelische Pfarrhaus.

Bis vor einem Jahrzehnt hat das evangelische Pfarrhaus mit nur kurzen
Unterbrechungen auf die dem wissenschaftlichen Studium sich zuwendenden
Jünglinge einen nicht geringen Reiz ausgeübt, und die Schaar der Theologen
stand den Besuchern der andern Fakultäten in gleicher, hier und da in über¬
wiegender Zahl zur Seite. Dies Verhältniß hat sich in neuester Zeit geändert;
ist auch vielleicht die Abnahme der Theologie Studirenden gegenwärtig zu
einem gewissen Stillstand gekommen, so ist doch von einen: Wachsthum der
theologischen Fakultäten kaum etwas zu spüren. Der niedrige Bestand, den
die Abnahme herbeigeführt hat, dauert, bald zum weiteren Sinken bald zum
leisen Steigen oscillirend, noch fort. '

Die Ursachen dieser beklagenswerthen Erscheinung liegen zu Tage. Während
das Sinken des Geldwerthes in andern Berufssphären durch beträchtliche
Aufbesserungen des Gehalts ausgeglichen wurde, blieb das Pfarramt davon
ausgeschlossen, ja erlitt sogar durch ungünstige Ablösungen namhafte Einbuße.
Die Subventivuen, die der Staat gewährte, waren zu gering, um hier wesentlich
zu fördern. Auch die Ausfälle, welche durch die Einführung des Ciollstandsgesetzes
veranlaßt sind, schädigen, wenigstens in den größeren Städten, die Einkünfte
der Geistlichen. Und der Ersatz, den der Staat leistet, ist unzureichend, da er
nicht den Stellen, sondern nur den bei Erlaß des Gesetzes sie verwaltenden
Inhaber" gilt, so daß diese Geistlichen bei einer Versetzung für Ausfälle in
der neuen Stelle keinen Anspruch auf Entschädigung erheben können.*) Nimmt
man noch hinzu, daß frühere Mißstände, wie die Erhaltung der pensionirten
Geistlichen dnrch ihre Nachfolger, fortdauern, so ist es begreiflich, daß --
abgesehen von einer geringen begünstigten Anzahl von Pfarrstellen -- die



Wir haben allerdings nur die preußischen Zustände im Auge. Ob und in wieweit
in andern deutschen Landeskirchen die Verhältnisse günstiger liegen, ist uns uicht bekannt.
Grenzboten III. 1878. 1
Aas evangelische Pfarrhaus.

Bis vor einem Jahrzehnt hat das evangelische Pfarrhaus mit nur kurzen
Unterbrechungen auf die dem wissenschaftlichen Studium sich zuwendenden
Jünglinge einen nicht geringen Reiz ausgeübt, und die Schaar der Theologen
stand den Besuchern der andern Fakultäten in gleicher, hier und da in über¬
wiegender Zahl zur Seite. Dies Verhältniß hat sich in neuester Zeit geändert;
ist auch vielleicht die Abnahme der Theologie Studirenden gegenwärtig zu
einem gewissen Stillstand gekommen, so ist doch von einen: Wachsthum der
theologischen Fakultäten kaum etwas zu spüren. Der niedrige Bestand, den
die Abnahme herbeigeführt hat, dauert, bald zum weiteren Sinken bald zum
leisen Steigen oscillirend, noch fort. '

Die Ursachen dieser beklagenswerthen Erscheinung liegen zu Tage. Während
das Sinken des Geldwerthes in andern Berufssphären durch beträchtliche
Aufbesserungen des Gehalts ausgeglichen wurde, blieb das Pfarramt davon
ausgeschlossen, ja erlitt sogar durch ungünstige Ablösungen namhafte Einbuße.
Die Subventivuen, die der Staat gewährte, waren zu gering, um hier wesentlich
zu fördern. Auch die Ausfälle, welche durch die Einführung des Ciollstandsgesetzes
veranlaßt sind, schädigen, wenigstens in den größeren Städten, die Einkünfte
der Geistlichen. Und der Ersatz, den der Staat leistet, ist unzureichend, da er
nicht den Stellen, sondern nur den bei Erlaß des Gesetzes sie verwaltenden
Inhaber» gilt, so daß diese Geistlichen bei einer Versetzung für Ausfälle in
der neuen Stelle keinen Anspruch auf Entschädigung erheben können.*) Nimmt
man noch hinzu, daß frühere Mißstände, wie die Erhaltung der pensionirten
Geistlichen dnrch ihre Nachfolger, fortdauern, so ist es begreiflich, daß —
abgesehen von einer geringen begünstigten Anzahl von Pfarrstellen — die



Wir haben allerdings nur die preußischen Zustände im Auge. Ob und in wieweit
in andern deutschen Landeskirchen die Verhältnisse günstiger liegen, ist uns uicht bekannt.
Grenzboten III. 1878. 1
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[0009] Aas evangelische Pfarrhaus. Bis vor einem Jahrzehnt hat das evangelische Pfarrhaus mit nur kurzen Unterbrechungen auf die dem wissenschaftlichen Studium sich zuwendenden Jünglinge einen nicht geringen Reiz ausgeübt, und die Schaar der Theologen stand den Besuchern der andern Fakultäten in gleicher, hier und da in über¬ wiegender Zahl zur Seite. Dies Verhältniß hat sich in neuester Zeit geändert; ist auch vielleicht die Abnahme der Theologie Studirenden gegenwärtig zu einem gewissen Stillstand gekommen, so ist doch von einen: Wachsthum der theologischen Fakultäten kaum etwas zu spüren. Der niedrige Bestand, den die Abnahme herbeigeführt hat, dauert, bald zum weiteren Sinken bald zum leisen Steigen oscillirend, noch fort. ' Die Ursachen dieser beklagenswerthen Erscheinung liegen zu Tage. Während das Sinken des Geldwerthes in andern Berufssphären durch beträchtliche Aufbesserungen des Gehalts ausgeglichen wurde, blieb das Pfarramt davon ausgeschlossen, ja erlitt sogar durch ungünstige Ablösungen namhafte Einbuße. Die Subventivuen, die der Staat gewährte, waren zu gering, um hier wesentlich zu fördern. Auch die Ausfälle, welche durch die Einführung des Ciollstandsgesetzes veranlaßt sind, schädigen, wenigstens in den größeren Städten, die Einkünfte der Geistlichen. Und der Ersatz, den der Staat leistet, ist unzureichend, da er nicht den Stellen, sondern nur den bei Erlaß des Gesetzes sie verwaltenden Inhaber» gilt, so daß diese Geistlichen bei einer Versetzung für Ausfälle in der neuen Stelle keinen Anspruch auf Entschädigung erheben können.*) Nimmt man noch hinzu, daß frühere Mißstände, wie die Erhaltung der pensionirten Geistlichen dnrch ihre Nachfolger, fortdauern, so ist es begreiflich, daß — abgesehen von einer geringen begünstigten Anzahl von Pfarrstellen — die Wir haben allerdings nur die preußischen Zustände im Auge. Ob und in wieweit in andern deutschen Landeskirchen die Verhältnisse günstiger liegen, ist uns uicht bekannt. Grenzboten III. 1878. 1

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157661/9>, abgerufen am 22.07.2024.