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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band.

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sie umgekehrt, da die Araber sie ans dem Ptolemäos geschöpft haben, von
diesen im neunten Jahrhundert nach China gebracht worden?

Wir sind aber damit noch nicht an das Ende der Geschichten vom Magnet¬
berge gelaugt. Im sechzehnten Jahrhundert erscheint er plötzlich an einer ganz
anderen Stelle. Auf der Weltkarte des Johannes Ruysch, welche der 1508
erschienenen Ausgabe der zwölf ptolemäischen Tafeln als erstes Blatt beige¬
geben ist, beginnt der arktische Ocean uuter 70 Grad nördlicher Breite. Unter
dem 80. Grad aber erscheint eine Kette von 18 gleichgestalteten Inseln, inner¬
halb des von diesen gebildeten Kreises liegen unter dein 85. Grade wieder vier
größere, von denen die eine die Aufschrift Hyperborei, die audere die Bezeich¬
nung Arumphei hat, während die beiden andern als "insuli^ äesertae" be¬
zeichnet sind; nördlich von diesen, unmittelbar am Pole, befindet sich eine letzte
Tafel, bei der bemerkt ist, daß "unter dem arktischen Pole ein Felsen ans
Magnetstein liegt, der 33 deutsche Meilen im Umfang hat und vom Bernstein¬
meer bespült ist." Zwischen jenem ersten Gürtel von Eilanden und Grönland
welches auf der Karte die Nordostspitze von Asien bildet, liest man: "Hier
fängt das Bernsteinmeer an. Der Schiffskompaß bleibt hier nicht mehr fest,
und Fahrzeuge, die Eisen an sich haben, können nicht mehr zurück." Daß
dieser neuen Gestalt der Fabel andere Motive zu Grunde liegen, und daß
man sich die seltsamen Eigenschaften der Magnetnadel dnrch das Vorhanden¬
sein eines idealen Magneten am Nordpole erklären wollte, bedarf, wie Peschel
bemerkt, wohl keiner weiteren Beweisführung.




Die Sommersession des bayrischen Landtages.

In den Tagen vom 2. bis 14. Juli hat der bayrische Landtag eine kurze
Session gehalten, die kürzeste seit jener von 1869, wo er wegen des Nicht-
zustandekommens der Präsidentenwahl wieder auseinander gehen mußte. Aber
nicht solche Uneinigkeit war diesmal der Grund seiner kurzen Lebensdauer,
sondern im Gegentheil die bei ihm sonst sehr seltene Einmüthigkeit im Ernst
der Arbeit und in dem Bestreben, bald wieder daheim zu sein. War allerdings
auch das Militärbudget für das Jahr 1877 zunächst die einzige und haupt¬
sächlichste ihm gegebene Aufgabe, so Hütte es nach früheren Gewohnheiten der
Gemächlichkeit und Gemüthlichkeit doch leicht möglich sein können, daß Tage
und Wochen langsam und ohne Spuren energischer Thätigkeit hingegangen
wären. Allein diesmal genügte wirklich eine etwas scharfe Stimuliruug von


Grenzboten III. 1377. ^

sie umgekehrt, da die Araber sie ans dem Ptolemäos geschöpft haben, von
diesen im neunten Jahrhundert nach China gebracht worden?

Wir sind aber damit noch nicht an das Ende der Geschichten vom Magnet¬
berge gelaugt. Im sechzehnten Jahrhundert erscheint er plötzlich an einer ganz
anderen Stelle. Auf der Weltkarte des Johannes Ruysch, welche der 1508
erschienenen Ausgabe der zwölf ptolemäischen Tafeln als erstes Blatt beige¬
geben ist, beginnt der arktische Ocean uuter 70 Grad nördlicher Breite. Unter
dem 80. Grad aber erscheint eine Kette von 18 gleichgestalteten Inseln, inner¬
halb des von diesen gebildeten Kreises liegen unter dein 85. Grade wieder vier
größere, von denen die eine die Aufschrift Hyperborei, die audere die Bezeich¬
nung Arumphei hat, während die beiden andern als „insuli^ äesertae" be¬
zeichnet sind; nördlich von diesen, unmittelbar am Pole, befindet sich eine letzte
Tafel, bei der bemerkt ist, daß „unter dem arktischen Pole ein Felsen ans
Magnetstein liegt, der 33 deutsche Meilen im Umfang hat und vom Bernstein¬
meer bespült ist." Zwischen jenem ersten Gürtel von Eilanden und Grönland
welches auf der Karte die Nordostspitze von Asien bildet, liest man: „Hier
fängt das Bernsteinmeer an. Der Schiffskompaß bleibt hier nicht mehr fest,
und Fahrzeuge, die Eisen an sich haben, können nicht mehr zurück." Daß
dieser neuen Gestalt der Fabel andere Motive zu Grunde liegen, und daß
man sich die seltsamen Eigenschaften der Magnetnadel dnrch das Vorhanden¬
sein eines idealen Magneten am Nordpole erklären wollte, bedarf, wie Peschel
bemerkt, wohl keiner weiteren Beweisführung.




Die Sommersession des bayrischen Landtages.

In den Tagen vom 2. bis 14. Juli hat der bayrische Landtag eine kurze
Session gehalten, die kürzeste seit jener von 1869, wo er wegen des Nicht-
zustandekommens der Präsidentenwahl wieder auseinander gehen mußte. Aber
nicht solche Uneinigkeit war diesmal der Grund seiner kurzen Lebensdauer,
sondern im Gegentheil die bei ihm sonst sehr seltene Einmüthigkeit im Ernst
der Arbeit und in dem Bestreben, bald wieder daheim zu sein. War allerdings
auch das Militärbudget für das Jahr 1877 zunächst die einzige und haupt¬
sächlichste ihm gegebene Aufgabe, so Hütte es nach früheren Gewohnheiten der
Gemächlichkeit und Gemüthlichkeit doch leicht möglich sein können, daß Tage
und Wochen langsam und ohne Spuren energischer Thätigkeit hingegangen
wären. Allein diesmal genügte wirklich eine etwas scharfe Stimuliruug von


Grenzboten III. 1377. ^
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157647/241>, abgerufen am 28.09.2024.