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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band.

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eine einfache, treue und wahrhafte Darstellung weit besser als viele andere, die
umfangreicher und anspruchsvoller siud, in das Verständniß des Lebens und der
Dichtungen Goethe's einzuführen geeignet ist, und das wir darum den Lesern hier¬
mit gern empfehlen. Das dem ersten Bande beigegebene Brustbild des Dichters
ist nach einem Oelbilde gestochen, welches der Düsseldorfer Professor Kolbe
1825 als Studie zu einem Bilde, auf dein Goethe mit dem Vesuv im Hinter¬
grunde dargestellt ist, in Weimar nach dem Leben gemalt hat.


Geschichte Spaniens von dem Sturze Jsabellci's bis zur Thronbe¬
steigung Alfonso's von Wilhelm Läufer. Zwei Theile, F. A. BrockhnuS, 1877.

Spanien hat in dem vom Titel genannten Zeitraum auf seinein Boden
die wunderbarsten Gegensätze mit einander ringen, siegen und unterliegen sehen,
überschäumende Jugend, die sich blindlings sür die Schlagwörter und Redens¬
arten fremdländischer Theorien von Volkswohl begeistert, absterbendes Greisen-
thum, das jeden Fortschritt in politischen und kirchlichen Dingen von sich
abwehrt, Sozialismus und Absolutismus, Atheismus und Theokratie, die
Internationale mit ihrem Zukunftsstaat und Don Karlos, der unter der Eiche
von Gueruiea schwort, den Staat des Mittelalters wiederherzustellen. Fast
keine Frage des heutigen staatlichen Lebens, die nicht eine Zeit lang auf die
Tagesordnung käme. Die alten und die neu aufgetauchten Parteien bekämpfen
sich, verschmelzen sich, zersetzen sich und lösen einander ab. Mit einem Worte,
wir haben ein sehr interessantes Schauspiel vor uns, welches allerdings für
den mit dem früheren Parteileben des Landes Unbekannten ziemlich wirr und
vielfach unverständlich ist. Hier aber wird von einem Schriftsteller, der mit
Spanien und seiner Geschichte von 1812 an wohlbekannt ist, und den
sein Verkehr mit hervorragenden Staatsmännern desselben mancherlei erfah¬
ren ließ, was spätere Forschung in diplomatischen Archiven kaum vollständig
erkennen wird, Ordnung und Verständniß in die Verwirrung gebracht, und wir
begreifen, wie es so und nicht anders kommen konnte. Ein klares deutliches
Bild rollt sich vor uus aus. Die Verkettung der Thatsachen wird sichtbar,
die Einwirkung der Zustände und Ereignisse diesseits der Pyrenäen auf das
jenseitige Gebiet füllt in die Augen, und die bedeutenden Persönlichkeiten, deren
Charaktere und deren Motive erfahren eine scharfe Beleuchtung. Zum Schlüsse
erhalten wir ein gutes Bild von dem eubanischen Bürgerkriege, welches aus
den Zeitungen nicht zu gewinnen war. Der Verfasser hat sorgfältig gearbeitet,
sein Urtheil ist unparteiisch, und auch die Form seiner Darstellung verdient
als anschaulich, wohl geordnet und lebensvoll gelobt zu werdeu. Ein besonders
interessantes Kapitel ist das über die Hohenzollerusche Thronkandidatur.




Verantwortlicher Redakteur: öl. Haus Blum in Leipzig.
Verlag von A>. L. Herbig in Leipzig. - Druck von Hüthcl Hcrrman" in Leipzig.

eine einfache, treue und wahrhafte Darstellung weit besser als viele andere, die
umfangreicher und anspruchsvoller siud, in das Verständniß des Lebens und der
Dichtungen Goethe's einzuführen geeignet ist, und das wir darum den Lesern hier¬
mit gern empfehlen. Das dem ersten Bande beigegebene Brustbild des Dichters
ist nach einem Oelbilde gestochen, welches der Düsseldorfer Professor Kolbe
1825 als Studie zu einem Bilde, auf dein Goethe mit dem Vesuv im Hinter¬
grunde dargestellt ist, in Weimar nach dem Leben gemalt hat.


Geschichte Spaniens von dem Sturze Jsabellci's bis zur Thronbe¬
steigung Alfonso's von Wilhelm Läufer. Zwei Theile, F. A. BrockhnuS, 1877.

Spanien hat in dem vom Titel genannten Zeitraum auf seinein Boden
die wunderbarsten Gegensätze mit einander ringen, siegen und unterliegen sehen,
überschäumende Jugend, die sich blindlings sür die Schlagwörter und Redens¬
arten fremdländischer Theorien von Volkswohl begeistert, absterbendes Greisen-
thum, das jeden Fortschritt in politischen und kirchlichen Dingen von sich
abwehrt, Sozialismus und Absolutismus, Atheismus und Theokratie, die
Internationale mit ihrem Zukunftsstaat und Don Karlos, der unter der Eiche
von Gueruiea schwort, den Staat des Mittelalters wiederherzustellen. Fast
keine Frage des heutigen staatlichen Lebens, die nicht eine Zeit lang auf die
Tagesordnung käme. Die alten und die neu aufgetauchten Parteien bekämpfen
sich, verschmelzen sich, zersetzen sich und lösen einander ab. Mit einem Worte,
wir haben ein sehr interessantes Schauspiel vor uns, welches allerdings für
den mit dem früheren Parteileben des Landes Unbekannten ziemlich wirr und
vielfach unverständlich ist. Hier aber wird von einem Schriftsteller, der mit
Spanien und seiner Geschichte von 1812 an wohlbekannt ist, und den
sein Verkehr mit hervorragenden Staatsmännern desselben mancherlei erfah¬
ren ließ, was spätere Forschung in diplomatischen Archiven kaum vollständig
erkennen wird, Ordnung und Verständniß in die Verwirrung gebracht, und wir
begreifen, wie es so und nicht anders kommen konnte. Ein klares deutliches
Bild rollt sich vor uus aus. Die Verkettung der Thatsachen wird sichtbar,
die Einwirkung der Zustände und Ereignisse diesseits der Pyrenäen auf das
jenseitige Gebiet füllt in die Augen, und die bedeutenden Persönlichkeiten, deren
Charaktere und deren Motive erfahren eine scharfe Beleuchtung. Zum Schlüsse
erhalten wir ein gutes Bild von dem eubanischen Bürgerkriege, welches aus
den Zeitungen nicht zu gewinnen war. Der Verfasser hat sorgfältig gearbeitet,
sein Urtheil ist unparteiisch, und auch die Form seiner Darstellung verdient
als anschaulich, wohl geordnet und lebensvoll gelobt zu werdeu. Ein besonders
interessantes Kapitel ist das über die Hohenzollerusche Thronkandidatur.




Verantwortlicher Redakteur: öl. Haus Blum in Leipzig.
Verlag von A>. L. Herbig in Leipzig. - Druck von Hüthcl Hcrrman» in Leipzig.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157647/128>, abgerufen am 28.09.2024.