Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band.mittelbare Veranlassung weggefallen. Der Vorschlag behält trotzdem seinen Literatur. Es stünde schlimm um ein Volk, wenn nur die berühmt gewordenen Wie ich ihn kannte und verehrte, so lag der Grund darin, daß das Größte mittelbare Veranlassung weggefallen. Der Vorschlag behält trotzdem seinen Literatur. Es stünde schlimm um ein Volk, wenn nur die berühmt gewordenen Wie ich ihn kannte und verehrte, so lag der Grund darin, daß das Größte <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0201" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/137902"/> <p xml:id="ID_514" prev="#ID_513"> mittelbare Veranlassung weggefallen. Der Vorschlag behält trotzdem seinen<lb/> Werth. Leider ist indeß wenig Aussicht, daß er durchdringen wird.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Literatur.</head><lb/> <p xml:id="ID_515"> Es stünde schlimm um ein Volk, wenn nur die berühmt gewordenen<lb/> Männer für seine ausgezeichneten Söhne gelten dürften. Gar oft greift das<lb/> Glück einen ans der Menge und stellt ihn für eine Zeitlang auf ein Postament,<lb/> wo er allgemein sichtbar für den Augenblick glänzt, ohne daß er die Stelle,<lb/> auf die Dauer behaupten könnte — ein Rouge wird mit Luther verglichen<lb/> ein Rheinliedsänger Nikolaus Becker kommt in Aller Mund —, und dann<lb/> wieder wächst der Name eines Andern, den nur wenige seiner Zeitgenossen<lb/> kannten, bei der Nachwelt hoch empor. So ist von den Freunden, deren<lb/> Briefe hier vorliegen, Ludwig Feuerbach der bekanntere; aber er schreibt selber<lb/> "n Christian Kapp: „Mein Wissen, mein Leben, meine Anschauung verhält<lb/> sich zu Deinem Wissen, Deinem Leben, Deiner Anschauung gerade so wie die<lb/> Haßlbach, die vor meinen Augen vorbeizimpert, zum Neckar- oder Rheinstrom,<lb/> der vor Deine» Füßen vorbeirauscht"; und in den Hallischen Jahrbüchern ließ<lb/> Feuerbach von Kapp drucken: „Seine Bedeutung liegt nicht in diesem oder<lb/> jenem schönen Gedanken, sie liegt in dem Geist und Sinn, aus dem seine<lb/> Schriften hervorgegangen, in dem ans das Große gerichteten, in dem von jeder<lb/> Beschränktheit und Einseitigkeit freien, universellen, mit wahrer Riesenkraft<lb/> alles umfassenden, auch die größten, scheinbar unvereinbarsten Gegensätze in<lb/> sich überwindenden und zusammenbindenden Geist und Sinn, den Kapps Wesen<lb/> konstituirt. Der hohe sittliche Energie Fichtes hat sich in Kapp verbunden<lb/> mit dem objektiv-wissenschaftlichen Geist der Erkenntniß, der sich am vollendetsten<lb/> in Hegel verwirklichte. Die Philosophie ist ihm das B'and der Wissenschaften,<lb/> der ganze wirkliche Geist, der und wie er sich in der Welt selbstbewußt erfaßt.<lb/> Er gibt der Wissenschaft die welthistorische Bedeutung, daß sie als höchste<lb/> geistige Macht erfaßt und bethätigt werde. Kapp gebührt das Verdienst, zu¬<lb/> erst unter den jüngern Denkern die erhabene Bestimmung der Wissenschaft<lb/> als einer weltreformirenden Macht, als der wahren Heilquelle der siechen<lb/> Gegenwart, als ein wahrhaft wissenschaftlicher Prophet — ein Prädikat, das<lb/> Kapp auch noch in anderer Beziehung gebührt — verkündet zu haben." Wie<lb/> kommt es, daß Christian Kapp so wenig bekannt geworden?</p><lb/> <p xml:id="ID_516" next="#ID_517"> Wie ich ihn kannte und verehrte, so lag der Grund darin, daß das Größte<lb/> ein ihm eben seine Persönlichkeit war, der lebendige Mensch, ausgerüstet mit</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0201]
mittelbare Veranlassung weggefallen. Der Vorschlag behält trotzdem seinen
Werth. Leider ist indeß wenig Aussicht, daß er durchdringen wird.
Literatur.
Es stünde schlimm um ein Volk, wenn nur die berühmt gewordenen
Männer für seine ausgezeichneten Söhne gelten dürften. Gar oft greift das
Glück einen ans der Menge und stellt ihn für eine Zeitlang auf ein Postament,
wo er allgemein sichtbar für den Augenblick glänzt, ohne daß er die Stelle,
auf die Dauer behaupten könnte — ein Rouge wird mit Luther verglichen
ein Rheinliedsänger Nikolaus Becker kommt in Aller Mund —, und dann
wieder wächst der Name eines Andern, den nur wenige seiner Zeitgenossen
kannten, bei der Nachwelt hoch empor. So ist von den Freunden, deren
Briefe hier vorliegen, Ludwig Feuerbach der bekanntere; aber er schreibt selber
"n Christian Kapp: „Mein Wissen, mein Leben, meine Anschauung verhält
sich zu Deinem Wissen, Deinem Leben, Deiner Anschauung gerade so wie die
Haßlbach, die vor meinen Augen vorbeizimpert, zum Neckar- oder Rheinstrom,
der vor Deine» Füßen vorbeirauscht"; und in den Hallischen Jahrbüchern ließ
Feuerbach von Kapp drucken: „Seine Bedeutung liegt nicht in diesem oder
jenem schönen Gedanken, sie liegt in dem Geist und Sinn, aus dem seine
Schriften hervorgegangen, in dem ans das Große gerichteten, in dem von jeder
Beschränktheit und Einseitigkeit freien, universellen, mit wahrer Riesenkraft
alles umfassenden, auch die größten, scheinbar unvereinbarsten Gegensätze in
sich überwindenden und zusammenbindenden Geist und Sinn, den Kapps Wesen
konstituirt. Der hohe sittliche Energie Fichtes hat sich in Kapp verbunden
mit dem objektiv-wissenschaftlichen Geist der Erkenntniß, der sich am vollendetsten
in Hegel verwirklichte. Die Philosophie ist ihm das B'and der Wissenschaften,
der ganze wirkliche Geist, der und wie er sich in der Welt selbstbewußt erfaßt.
Er gibt der Wissenschaft die welthistorische Bedeutung, daß sie als höchste
geistige Macht erfaßt und bethätigt werde. Kapp gebührt das Verdienst, zu¬
erst unter den jüngern Denkern die erhabene Bestimmung der Wissenschaft
als einer weltreformirenden Macht, als der wahren Heilquelle der siechen
Gegenwart, als ein wahrhaft wissenschaftlicher Prophet — ein Prädikat, das
Kapp auch noch in anderer Beziehung gebührt — verkündet zu haben." Wie
kommt es, daß Christian Kapp so wenig bekannt geworden?
Wie ich ihn kannte und verehrte, so lag der Grund darin, daß das Größte
ein ihm eben seine Persönlichkeit war, der lebendige Mensch, ausgerüstet mit
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