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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band.

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Berichte allenthalben den Eindruck sorgfältiger Beobachtung, gründlicher Kennt¬
niß der italienischen Zustände und parteiloser Anschauung. Damit sind sie
ein Zeitbild von ungewöhnlichem Werthe für die politische und die Cultur¬
geschichte Neu-Italiens, und als solches wollen wir sie hiermit bestens em¬
pfohlen haben. Wir fügen noch hinzu, daß die schuldig Befundenen zu
lebenslänglicher Galeerenstrafe verurtheilt wurden, und daß unsre Schrift
dieß in Betreff zweier derselben, die im Fanatismus gehandelt, nicht ange¬
messen findet. "Das tragische Verhängniß, welches gut angelegte Naturen
zu einer ungeheuren Frevelthat leitet", so schreibt sie, "findet seine richtige
Lösung nur in der Vernichtung des Individuums, welches an die heiligsten
Güter der Menschheit frevelhaft Hand angelegt. Diese Vernichtung sei aber
in ihrem äußern Wesen eine würdige in dem Falle, wo die Motive der That
nicht absolut schimpflich gewesen sind. Handelt es sich dagegen um Leute, die
das Geschäft für ein Stück Geld besorgen, dann ist die Entehrung des Jndi-
viduums für Lebenszeit am Platze. Wer tragisch fehlt, der zahle mit seinem
Kopfe; wer als gemeiner Schurke handelt, den schickt auf die Galeere, dort
findet er seine College"." Wir finden das schön gesagt, edel empfunden.
Poetisch ausgedrückt. Was aber meinen die Juristen dazu? Schnickschnack! --
nicht wahr?


Historische Zeitschrift, herausgegeben von Heinrich v. Sybel. Achtzehnter
Jahrgang. Erstes Heft. München, Verlag von R. Oldenbourg.

Der erste Aufsatz dieses Heftes beschäftigt sich mit Norbert von Pre'-
montrö, dem Stifter der Prämonstratenser, der später als Erzbischof von
Magdeburg eine wichtige Mission in den Elblanden hatte und auch als
Reichsfürst neben Lothar dem Sachsen eine bedeutende Rolle spielte. Ur. 2
weist nach, daß die Sage, Friedrich der Zweite (an dessen Stelle das Volk in
Deutschland den Kaiser Friedrich den Ersten, Barbarossa, gesetzt hat) sei nicht
todt, sondern lebe in der Verborgenheit fort, um einst wieder zu erscheinen,
unter den Italienern niemals extstirr hat, und macht den Vorschlag, dieselbe
so aufzulösen, daß sie "lediglich zur fortwirkenden Erinnerung an den großen
Kaiser, den mächtigen Geist wird, der das Leben, welches die Menschen der
Frührenaissance umgab, ihnen vorausgelebt hatte", was, ein wenig dunkel
ausgedrückt, ungefähr derselbe Gedanke ist, den wir bei Jakob Burckhardt in
dessen Cultur der Renaissance in Italien S. 3 ff. antreffen. Eine dritte Ab¬
handlung verbreitet sich über die Anfänge der florentinischen Geschichtschreibung
mit besonderer Beziehung auf Villain und den falschen Malespini. Der
folgende Artikel: "Theophan Leontowitsch" beschäftigt sich mit einer Episode
der Beeinträchtigung und Verfolgung, welche die Akatholiken in Polen unter
August dem Starken und seinem Nachfolger erfuhren, und zeigt, wie dieser


Berichte allenthalben den Eindruck sorgfältiger Beobachtung, gründlicher Kennt¬
niß der italienischen Zustände und parteiloser Anschauung. Damit sind sie
ein Zeitbild von ungewöhnlichem Werthe für die politische und die Cultur¬
geschichte Neu-Italiens, und als solches wollen wir sie hiermit bestens em¬
pfohlen haben. Wir fügen noch hinzu, daß die schuldig Befundenen zu
lebenslänglicher Galeerenstrafe verurtheilt wurden, und daß unsre Schrift
dieß in Betreff zweier derselben, die im Fanatismus gehandelt, nicht ange¬
messen findet. „Das tragische Verhängniß, welches gut angelegte Naturen
zu einer ungeheuren Frevelthat leitet", so schreibt sie, „findet seine richtige
Lösung nur in der Vernichtung des Individuums, welches an die heiligsten
Güter der Menschheit frevelhaft Hand angelegt. Diese Vernichtung sei aber
in ihrem äußern Wesen eine würdige in dem Falle, wo die Motive der That
nicht absolut schimpflich gewesen sind. Handelt es sich dagegen um Leute, die
das Geschäft für ein Stück Geld besorgen, dann ist die Entehrung des Jndi-
viduums für Lebenszeit am Platze. Wer tragisch fehlt, der zahle mit seinem
Kopfe; wer als gemeiner Schurke handelt, den schickt auf die Galeere, dort
findet er seine College«." Wir finden das schön gesagt, edel empfunden.
Poetisch ausgedrückt. Was aber meinen die Juristen dazu? Schnickschnack! —
nicht wahr?


Historische Zeitschrift, herausgegeben von Heinrich v. Sybel. Achtzehnter
Jahrgang. Erstes Heft. München, Verlag von R. Oldenbourg.

Der erste Aufsatz dieses Heftes beschäftigt sich mit Norbert von Pre'-
montrö, dem Stifter der Prämonstratenser, der später als Erzbischof von
Magdeburg eine wichtige Mission in den Elblanden hatte und auch als
Reichsfürst neben Lothar dem Sachsen eine bedeutende Rolle spielte. Ur. 2
weist nach, daß die Sage, Friedrich der Zweite (an dessen Stelle das Volk in
Deutschland den Kaiser Friedrich den Ersten, Barbarossa, gesetzt hat) sei nicht
todt, sondern lebe in der Verborgenheit fort, um einst wieder zu erscheinen,
unter den Italienern niemals extstirr hat, und macht den Vorschlag, dieselbe
so aufzulösen, daß sie „lediglich zur fortwirkenden Erinnerung an den großen
Kaiser, den mächtigen Geist wird, der das Leben, welches die Menschen der
Frührenaissance umgab, ihnen vorausgelebt hatte", was, ein wenig dunkel
ausgedrückt, ungefähr derselbe Gedanke ist, den wir bei Jakob Burckhardt in
dessen Cultur der Renaissance in Italien S. 3 ff. antreffen. Eine dritte Ab¬
handlung verbreitet sich über die Anfänge der florentinischen Geschichtschreibung
mit besonderer Beziehung auf Villain und den falschen Malespini. Der
folgende Artikel: „Theophan Leontowitsch" beschäftigt sich mit einer Episode
der Beeinträchtigung und Verfolgung, welche die Akatholiken in Polen unter
August dem Starken und seinem Nachfolger erfuhren, und zeigt, wie dieser


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157638/283>, abgerufen am 27.11.2024.