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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band.

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Kattgula.

In dem Aufsatze " Cäsarenwahnsinn" haben wir versprochen, den kurzen
und unvollständigen Charakteristiken der Kaiser Tiberius, Claudius und Nero,
die wir dort mittheilten, eine etwas vollständigere Wiedergabe der Zeichnung
des Lebens von Caligula in dem dabei benutzten Buche Dr. Wiedemeister's
folgen zu lassen. Wir wählten Caligula, weil er uns nächst Nero der inter¬
essanteste jener vier weltgeschichtlichen Tyrannen, zugleich aber nächst Claudius
der nach den Einzelheiten seines Lebens am wenigsten bekannte derselben zu
sein scheint. Hier ist unser Bild. Wer Ausführlicheres wünscht, dem sei die
Schrift selbst nochmals empfohlen").

Cajus Caesar Caligula wurde im Jahre 12 n.Chr. geboren. Als
Knabe begleitete er seinen Vater Germanicus auf dessen Feldzügen in Ger-
Manien und Syrien. Dann erzogen ihn seine Mutter und seine Großmutter,
bis Tiberius ihn 32 n. Chr. nach Capri berief, nach dessen fünf Jahre später
erfolgten, Tode er zur Regierung gelangte. Schon auf Capri zeigte er schlechte
Eigenschaften, weidete sich an Folterqualen und Hinrichtungen und ergab
sich groben geschlechtlichen Ausschweifungen. Daneben legte er eine stupide
Gleichgültigkeit und Fühllosigkeit an den Tag. die auch bei der Verbannung
seiner Mutter und der Ermordung seiner Brüder keine Klage laut werden
ließ. Tiberius soll von ihm gesagt haben, er erziehe an ihm eine Natter für
das römische Volk, und wiederholt dachte er daran, ihn umbringen zu lassen.
Seinem häßlichen Geiste entsprach ein unschöner Körper. Hochaufgeschossen
und dicken Leibes, ging er schleppend und schlenkernd auf dünnen Beinen und
ungewöhnlich großen Füßen. Ueberall sonst stark behaart, war er schon im
leiten Jahrzehnt seines Lebens ein Kahlkopf. Die Schläfen waren ihm
eingefallen, die starren Augen lagen unter einer breiten, finstern, faltenreichen
Stirn, die Züge waren durch Muskelcontractionen verzerrt, sein Gesicht ve-
deckte eine widerwärtige Blässe. Nimmt man dazu noch eine rauhe, kreischende
Stimme und häufig widerkehrende Anfälle von Epilepsie, so bekommt man



, Wir wiederholen den Titel: ..Der Cäsarenwahnsinn der Claudisch.Juli-
schen Jay erator enfamilie," und bemerken nochmals, daß die Schrift in diesem
Jahre in Hannover bei Carl Nümpler erschienen ist.
Grenzboten IV. 187S.
Kattgula.

In dem Aufsatze „ Cäsarenwahnsinn" haben wir versprochen, den kurzen
und unvollständigen Charakteristiken der Kaiser Tiberius, Claudius und Nero,
die wir dort mittheilten, eine etwas vollständigere Wiedergabe der Zeichnung
des Lebens von Caligula in dem dabei benutzten Buche Dr. Wiedemeister's
folgen zu lassen. Wir wählten Caligula, weil er uns nächst Nero der inter¬
essanteste jener vier weltgeschichtlichen Tyrannen, zugleich aber nächst Claudius
der nach den Einzelheiten seines Lebens am wenigsten bekannte derselben zu
sein scheint. Hier ist unser Bild. Wer Ausführlicheres wünscht, dem sei die
Schrift selbst nochmals empfohlen").

Cajus Caesar Caligula wurde im Jahre 12 n.Chr. geboren. Als
Knabe begleitete er seinen Vater Germanicus auf dessen Feldzügen in Ger-
Manien und Syrien. Dann erzogen ihn seine Mutter und seine Großmutter,
bis Tiberius ihn 32 n. Chr. nach Capri berief, nach dessen fünf Jahre später
erfolgten, Tode er zur Regierung gelangte. Schon auf Capri zeigte er schlechte
Eigenschaften, weidete sich an Folterqualen und Hinrichtungen und ergab
sich groben geschlechtlichen Ausschweifungen. Daneben legte er eine stupide
Gleichgültigkeit und Fühllosigkeit an den Tag. die auch bei der Verbannung
seiner Mutter und der Ermordung seiner Brüder keine Klage laut werden
ließ. Tiberius soll von ihm gesagt haben, er erziehe an ihm eine Natter für
das römische Volk, und wiederholt dachte er daran, ihn umbringen zu lassen.
Seinem häßlichen Geiste entsprach ein unschöner Körper. Hochaufgeschossen
und dicken Leibes, ging er schleppend und schlenkernd auf dünnen Beinen und
ungewöhnlich großen Füßen. Ueberall sonst stark behaart, war er schon im
leiten Jahrzehnt seines Lebens ein Kahlkopf. Die Schläfen waren ihm
eingefallen, die starren Augen lagen unter einer breiten, finstern, faltenreichen
Stirn, die Züge waren durch Muskelcontractionen verzerrt, sein Gesicht ve-
deckte eine widerwärtige Blässe. Nimmt man dazu noch eine rauhe, kreischende
Stimme und häufig widerkehrende Anfälle von Epilepsie, so bekommt man



, Wir wiederholen den Titel: ..Der Cäsarenwahnsinn der Claudisch.Juli-
schen Jay erator enfamilie," und bemerken nochmals, daß die Schrift in diesem
Jahre in Hannover bei Carl Nümpler erschienen ist.
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[0245] Kattgula. In dem Aufsatze „ Cäsarenwahnsinn" haben wir versprochen, den kurzen und unvollständigen Charakteristiken der Kaiser Tiberius, Claudius und Nero, die wir dort mittheilten, eine etwas vollständigere Wiedergabe der Zeichnung des Lebens von Caligula in dem dabei benutzten Buche Dr. Wiedemeister's folgen zu lassen. Wir wählten Caligula, weil er uns nächst Nero der inter¬ essanteste jener vier weltgeschichtlichen Tyrannen, zugleich aber nächst Claudius der nach den Einzelheiten seines Lebens am wenigsten bekannte derselben zu sein scheint. Hier ist unser Bild. Wer Ausführlicheres wünscht, dem sei die Schrift selbst nochmals empfohlen"). Cajus Caesar Caligula wurde im Jahre 12 n.Chr. geboren. Als Knabe begleitete er seinen Vater Germanicus auf dessen Feldzügen in Ger- Manien und Syrien. Dann erzogen ihn seine Mutter und seine Großmutter, bis Tiberius ihn 32 n. Chr. nach Capri berief, nach dessen fünf Jahre später erfolgten, Tode er zur Regierung gelangte. Schon auf Capri zeigte er schlechte Eigenschaften, weidete sich an Folterqualen und Hinrichtungen und ergab sich groben geschlechtlichen Ausschweifungen. Daneben legte er eine stupide Gleichgültigkeit und Fühllosigkeit an den Tag. die auch bei der Verbannung seiner Mutter und der Ermordung seiner Brüder keine Klage laut werden ließ. Tiberius soll von ihm gesagt haben, er erziehe an ihm eine Natter für das römische Volk, und wiederholt dachte er daran, ihn umbringen zu lassen. Seinem häßlichen Geiste entsprach ein unschöner Körper. Hochaufgeschossen und dicken Leibes, ging er schleppend und schlenkernd auf dünnen Beinen und ungewöhnlich großen Füßen. Ueberall sonst stark behaart, war er schon im leiten Jahrzehnt seines Lebens ein Kahlkopf. Die Schläfen waren ihm eingefallen, die starren Augen lagen unter einer breiten, finstern, faltenreichen Stirn, die Züge waren durch Muskelcontractionen verzerrt, sein Gesicht ve- deckte eine widerwärtige Blässe. Nimmt man dazu noch eine rauhe, kreischende Stimme und häufig widerkehrende Anfälle von Epilepsie, so bekommt man , Wir wiederholen den Titel: ..Der Cäsarenwahnsinn der Claudisch.Juli- schen Jay erator enfamilie," und bemerken nochmals, daß die Schrift in diesem Jahre in Hannover bei Carl Nümpler erschienen ist. Grenzboten IV. 187S.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148596/245>, abgerufen am 22.07.2024.