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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band.

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diesen Pflanzstätten des bürgerlichen Lebens nichts zu schaffen,*) Maß und
Ziel sollte man aber auch in diesem Punkte halten. Denn hier vor Allem
gilt der Spruch des Weisen: ^"Mo Namentlich sollte man die Pfarr¬
geistlichkeit im Elsaß in ihrem meist humanen und toleranten Wirken unge¬
stört lassen. Eine Ausdehnung der preußischen "Kirchengesetze" auf das
Reichsland, wie dies von gewisser Seite vorgeschlagen worden ist, ein "Kul¬
turkampf" in diesem Genre, empfiehlt sich wirklich nicht hier zu Lande. Und
zwar aus zwei sehr einfachen Gründen: Erstens haben wir ihn nicht nöthig.
Denn der Einfluß der Pfaffen auf das Volk ist hier lange nicht so bedeutend,
wie sich dies manche reisende Gelegenheits-Correspondenten vielleicht einbilden
mögen; noch nicht zu einem Drittel so stark, wie beispielsweise in der preu¬
ßischen Rheinprovinz, der alten "Pfaffengasse des heiligen römischen Reichs"-
Wer hüben und drüben längere Zeit gelebt und sich um das eigentliche
Volksleben <zx xrotössv gekümmert hat, wie Schreiber dieser Zeilen, wird sich
darüber völlig klar sein. Zum Zweiten aber würde ein solcher Kulturkampf
hier auch nichts nützen. Denn ihm fehlte durchaus die Unterstützung und
die Sympathien der gebildeten Klassen der Gesellschaft aus naheliegenden
Gründen -- ein Umstand, der der preußischen Kirchenpolitik in den Rhein¬
landen anerkanntermaßen zum Siege verholfen hat, oder doch über kurz oder
lang dazu verhelfen wird. Sogar der "Kanzelparagraph" des deutschen
Strafgesetzbuches macht hier zu Lande, wenn er einmal mit den Haaren her¬
beigezogen wird, um einem etwas redseligen Heißsporn auf der Kanzel ge¬
legentlich den Mund zu stopfen, durchschnittlich nur Ftasco. Dies möchten
die betreffenden Gerichtsverhandlungen an den hohen und höchsten Gerichts¬
höfen wohl zur Genüge darthun. Das Reichsland hat auch auf diesem
Gebiete -- ich wiederhole es -- einstweilen absolute Ruhe nothwendig .





An die detttschen Verleger.

Wir wünschen unsre "Weihnachtsbücherschau" Anfang November zu be¬
ginnen, und bitten daher um baldigste Einsendung der zur Besprechung in
dieser Rubrik geeigneten Werke.


Die Redaction der Grenzboten.


Verantwortlicher Redakteur: or. Haus Blum in Leipzig.
Verlag von F. L, Herbig in Leipzig. -- Druck von Hüthel 6 Herrmann in Leipzig.
") Dies sehen auch die Bewohner des Reichslandes nach und nach ein. Man findet jetzt
nur noch wenige dieser frommen, bigotten unwissenden Brüder und Schwestern im Elsaß,
und ick wüßte nicht manchen vernünftigen und billigdenkenden Elsässer zu nennen, der se^
nach ihrem Regimente zurücksehnte.

diesen Pflanzstätten des bürgerlichen Lebens nichts zu schaffen,*) Maß und
Ziel sollte man aber auch in diesem Punkte halten. Denn hier vor Allem
gilt der Spruch des Weisen: ^»Mo Namentlich sollte man die Pfarr¬
geistlichkeit im Elsaß in ihrem meist humanen und toleranten Wirken unge¬
stört lassen. Eine Ausdehnung der preußischen „Kirchengesetze" auf das
Reichsland, wie dies von gewisser Seite vorgeschlagen worden ist, ein „Kul¬
turkampf" in diesem Genre, empfiehlt sich wirklich nicht hier zu Lande. Und
zwar aus zwei sehr einfachen Gründen: Erstens haben wir ihn nicht nöthig.
Denn der Einfluß der Pfaffen auf das Volk ist hier lange nicht so bedeutend,
wie sich dies manche reisende Gelegenheits-Correspondenten vielleicht einbilden
mögen; noch nicht zu einem Drittel so stark, wie beispielsweise in der preu¬
ßischen Rheinprovinz, der alten „Pfaffengasse des heiligen römischen Reichs"-
Wer hüben und drüben längere Zeit gelebt und sich um das eigentliche
Volksleben <zx xrotössv gekümmert hat, wie Schreiber dieser Zeilen, wird sich
darüber völlig klar sein. Zum Zweiten aber würde ein solcher Kulturkampf
hier auch nichts nützen. Denn ihm fehlte durchaus die Unterstützung und
die Sympathien der gebildeten Klassen der Gesellschaft aus naheliegenden
Gründen — ein Umstand, der der preußischen Kirchenpolitik in den Rhein¬
landen anerkanntermaßen zum Siege verholfen hat, oder doch über kurz oder
lang dazu verhelfen wird. Sogar der „Kanzelparagraph" des deutschen
Strafgesetzbuches macht hier zu Lande, wenn er einmal mit den Haaren her¬
beigezogen wird, um einem etwas redseligen Heißsporn auf der Kanzel ge¬
legentlich den Mund zu stopfen, durchschnittlich nur Ftasco. Dies möchten
die betreffenden Gerichtsverhandlungen an den hohen und höchsten Gerichts¬
höfen wohl zur Genüge darthun. Das Reichsland hat auch auf diesem
Gebiete — ich wiederhole es — einstweilen absolute Ruhe nothwendig .





An die detttschen Verleger.

Wir wünschen unsre „Weihnachtsbücherschau" Anfang November zu be¬
ginnen, und bitten daher um baldigste Einsendung der zur Besprechung in
dieser Rubrik geeigneten Werke.


Die Redaction der Grenzboten.


Verantwortlicher Redakteur: or. Haus Blum in Leipzig.
Verlag von F. L, Herbig in Leipzig. — Druck von Hüthel 6 Herrmann in Leipzig.
") Dies sehen auch die Bewohner des Reichslandes nach und nach ein. Man findet jetzt
nur noch wenige dieser frommen, bigotten unwissenden Brüder und Schwestern im Elsaß,
und ick wüßte nicht manchen vernünftigen und billigdenkenden Elsässer zu nennen, der se^
nach ihrem Regimente zurücksehnte.
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[0204] diesen Pflanzstätten des bürgerlichen Lebens nichts zu schaffen,*) Maß und Ziel sollte man aber auch in diesem Punkte halten. Denn hier vor Allem gilt der Spruch des Weisen: ^»Mo Namentlich sollte man die Pfarr¬ geistlichkeit im Elsaß in ihrem meist humanen und toleranten Wirken unge¬ stört lassen. Eine Ausdehnung der preußischen „Kirchengesetze" auf das Reichsland, wie dies von gewisser Seite vorgeschlagen worden ist, ein „Kul¬ turkampf" in diesem Genre, empfiehlt sich wirklich nicht hier zu Lande. Und zwar aus zwei sehr einfachen Gründen: Erstens haben wir ihn nicht nöthig. Denn der Einfluß der Pfaffen auf das Volk ist hier lange nicht so bedeutend, wie sich dies manche reisende Gelegenheits-Correspondenten vielleicht einbilden mögen; noch nicht zu einem Drittel so stark, wie beispielsweise in der preu¬ ßischen Rheinprovinz, der alten „Pfaffengasse des heiligen römischen Reichs"- Wer hüben und drüben längere Zeit gelebt und sich um das eigentliche Volksleben <zx xrotössv gekümmert hat, wie Schreiber dieser Zeilen, wird sich darüber völlig klar sein. Zum Zweiten aber würde ein solcher Kulturkampf hier auch nichts nützen. Denn ihm fehlte durchaus die Unterstützung und die Sympathien der gebildeten Klassen der Gesellschaft aus naheliegenden Gründen — ein Umstand, der der preußischen Kirchenpolitik in den Rhein¬ landen anerkanntermaßen zum Siege verholfen hat, oder doch über kurz oder lang dazu verhelfen wird. Sogar der „Kanzelparagraph" des deutschen Strafgesetzbuches macht hier zu Lande, wenn er einmal mit den Haaren her¬ beigezogen wird, um einem etwas redseligen Heißsporn auf der Kanzel ge¬ legentlich den Mund zu stopfen, durchschnittlich nur Ftasco. Dies möchten die betreffenden Gerichtsverhandlungen an den hohen und höchsten Gerichts¬ höfen wohl zur Genüge darthun. Das Reichsland hat auch auf diesem Gebiete — ich wiederhole es — einstweilen absolute Ruhe nothwendig . An die detttschen Verleger. Wir wünschen unsre „Weihnachtsbücherschau" Anfang November zu be¬ ginnen, und bitten daher um baldigste Einsendung der zur Besprechung in dieser Rubrik geeigneten Werke. Die Redaction der Grenzboten. Verantwortlicher Redakteur: or. Haus Blum in Leipzig. Verlag von F. L, Herbig in Leipzig. — Druck von Hüthel 6 Herrmann in Leipzig. ") Dies sehen auch die Bewohner des Reichslandes nach und nach ein. Man findet jetzt nur noch wenige dieser frommen, bigotten unwissenden Brüder und Schwestern im Elsaß, und ick wüßte nicht manchen vernünftigen und billigdenkenden Elsässer zu nennen, der se^ nach ihrem Regimente zurücksehnte.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148596/204>, abgerufen am 22.07.2024.