Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Ursache, warum in den Vereinigten Staaten im Bankwesen die meisten
Experimente und Mißgriffe gemacht worden sind.

Wage man die beiderseitigen Gründe gegen einander ab, so wird man
sich nicht mehr darüber wundern, daß alle erfahrenen Theoretiker und Prak¬
tiker des Bankwesens gegenwärtig die Frage der Zettelbanksreiheit für abge¬
than betrachten, daß sie bei der Bankreform im Deutschen Reiche gar nicht
mehr aufgeworfen wurde und daß man die Reform der Schweiz auch auf dem
Wege einer Concentration anbahnt.




Ava preußischen Landtag.

Am L. April hat das Abgeordnetenhaus feine Sitzungen nach den Oster-
ferien wieder aufgenommen. Die Sitzung vom S. April bot keinen bemerkens¬
werten Gegenstand. Am 6. April wurde die dritte Berathung des Gesetzes über
die Einstellung der Leistungen aus Staatsmitteln für die römisch-katholischen
Bisthümer und Geistlichen vorgenommen. Wenn es auch wahr ist, daß
in dem deutsch-römischen Streit nachgerade nichts Neues vorgebracht werden
kann, so gelingt es doch noch immer einzelnen Rednern, die nach und nach
gefundene richtige Anschauung der Streitsache in besonders glückliche und selbst
volksverständliche Formeln zu kleiden.

Von solchem Gelingen bot gerade die Sitzung am L. April verschiedene
Beispiele. Schon mehrmals hat der Abgeordnete Jung die römischen Ansprüche
und ihren Contrast mit der Gegenwart in besonders treffender Weise beleuch¬
tet. Am 6. April gelang ihm dies wieder. Die Redner des Centrums wer¬
den nicht müde, den Kampf des Staates gegen die Hierarchie als einen Ein¬
griff in das Gewissen darzustellen. Darauf ist längst die Erwiderung erfolgt,
daß es ein Gewissen nur giebt für innere Fragen der Persönlichkeit, daß die
objectiven Normen der Gesellschaft nicht unmittelbar aus dem Gewissen, son¬
dern aus der gewissenhaften Erwägung der Zwecke und Mittel des Gemein¬
lebens zu finden sind, vor denen das individuelle Gewissen zurücktreten muß.
Die Normen des Gemeinlebens festzustellen ist aber Sache des Staates, und
wenn die Kirche im Namen des Gewissens diese Normen ganz oder zum Theil
ihrerseits feststellen will, so naße sie sich das Recht des Staates an.

Zur völligen Karrikatur wird aber der im Namen des Gewissens er¬
hobene Anspruch der Kirche, wenn er in seinen Grenzen nach den Erwägun¬
gen weltlicher Zweckmäßigkeit hin- und herschwankt. Das Lächerliche der Be-


Ursache, warum in den Vereinigten Staaten im Bankwesen die meisten
Experimente und Mißgriffe gemacht worden sind.

Wage man die beiderseitigen Gründe gegen einander ab, so wird man
sich nicht mehr darüber wundern, daß alle erfahrenen Theoretiker und Prak¬
tiker des Bankwesens gegenwärtig die Frage der Zettelbanksreiheit für abge¬
than betrachten, daß sie bei der Bankreform im Deutschen Reiche gar nicht
mehr aufgeworfen wurde und daß man die Reform der Schweiz auch auf dem
Wege einer Concentration anbahnt.




Ava preußischen Landtag.

Am L. April hat das Abgeordnetenhaus feine Sitzungen nach den Oster-
ferien wieder aufgenommen. Die Sitzung vom S. April bot keinen bemerkens¬
werten Gegenstand. Am 6. April wurde die dritte Berathung des Gesetzes über
die Einstellung der Leistungen aus Staatsmitteln für die römisch-katholischen
Bisthümer und Geistlichen vorgenommen. Wenn es auch wahr ist, daß
in dem deutsch-römischen Streit nachgerade nichts Neues vorgebracht werden
kann, so gelingt es doch noch immer einzelnen Rednern, die nach und nach
gefundene richtige Anschauung der Streitsache in besonders glückliche und selbst
volksverständliche Formeln zu kleiden.

Von solchem Gelingen bot gerade die Sitzung am L. April verschiedene
Beispiele. Schon mehrmals hat der Abgeordnete Jung die römischen Ansprüche
und ihren Contrast mit der Gegenwart in besonders treffender Weise beleuch¬
tet. Am 6. April gelang ihm dies wieder. Die Redner des Centrums wer¬
den nicht müde, den Kampf des Staates gegen die Hierarchie als einen Ein¬
griff in das Gewissen darzustellen. Darauf ist längst die Erwiderung erfolgt,
daß es ein Gewissen nur giebt für innere Fragen der Persönlichkeit, daß die
objectiven Normen der Gesellschaft nicht unmittelbar aus dem Gewissen, son¬
dern aus der gewissenhaften Erwägung der Zwecke und Mittel des Gemein¬
lebens zu finden sind, vor denen das individuelle Gewissen zurücktreten muß.
Die Normen des Gemeinlebens festzustellen ist aber Sache des Staates, und
wenn die Kirche im Namen des Gewissens diese Normen ganz oder zum Theil
ihrerseits feststellen will, so naße sie sich das Recht des Staates an.

Zur völligen Karrikatur wird aber der im Namen des Gewissens er¬
hobene Anspruch der Kirche, wenn er in seinen Grenzen nach den Erwägun¬
gen weltlicher Zweckmäßigkeit hin- und herschwankt. Das Lächerliche der Be-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0120" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/133408"/>
          <p xml:id="ID_385" prev="#ID_384"> Ursache, warum in den Vereinigten Staaten im Bankwesen die meisten<lb/>
Experimente und Mißgriffe gemacht worden sind.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_386"> Wage man die beiderseitigen Gründe gegen einander ab, so wird man<lb/>
sich nicht mehr darüber wundern, daß alle erfahrenen Theoretiker und Prak¬<lb/>
tiker des Bankwesens gegenwärtig die Frage der Zettelbanksreiheit für abge¬<lb/>
than betrachten, daß sie bei der Bankreform im Deutschen Reiche gar nicht<lb/>
mehr aufgeworfen wurde und daß man die Reform der Schweiz auch auf dem<lb/>
Wege einer Concentration anbahnt.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Ava preußischen Landtag.</head><lb/>
          <p xml:id="ID_387"> Am L. April hat das Abgeordnetenhaus feine Sitzungen nach den Oster-<lb/>
ferien wieder aufgenommen. Die Sitzung vom S. April bot keinen bemerkens¬<lb/>
werten Gegenstand. Am 6. April wurde die dritte Berathung des Gesetzes über<lb/>
die Einstellung der Leistungen aus Staatsmitteln für die römisch-katholischen<lb/>
Bisthümer und Geistlichen vorgenommen. Wenn es auch wahr ist, daß<lb/>
in dem deutsch-römischen Streit nachgerade nichts Neues vorgebracht werden<lb/>
kann, so gelingt es doch noch immer einzelnen Rednern, die nach und nach<lb/>
gefundene richtige Anschauung der Streitsache in besonders glückliche und selbst<lb/>
volksverständliche Formeln zu kleiden.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_388"> Von solchem Gelingen bot gerade die Sitzung am L. April verschiedene<lb/>
Beispiele. Schon mehrmals hat der Abgeordnete Jung die römischen Ansprüche<lb/>
und ihren Contrast mit der Gegenwart in besonders treffender Weise beleuch¬<lb/>
tet. Am 6. April gelang ihm dies wieder. Die Redner des Centrums wer¬<lb/>
den nicht müde, den Kampf des Staates gegen die Hierarchie als einen Ein¬<lb/>
griff in das Gewissen darzustellen. Darauf ist längst die Erwiderung erfolgt,<lb/>
daß es ein Gewissen nur giebt für innere Fragen der Persönlichkeit, daß die<lb/>
objectiven Normen der Gesellschaft nicht unmittelbar aus dem Gewissen, son¬<lb/>
dern aus der gewissenhaften Erwägung der Zwecke und Mittel des Gemein¬<lb/>
lebens zu finden sind, vor denen das individuelle Gewissen zurücktreten muß.<lb/>
Die Normen des Gemeinlebens festzustellen ist aber Sache des Staates, und<lb/>
wenn die Kirche im Namen des Gewissens diese Normen ganz oder zum Theil<lb/>
ihrerseits feststellen will, so naße sie sich das Recht des Staates an.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_389" next="#ID_390"> Zur völligen Karrikatur wird aber der im Namen des Gewissens er¬<lb/>
hobene Anspruch der Kirche, wenn er in seinen Grenzen nach den Erwägun¬<lb/>
gen weltlicher Zweckmäßigkeit hin- und herschwankt. Das Lächerliche der Be-</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0120] Ursache, warum in den Vereinigten Staaten im Bankwesen die meisten Experimente und Mißgriffe gemacht worden sind. Wage man die beiderseitigen Gründe gegen einander ab, so wird man sich nicht mehr darüber wundern, daß alle erfahrenen Theoretiker und Prak¬ tiker des Bankwesens gegenwärtig die Frage der Zettelbanksreiheit für abge¬ than betrachten, daß sie bei der Bankreform im Deutschen Reiche gar nicht mehr aufgeworfen wurde und daß man die Reform der Schweiz auch auf dem Wege einer Concentration anbahnt. Ava preußischen Landtag. Am L. April hat das Abgeordnetenhaus feine Sitzungen nach den Oster- ferien wieder aufgenommen. Die Sitzung vom S. April bot keinen bemerkens¬ werten Gegenstand. Am 6. April wurde die dritte Berathung des Gesetzes über die Einstellung der Leistungen aus Staatsmitteln für die römisch-katholischen Bisthümer und Geistlichen vorgenommen. Wenn es auch wahr ist, daß in dem deutsch-römischen Streit nachgerade nichts Neues vorgebracht werden kann, so gelingt es doch noch immer einzelnen Rednern, die nach und nach gefundene richtige Anschauung der Streitsache in besonders glückliche und selbst volksverständliche Formeln zu kleiden. Von solchem Gelingen bot gerade die Sitzung am L. April verschiedene Beispiele. Schon mehrmals hat der Abgeordnete Jung die römischen Ansprüche und ihren Contrast mit der Gegenwart in besonders treffender Weise beleuch¬ tet. Am 6. April gelang ihm dies wieder. Die Redner des Centrums wer¬ den nicht müde, den Kampf des Staates gegen die Hierarchie als einen Ein¬ griff in das Gewissen darzustellen. Darauf ist längst die Erwiderung erfolgt, daß es ein Gewissen nur giebt für innere Fragen der Persönlichkeit, daß die objectiven Normen der Gesellschaft nicht unmittelbar aus dem Gewissen, son¬ dern aus der gewissenhaften Erwägung der Zwecke und Mittel des Gemein¬ lebens zu finden sind, vor denen das individuelle Gewissen zurücktreten muß. Die Normen des Gemeinlebens festzustellen ist aber Sache des Staates, und wenn die Kirche im Namen des Gewissens diese Normen ganz oder zum Theil ihrerseits feststellen will, so naße sie sich das Recht des Staates an. Zur völligen Karrikatur wird aber der im Namen des Gewissens er¬ hobene Anspruch der Kirche, wenn er in seinen Grenzen nach den Erwägun¬ gen weltlicher Zweckmäßigkeit hin- und herschwankt. Das Lächerliche der Be-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134976
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134976/120
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134976/120>, abgerufen am 05.02.2025.