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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, II. Band.

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Bürgerwehren in den deutschen Staaten hatten große Massen von Gewehren
jeden Kalibers an diesen Haupt-Exportplatz des nördlichen Deutschlands zu¬
sammen geführt, ohne daß es bis dahin möglich erschien, diesen Waffen die
erhofften Abzugseanäle zu verschaffen, zumal die englischen, spanischen und
Portugiesischen Colonien der Einfuhr dieser Waffen verschlossen waren.

Alles dies hatte John Möller sehr wohl bedacht. Er blieb dabei: Die
Gewehre sind nicht nach Probe. Hierin ward er noch durch einige Beulen
in ein paar Flintenläufen, durch verschiedene verbogene Bajonette und einzelne
zerbrochene Ladestocke auf das Glücklichste unterstützt. Master John war aber
großmüthig. Er hatte zwar zuerst 4 Thaler für das Gewehr geboten und
an dieses Angebot sich für sechs Tage gebunden; jetzt bot er aus reiner Güte
Zi/z Thaler pro Stück.

Master John wußte am letzten Tage der Frist mit seinem Expreßschreiben
noch trefflich zu operiren. Er schrieb am 30. Juli kurzweg: "Am ersten
August habe ich Gelegenheit, die Gewehre nach Kalifornien zu senden. Nach
dem ersten August haben diese Gewehre für mich gar keinen Werth mehr."

Das wirkte. Sofort erhielt er den Zuschlag für sein Angebot.

In einem kläglichen Berichte erbat hierauf der Deputirte des Rathes
von seinen Collegen und von der Stadt gütigst die nachträgliche Genehmigung
des Handels, den er in der eilften Stunde in seiner Herzensangst mit diesem
einzigen Käufer, zu dem Preise von 3^ Thaler für das Gewehr, abgeschlossen
hatte. Und die Genehmigung ward ihm fröhlich ertheilt.

So ist es gekommen, daß tausend Gewehre, Waffen von vorzüglichem
Kaliber und im Ganzen von bester Beschaffenheit, für den Jammerpreis von
Thaler pro Stück kopfüber verhandelt sind, Gewehre, die man bei ihrem
Ankauf das Stück mit 8 Thaler bezahlt hatte.

Aber Gott sei Dank! Nun konnte man doch getrost an das Großherzog¬
liche Ministerium des Innern ergebenst berichten: "Die Bürgerwehr ist auf¬
gelöst! Die 1000 Gewehre sind verklopft!"




Keiseglossen.

Wer, aus der nordischen Tiefebene kommend, durch das deutsche Paradies
von Darmstadt bis Basel hinausfährt, der müßte ein Herz wie Stein haben,
5venu er sich nicht wie neugeboren fühlte. Wandert er gar am sonnenhellen
borgen hinein in eins der waldigen Gebirgsthäler diesseits oder jenseits des


Bürgerwehren in den deutschen Staaten hatten große Massen von Gewehren
jeden Kalibers an diesen Haupt-Exportplatz des nördlichen Deutschlands zu¬
sammen geführt, ohne daß es bis dahin möglich erschien, diesen Waffen die
erhofften Abzugseanäle zu verschaffen, zumal die englischen, spanischen und
Portugiesischen Colonien der Einfuhr dieser Waffen verschlossen waren.

Alles dies hatte John Möller sehr wohl bedacht. Er blieb dabei: Die
Gewehre sind nicht nach Probe. Hierin ward er noch durch einige Beulen
in ein paar Flintenläufen, durch verschiedene verbogene Bajonette und einzelne
zerbrochene Ladestocke auf das Glücklichste unterstützt. Master John war aber
großmüthig. Er hatte zwar zuerst 4 Thaler für das Gewehr geboten und
an dieses Angebot sich für sechs Tage gebunden; jetzt bot er aus reiner Güte
Zi/z Thaler pro Stück.

Master John wußte am letzten Tage der Frist mit seinem Expreßschreiben
noch trefflich zu operiren. Er schrieb am 30. Juli kurzweg: „Am ersten
August habe ich Gelegenheit, die Gewehre nach Kalifornien zu senden. Nach
dem ersten August haben diese Gewehre für mich gar keinen Werth mehr."

Das wirkte. Sofort erhielt er den Zuschlag für sein Angebot.

In einem kläglichen Berichte erbat hierauf der Deputirte des Rathes
von seinen Collegen und von der Stadt gütigst die nachträgliche Genehmigung
des Handels, den er in der eilften Stunde in seiner Herzensangst mit diesem
einzigen Käufer, zu dem Preise von 3^ Thaler für das Gewehr, abgeschlossen
hatte. Und die Genehmigung ward ihm fröhlich ertheilt.

So ist es gekommen, daß tausend Gewehre, Waffen von vorzüglichem
Kaliber und im Ganzen von bester Beschaffenheit, für den Jammerpreis von
Thaler pro Stück kopfüber verhandelt sind, Gewehre, die man bei ihrem
Ankauf das Stück mit 8 Thaler bezahlt hatte.

Aber Gott sei Dank! Nun konnte man doch getrost an das Großherzog¬
liche Ministerium des Innern ergebenst berichten: „Die Bürgerwehr ist auf¬
gelöst! Die 1000 Gewehre sind verklopft!"




Keiseglossen.

Wer, aus der nordischen Tiefebene kommend, durch das deutsche Paradies
von Darmstadt bis Basel hinausfährt, der müßte ein Herz wie Stein haben,
5venu er sich nicht wie neugeboren fühlte. Wandert er gar am sonnenhellen
borgen hinein in eins der waldigen Gebirgsthäler diesseits oder jenseits des


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[0155] Bürgerwehren in den deutschen Staaten hatten große Massen von Gewehren jeden Kalibers an diesen Haupt-Exportplatz des nördlichen Deutschlands zu¬ sammen geführt, ohne daß es bis dahin möglich erschien, diesen Waffen die erhofften Abzugseanäle zu verschaffen, zumal die englischen, spanischen und Portugiesischen Colonien der Einfuhr dieser Waffen verschlossen waren. Alles dies hatte John Möller sehr wohl bedacht. Er blieb dabei: Die Gewehre sind nicht nach Probe. Hierin ward er noch durch einige Beulen in ein paar Flintenläufen, durch verschiedene verbogene Bajonette und einzelne zerbrochene Ladestocke auf das Glücklichste unterstützt. Master John war aber großmüthig. Er hatte zwar zuerst 4 Thaler für das Gewehr geboten und an dieses Angebot sich für sechs Tage gebunden; jetzt bot er aus reiner Güte Zi/z Thaler pro Stück. Master John wußte am letzten Tage der Frist mit seinem Expreßschreiben noch trefflich zu operiren. Er schrieb am 30. Juli kurzweg: „Am ersten August habe ich Gelegenheit, die Gewehre nach Kalifornien zu senden. Nach dem ersten August haben diese Gewehre für mich gar keinen Werth mehr." Das wirkte. Sofort erhielt er den Zuschlag für sein Angebot. In einem kläglichen Berichte erbat hierauf der Deputirte des Rathes von seinen Collegen und von der Stadt gütigst die nachträgliche Genehmigung des Handels, den er in der eilften Stunde in seiner Herzensangst mit diesem einzigen Käufer, zu dem Preise von 3^ Thaler für das Gewehr, abgeschlossen hatte. Und die Genehmigung ward ihm fröhlich ertheilt. So ist es gekommen, daß tausend Gewehre, Waffen von vorzüglichem Kaliber und im Ganzen von bester Beschaffenheit, für den Jammerpreis von Thaler pro Stück kopfüber verhandelt sind, Gewehre, die man bei ihrem Ankauf das Stück mit 8 Thaler bezahlt hatte. Aber Gott sei Dank! Nun konnte man doch getrost an das Großherzog¬ liche Ministerium des Innern ergebenst berichten: „Die Bürgerwehr ist auf¬ gelöst! Die 1000 Gewehre sind verklopft!" Keiseglossen. Wer, aus der nordischen Tiefebene kommend, durch das deutsche Paradies von Darmstadt bis Basel hinausfährt, der müßte ein Herz wie Stein haben, 5venu er sich nicht wie neugeboren fühlte. Wandert er gar am sonnenhellen borgen hinein in eins der waldigen Gebirgsthäler diesseits oder jenseits des

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359154/155>, abgerufen am 28.12.2024.