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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band.

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seyn an beyde genannte Herrn meinen schuldigen Dank abzustatten? mit dem
Ersuchen denselben an ihre Herrn Comitenten in meinem Namen gefällig zu
übergeben oder sollten vier besondere Schreiben an die genannten Städte
selbst nöthig seyn? in welchem Falle ich mir Aufschrift Courtoisie und Unter¬
schrift zu meiner Nachachtung erbitten würde.

Ew. Excellenz verzeihen diese fortgesetzten Beseitigungen, nicht weniger
w Betracht unserer gegenwärtigen Lage, eine vielleicht dazwischen tretende Ver¬
zögerung ja ein mögliches Versäumnis?.

Der große unerwartete Schlag von Osten her^), welcher durch seinen
Nachhall die ganze Welt erschüttert, trifft unsere Verhältnisse unmittelbar auf
das gewaltsamste. Ew. Excellenz übersehen die schmerzliche Wirkung und
empfinden das Peinliche meiner Stellung, da ich ein täglich teilnehmender
Zeuge solcher Bekümmernisse bleiben muß. Ein hoher Familienkreis, der sich
noch vor kurzem vollkommen glücklich preisen durfte, ist auf eine Weise verletzt,
die keine Aussicht auf eine völlige Wiederherstellung hoffen läßt.

Und so darf ich denn auch wohl eben in Betracht von Ew. Excellenz
wahrhafter Theilnahme zugleich erwähnen, daß ein höchst unangenehmer die
Person Serenissimi berührender Fall hinzugetreten, indem Hofrath Rehbein,
ein fürtrefflicher Arzt, welchen unser Fürst das verdienteste Vertrauen zugewen¬
det von einer tödtlichen Krankheit befallen worden, wobey wenig Hoffnung zu
völliger Genesung Raum bleibt. Viele Getreuen finden sich dadurch für ihren
Fürsten und zugleich für sich selbst besorgt in die bänglichste Verlegenheit
gesetzt.

Solche unangenehme Mittheilungen verzeihen Ew. Excellenz gewiß einem
unbegrenzten Vertrauen, denn wo sollten wir in solchen Fällen einige Linde¬
rung finden, wär es nicht indem wir uns entschließen gegen verehrte
Männer, von denen wir gleiche Gesinnungen erwarten dürfen, unsern Schmerz
laut werden zu lassen.

In vollkommenster Hochachtung mich unterzeichnend


Ew. Excellenz
ganz gehorsamsten Diener

Weimar den 28. Dezember
1826.


I. W. v. Goethe.
10.

Ew. Excellenz

geneigtes und ermunterndes Schreiben macht den Anfang meiner diesjährigen
Geschäfts Akten und würde mich lebhaft erinnern an alles, was ich im vori¬
gen Jahre vielfach schuldig geworden, wenn nicht meine dankbaren Empfin¬
dungen sich immer gleich blieben und mit dero gefälligen Theilnahme sich




l 1. Dec. 1825.
") Der Tod Alexanders I.

seyn an beyde genannte Herrn meinen schuldigen Dank abzustatten? mit dem
Ersuchen denselben an ihre Herrn Comitenten in meinem Namen gefällig zu
übergeben oder sollten vier besondere Schreiben an die genannten Städte
selbst nöthig seyn? in welchem Falle ich mir Aufschrift Courtoisie und Unter¬
schrift zu meiner Nachachtung erbitten würde.

Ew. Excellenz verzeihen diese fortgesetzten Beseitigungen, nicht weniger
w Betracht unserer gegenwärtigen Lage, eine vielleicht dazwischen tretende Ver¬
zögerung ja ein mögliches Versäumnis?.

Der große unerwartete Schlag von Osten her^), welcher durch seinen
Nachhall die ganze Welt erschüttert, trifft unsere Verhältnisse unmittelbar auf
das gewaltsamste. Ew. Excellenz übersehen die schmerzliche Wirkung und
empfinden das Peinliche meiner Stellung, da ich ein täglich teilnehmender
Zeuge solcher Bekümmernisse bleiben muß. Ein hoher Familienkreis, der sich
noch vor kurzem vollkommen glücklich preisen durfte, ist auf eine Weise verletzt,
die keine Aussicht auf eine völlige Wiederherstellung hoffen läßt.

Und so darf ich denn auch wohl eben in Betracht von Ew. Excellenz
wahrhafter Theilnahme zugleich erwähnen, daß ein höchst unangenehmer die
Person Serenissimi berührender Fall hinzugetreten, indem Hofrath Rehbein,
ein fürtrefflicher Arzt, welchen unser Fürst das verdienteste Vertrauen zugewen¬
det von einer tödtlichen Krankheit befallen worden, wobey wenig Hoffnung zu
völliger Genesung Raum bleibt. Viele Getreuen finden sich dadurch für ihren
Fürsten und zugleich für sich selbst besorgt in die bänglichste Verlegenheit
gesetzt.

Solche unangenehme Mittheilungen verzeihen Ew. Excellenz gewiß einem
unbegrenzten Vertrauen, denn wo sollten wir in solchen Fällen einige Linde¬
rung finden, wär es nicht indem wir uns entschließen gegen verehrte
Männer, von denen wir gleiche Gesinnungen erwarten dürfen, unsern Schmerz
laut werden zu lassen.

In vollkommenster Hochachtung mich unterzeichnend


Ew. Excellenz
ganz gehorsamsten Diener

Weimar den 28. Dezember
1826.


I. W. v. Goethe.
10.

Ew. Excellenz

geneigtes und ermunterndes Schreiben macht den Anfang meiner diesjährigen
Geschäfts Akten und würde mich lebhaft erinnern an alles, was ich im vori¬
gen Jahre vielfach schuldig geworden, wenn nicht meine dankbaren Empfin¬
dungen sich immer gleich blieben und mit dero gefälligen Theilnahme sich




l 1. Dec. 1825.
") Der Tod Alexanders I.
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[0279] seyn an beyde genannte Herrn meinen schuldigen Dank abzustatten? mit dem Ersuchen denselben an ihre Herrn Comitenten in meinem Namen gefällig zu übergeben oder sollten vier besondere Schreiben an die genannten Städte selbst nöthig seyn? in welchem Falle ich mir Aufschrift Courtoisie und Unter¬ schrift zu meiner Nachachtung erbitten würde. Ew. Excellenz verzeihen diese fortgesetzten Beseitigungen, nicht weniger w Betracht unserer gegenwärtigen Lage, eine vielleicht dazwischen tretende Ver¬ zögerung ja ein mögliches Versäumnis?. Der große unerwartete Schlag von Osten her^), welcher durch seinen Nachhall die ganze Welt erschüttert, trifft unsere Verhältnisse unmittelbar auf das gewaltsamste. Ew. Excellenz übersehen die schmerzliche Wirkung und empfinden das Peinliche meiner Stellung, da ich ein täglich teilnehmender Zeuge solcher Bekümmernisse bleiben muß. Ein hoher Familienkreis, der sich noch vor kurzem vollkommen glücklich preisen durfte, ist auf eine Weise verletzt, die keine Aussicht auf eine völlige Wiederherstellung hoffen läßt. Und so darf ich denn auch wohl eben in Betracht von Ew. Excellenz wahrhafter Theilnahme zugleich erwähnen, daß ein höchst unangenehmer die Person Serenissimi berührender Fall hinzugetreten, indem Hofrath Rehbein, ein fürtrefflicher Arzt, welchen unser Fürst das verdienteste Vertrauen zugewen¬ det von einer tödtlichen Krankheit befallen worden, wobey wenig Hoffnung zu völliger Genesung Raum bleibt. Viele Getreuen finden sich dadurch für ihren Fürsten und zugleich für sich selbst besorgt in die bänglichste Verlegenheit gesetzt. Solche unangenehme Mittheilungen verzeihen Ew. Excellenz gewiß einem unbegrenzten Vertrauen, denn wo sollten wir in solchen Fällen einige Linde¬ rung finden, wär es nicht indem wir uns entschließen gegen verehrte Männer, von denen wir gleiche Gesinnungen erwarten dürfen, unsern Schmerz laut werden zu lassen. In vollkommenster Hochachtung mich unterzeichnend Ew. Excellenz ganz gehorsamsten Diener Weimar den 28. Dezember 1826. I. W. v. Goethe. 10. Ew. Excellenz geneigtes und ermunterndes Schreiben macht den Anfang meiner diesjährigen Geschäfts Akten und würde mich lebhaft erinnern an alles, was ich im vori¬ gen Jahre vielfach schuldig geworden, wenn nicht meine dankbaren Empfin¬ dungen sich immer gleich blieben und mit dero gefälligen Theilnahme sich l 1. Dec. 1825. ") Der Tod Alexanders I.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359152/279>, abgerufen am 03.07.2024.