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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band.

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und Morden erst spät am Nachmittag sein Ende fand! ? Leyva selbst leitete
den Ausfall von einer Tragbahre aus und wurde auf dieser verwundet.
Gegen 5000 Schweizer und Franzosen waren schon im Strome und auf der
Flucht umgekommen, als die Spanier und Frundsberg's Knechte das fran¬
zösische Lager erreichten, wo ihnen Leyva's Truppen nur wenig Beute übrig
gelassen.*) Gesättigt von Blutvergießen verkündeten sie jetzt "guten Krieg",
und es ist ein schöner Zug deutschen Sinnes, den der schweizer Geschichts¬
schreiber Stettier aufbewahrt hat, daß die Knechte Frundsberg's den besiegten
Eidgenossen "ein entzündetes Feuerlein natürlicher Zuneigung blicken ließen",
d. h. ihnen landsmannschaftlich Frieden und Lebenszusicherung zuschrieen. In
den Liedern von der Schlacht von Pavia haben sie ihnen freilich auch manches
Hohnwort nachgerufen, das nicht eben säuberlich klingt, doch gewiß recht von
Herzen kam:


Schweizer, du sah . . ße ein treck auf d'nah
und fünfzehn in knebelparte;
ich mein, wir haben dich bar bezalt
zu Paula im tiergarten l
du sprichst, ich herum mich eigener schaut,
das ist warlich erlogen,
du hast den Franzos verloren lent und land
pist schendlich von im gestochen!

Aber auch dies Lied endet bescheiden und versöhnlich mit dem Ausruf


Allein Got die er!



Zur innern Wiedergewinnung Llsasz-Lothringens.

Elsaß-Lothringen ist dem deutschen Reich einverleibt mit Gewalt
und wider den Willen seiner Bewohner. Darüber hat man sich in
Deutschland im Ernst niemals Täuschungen hingegeben. Und auch das hat
man von Anfang an eingesehen, daß der politische Proceß, der die "innere
Wiedergewinnung" herbeiführen wird, nach Lage der Dinge nur langsam
vorwärtsgehen kann. Es ist deshalb auch im Grunde eine unnütze Mühe,
sich den etwaigen Gang dieses Processes vor Augen zu malen und annähernd
auszurechnen, von welchem Zeitpunkt an er als gewonnen betrachtet werden



-) Frundsberg's Schlachtbericht. (Hormayr: Taschenbuch für die vaterländische Ge¬
schichte, 18S0.)

und Morden erst spät am Nachmittag sein Ende fand! ? Leyva selbst leitete
den Ausfall von einer Tragbahre aus und wurde auf dieser verwundet.
Gegen 5000 Schweizer und Franzosen waren schon im Strome und auf der
Flucht umgekommen, als die Spanier und Frundsberg's Knechte das fran¬
zösische Lager erreichten, wo ihnen Leyva's Truppen nur wenig Beute übrig
gelassen.*) Gesättigt von Blutvergießen verkündeten sie jetzt „guten Krieg",
und es ist ein schöner Zug deutschen Sinnes, den der schweizer Geschichts¬
schreiber Stettier aufbewahrt hat, daß die Knechte Frundsberg's den besiegten
Eidgenossen „ein entzündetes Feuerlein natürlicher Zuneigung blicken ließen",
d. h. ihnen landsmannschaftlich Frieden und Lebenszusicherung zuschrieen. In
den Liedern von der Schlacht von Pavia haben sie ihnen freilich auch manches
Hohnwort nachgerufen, das nicht eben säuberlich klingt, doch gewiß recht von
Herzen kam:


Schweizer, du sah . . ße ein treck auf d'nah
und fünfzehn in knebelparte;
ich mein, wir haben dich bar bezalt
zu Paula im tiergarten l
du sprichst, ich herum mich eigener schaut,
das ist warlich erlogen,
du hast den Franzos verloren lent und land
pist schendlich von im gestochen!

Aber auch dies Lied endet bescheiden und versöhnlich mit dem Ausruf


Allein Got die er!



Zur innern Wiedergewinnung Llsasz-Lothringens.

Elsaß-Lothringen ist dem deutschen Reich einverleibt mit Gewalt
und wider den Willen seiner Bewohner. Darüber hat man sich in
Deutschland im Ernst niemals Täuschungen hingegeben. Und auch das hat
man von Anfang an eingesehen, daß der politische Proceß, der die „innere
Wiedergewinnung" herbeiführen wird, nach Lage der Dinge nur langsam
vorwärtsgehen kann. Es ist deshalb auch im Grunde eine unnütze Mühe,
sich den etwaigen Gang dieses Processes vor Augen zu malen und annähernd
auszurechnen, von welchem Zeitpunkt an er als gewonnen betrachtet werden



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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359152/114>, abgerufen am 22.07.2024.