Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. I. Band.des Volksdenkens und Empfindens bei unsrer bevorzugten indogermanischen "Ich hatte", sagt Gubernätis, "die niedrige Seite der Mythologie dar¬ Für alle jene Kreise, die sich mit Mythologie beschäftigen, ist Gubernätis' Mchard Wagner als Textdichter. In der an Constantin Frantz gerichteten Vorrede zu "Oper und Drama" des Volksdenkens und Empfindens bei unsrer bevorzugten indogermanischen „Ich hatte", sagt Gubernätis, „die niedrige Seite der Mythologie dar¬ Für alle jene Kreise, die sich mit Mythologie beschäftigen, ist Gubernätis' Mchard Wagner als Textdichter. In der an Constantin Frantz gerichteten Vorrede zu „Oper und Drama" <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0220" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/130864"/> <p xml:id="ID_699" prev="#ID_698"> des Volksdenkens und Empfindens bei unsrer bevorzugten indogermanischen<lb/> Race beziehen. Als Specialist hat er sich nur die Erforschung eines Theiles<lb/> der Mythologie angelegen sein lassen. „In dem primitiven Menschen, welcher<lb/> die Mythen schuf, zeigt sich dieselbe zweifache Tendenz, die wir an uns selbst<lb/> beobachten — der Instinkt, der uns mit den Thieren verbindet, und der In¬<lb/> stinkt, der uns zu der Erfassung des Göttlichen und des Idealen erhebt,"<lb/> daher überall Bilder der erhabensten Poesie, neben gemeinen und sinnlichen.<lb/> Der Gott, der Thier wird, kann seine Göttlichkeit nicht immer intakt<lb/> bewahren.</p><lb/> <p xml:id="ID_700"> „Ich hatte", sagt Gubernätis, „die niedrige Seite der Mythologie dar¬<lb/> zustellen, d. h. den Gott im Thiere; sofern nun unter den verschiedenen<lb/> mythischen Thieren, die ich besprochen habe, mehrere den geistigen Charakter<lb/> und die glänzende Seite des Gottes bewahren, werden sie gewöhnlich als die<lb/> Gestalt betrachtet, welche die Gottheit annimmt, entweder um heimlich die<lb/> verbotene Frucht zu genießen, oder um eine Strafe für ein früheres Vergehen<lb/> abzubüßen. In jedem Falle geben uns diese Gestalten nicht ein übermäßig<lb/> hohes Bild von der göttlichen Vortrefflichkeit und Herrlichkeit. Statt dem<lb/> Gotte alle Attribute der Schönheit, Güte und Stärke zugleich beizulegen, statt<lb/> in einem alle Götter, oder alle sympathischen Gewalten und Gestalten der<lb/> Natur zu vereinigen, wurde für jedes Attribut eine neue göttliche Gestalt<lb/> geschaffen. Und weil der primitive Mensch vielmehr zu Vergleichen als zu<lb/> Abstraktionen geneigt war (vergl. den Stier, den Löwen, den Tiger als Sym¬<lb/> bole der Stärke; das Lamm, den Hund, die Taube als Symbole der Güte<lb/> u. s. w.), weil es aber in seiner Sprache keine Bindewörter gab, durch welche<lb/> er hätte die beiden Glieder einer Vergleichung verbinden können, deshalb<lb/> wurde ein starker König ein Löwe, ein treuer Freund ein Hund, ein munteres<lb/> Mädchen eine Gazelle und so fort."</p><lb/> <p xml:id="ID_701"> Für alle jene Kreise, die sich mit Mythologie beschäftigen, ist Gubernätis'<lb/> Werk ein unentbehrlicher Schatz; es ist aber auch willkommen zu heißen von<lb/> allen Denen, die rieser in das geistige Leben der Völker und deren Beziehungen<lb/> zu einander eindringen wollen und deshalb für den Anthropologen wie<lb/><note type="byline"> «.</note> Ethnographen von hohem Werthe. </p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Mchard Wagner als Textdichter.</head><lb/> <p xml:id="ID_702" next="#ID_703"> In der an Constantin Frantz gerichteten Vorrede zu „Oper und Drama"<lb/> beklagt sich Wagner darüber, daß seine Bestrebungen fast nur von Musikern</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0220]
des Volksdenkens und Empfindens bei unsrer bevorzugten indogermanischen
Race beziehen. Als Specialist hat er sich nur die Erforschung eines Theiles
der Mythologie angelegen sein lassen. „In dem primitiven Menschen, welcher
die Mythen schuf, zeigt sich dieselbe zweifache Tendenz, die wir an uns selbst
beobachten — der Instinkt, der uns mit den Thieren verbindet, und der In¬
stinkt, der uns zu der Erfassung des Göttlichen und des Idealen erhebt,"
daher überall Bilder der erhabensten Poesie, neben gemeinen und sinnlichen.
Der Gott, der Thier wird, kann seine Göttlichkeit nicht immer intakt
bewahren.
„Ich hatte", sagt Gubernätis, „die niedrige Seite der Mythologie dar¬
zustellen, d. h. den Gott im Thiere; sofern nun unter den verschiedenen
mythischen Thieren, die ich besprochen habe, mehrere den geistigen Charakter
und die glänzende Seite des Gottes bewahren, werden sie gewöhnlich als die
Gestalt betrachtet, welche die Gottheit annimmt, entweder um heimlich die
verbotene Frucht zu genießen, oder um eine Strafe für ein früheres Vergehen
abzubüßen. In jedem Falle geben uns diese Gestalten nicht ein übermäßig
hohes Bild von der göttlichen Vortrefflichkeit und Herrlichkeit. Statt dem
Gotte alle Attribute der Schönheit, Güte und Stärke zugleich beizulegen, statt
in einem alle Götter, oder alle sympathischen Gewalten und Gestalten der
Natur zu vereinigen, wurde für jedes Attribut eine neue göttliche Gestalt
geschaffen. Und weil der primitive Mensch vielmehr zu Vergleichen als zu
Abstraktionen geneigt war (vergl. den Stier, den Löwen, den Tiger als Sym¬
bole der Stärke; das Lamm, den Hund, die Taube als Symbole der Güte
u. s. w.), weil es aber in seiner Sprache keine Bindewörter gab, durch welche
er hätte die beiden Glieder einer Vergleichung verbinden können, deshalb
wurde ein starker König ein Löwe, ein treuer Freund ein Hund, ein munteres
Mädchen eine Gazelle und so fort."
Für alle jene Kreise, die sich mit Mythologie beschäftigen, ist Gubernätis'
Werk ein unentbehrlicher Schatz; es ist aber auch willkommen zu heißen von
allen Denen, die rieser in das geistige Leben der Völker und deren Beziehungen
zu einander eindringen wollen und deshalb für den Anthropologen wie
«. Ethnographen von hohem Werthe.
Mchard Wagner als Textdichter.
In der an Constantin Frantz gerichteten Vorrede zu „Oper und Drama"
beklagt sich Wagner darüber, daß seine Bestrebungen fast nur von Musikern
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |