Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. I. Band."Japst und Konzil.*) Von Wilhelm Maurenbrecher. An dem heutigen historisch denkwürdigen Tage, dem Geburtstage des In diesem Augenblicke aber dürfte kaum eine Frage lebhafter Interesse ") Vortrag, gehalten in der Festsitzung der Königl. Deutschen Gesellschaft zu Königsberg, am Krönungstage, 18. Januar 1874. Grenzboten I. 1874. 2l
"Japst und Konzil.*) Von Wilhelm Maurenbrecher. An dem heutigen historisch denkwürdigen Tage, dem Geburtstage des In diesem Augenblicke aber dürfte kaum eine Frage lebhafter Interesse ") Vortrag, gehalten in der Festsitzung der Königl. Deutschen Gesellschaft zu Königsberg, am Krönungstage, 18. Januar 1874. Grenzboten I. 1874. 2l
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0167" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/130811"/> </div> <div n="1"> <head> "Japst und Konzil.*)<lb/><note type="byline"> Von Wilhelm Maurenbrecher.</note></head><lb/> <p xml:id="ID_488"> An dem heutigen historisch denkwürdigen Tage, dem Geburtstage des<lb/> preußischen Königthumes und des deutschen Kaisertumes, wird es sich em¬<lb/> pfehlen über die unsere Zeit bewegenden und erfüllenden Tendenzen zu reden.</p><lb/> <p xml:id="ID_489" next="#ID_490"> In diesem Augenblicke aber dürfte kaum eine Frage lebhafter Interesse<lb/> und Aufmerksamkeit erregen als die kirchliche in allen ihren verschiedenen Ver¬<lb/> zweigungen und Ausgestaltungen. Eine seltsame, wunderliche Wendung der<lb/> öffentlichen Meinung liegt vor: noch vor einem Jahrzehnte war die Theil¬<lb/> nahme gebildeter Kreise an kirchlichen Dingen eine geringe; auf fremdartige<lb/> Gebiete, in abgethane Dinge schien derjenige abzuschweifen, der über kirchliche<lb/> Angelegenheiten zu reden sich unterfing; heute ist mehr oder weniger alle Welt<lb/> von diesen Fragen angezogen, mehr oder weniger ist jede wichtige Angelegenheit<lb/> öffentlichen Interesses heute mit kirchlichen Tendenzen und Gesichtspunkten ver-<lb/> flochten. Und fragen wir, wie ist es dahin gekommen? was hat diesen Um¬<lb/> schwung geboren? Abgesehen von anderen Entwickelungsmomenten, deren Ein¬<lb/> fluß vielleicht herangezogen oder in Frage gestellt werde könnte, wird auf eine<lb/> Thatsache hinzuweisen sein, auf den erneuerten Angriff des römischen Kirchen-<lb/> thums gegen die moderne Erscheinung der Welt und die modernen Aeußerun¬<lb/> gen des geistigen Lebens der Menschheit. Indem das Papstthum, in all-<lb/> mäliger Kräftigung seiner Macht und seiner Mittel langsam wieder erstarkt,<lb/> mit zäher Konsequenz von einer Errungenschaft zur anderen sich wieder em¬<lb/> porgearbeitet und endlich aufs neue den Anspruch auf die Herrschaft der Welt<lb/> aus seiner mittelalterlichen Vergangenheit ins 19. Jahrhundert neu herauf¬<lb/> geführt, trat es allen Ideen und Prinzipien der Neuzeit mit feindlichem<lb/> Angriffe entgegen. Daraus sind die Bewegungen und Gegensatze entsprungen,<lb/> welche alle Welt heute mit Interesse an kirchlichen Dingen erfüllt haben.<lb/> Und wie paradox es auch klingen mag, selbst die kirchlichen Zustände auf<lb/> Protestantischen Gebiete sind durch die Vorgänge in der Nachbarkirche in Mit-</p><lb/> <note xml:id="FID_46" place="foot"> ") Vortrag, gehalten in der Festsitzung der Königl. Deutschen Gesellschaft zu Königsberg,<lb/> am Krönungstage, 18. Januar 1874.</note><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten I. 1874. 2l</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0167]
"Japst und Konzil.*)
Von Wilhelm Maurenbrecher.
An dem heutigen historisch denkwürdigen Tage, dem Geburtstage des
preußischen Königthumes und des deutschen Kaisertumes, wird es sich em¬
pfehlen über die unsere Zeit bewegenden und erfüllenden Tendenzen zu reden.
In diesem Augenblicke aber dürfte kaum eine Frage lebhafter Interesse
und Aufmerksamkeit erregen als die kirchliche in allen ihren verschiedenen Ver¬
zweigungen und Ausgestaltungen. Eine seltsame, wunderliche Wendung der
öffentlichen Meinung liegt vor: noch vor einem Jahrzehnte war die Theil¬
nahme gebildeter Kreise an kirchlichen Dingen eine geringe; auf fremdartige
Gebiete, in abgethane Dinge schien derjenige abzuschweifen, der über kirchliche
Angelegenheiten zu reden sich unterfing; heute ist mehr oder weniger alle Welt
von diesen Fragen angezogen, mehr oder weniger ist jede wichtige Angelegenheit
öffentlichen Interesses heute mit kirchlichen Tendenzen und Gesichtspunkten ver-
flochten. Und fragen wir, wie ist es dahin gekommen? was hat diesen Um¬
schwung geboren? Abgesehen von anderen Entwickelungsmomenten, deren Ein¬
fluß vielleicht herangezogen oder in Frage gestellt werde könnte, wird auf eine
Thatsache hinzuweisen sein, auf den erneuerten Angriff des römischen Kirchen-
thums gegen die moderne Erscheinung der Welt und die modernen Aeußerun¬
gen des geistigen Lebens der Menschheit. Indem das Papstthum, in all-
mäliger Kräftigung seiner Macht und seiner Mittel langsam wieder erstarkt,
mit zäher Konsequenz von einer Errungenschaft zur anderen sich wieder em¬
porgearbeitet und endlich aufs neue den Anspruch auf die Herrschaft der Welt
aus seiner mittelalterlichen Vergangenheit ins 19. Jahrhundert neu herauf¬
geführt, trat es allen Ideen und Prinzipien der Neuzeit mit feindlichem
Angriffe entgegen. Daraus sind die Bewegungen und Gegensatze entsprungen,
welche alle Welt heute mit Interesse an kirchlichen Dingen erfüllt haben.
Und wie paradox es auch klingen mag, selbst die kirchlichen Zustände auf
Protestantischen Gebiete sind durch die Vorgänge in der Nachbarkirche in Mit-
") Vortrag, gehalten in der Festsitzung der Königl. Deutschen Gesellschaft zu Königsberg,
am Krönungstage, 18. Januar 1874.
Grenzboten I. 1874. 2l
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |