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Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. I. Band.

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Die "Metzer Zeitung", das national-deutsche, trefflich redigirte Blatt der
Hauptstadt Deutsch-Lothringens, hat in den letzten Wochen eine Reihe Briefe
aus Luxemburg, aus der Feder unsres Pseudonymen Mitbürgers, des Herrn
Hilarius Jocundus, gebracht, welche ungewöhnliches Aussehen erregt haben.
Eine ganze Anzahl süddeutscher Blätter und nach ihnen sogar die "Nordd.
Allg. Zeitung" stellten diesen "gepfefferter Briefen" das Zeugniß aus, daß
sie die luxemburgischen Zustände mit größter Sachkenntniß und unerbittlicher
Schärfe darstellten. Dieses Urtheil ist gewiß zutreffend. Man braucht nur
die Organe unsrer Schwarzen und Rothen, das "Wort für Wahrheit und
Recht", das Jesuitenblatt, oder die Jndchendance Luxembourgeoise" (die vor¬
dem "^Internationale" hieß) zu lesen, um das Urtheil bestätigt zu finden.
Wenn diese edeln Blätter fuchsteufelswild werden über Schilderungen, die
über unser Reich in fremde Blätter "fremder" Nationen dringen -- worunter
wir vorzugsweise immer die deutsche Nation, "den Preuß" verstehen -- so
kann man ganz sicher sein, daß die Schilderungen treu und wahr, wenn auch
abschreckend, sind, und daß die Hiebe gesessen haben. Herr Hilarius Joeundus
führt eine schneidige Klinge, manchmal auch einen derben Knotenstock. Er
ist nicht übermäßig fein in Wort und Bild. Er schreibt unter der sehr durch¬
sichtigen Maske eines streng ultramontanen Fransquillons, der leidenschaft¬
licher Luxemburger ist -- und sonst nichts. Aber die Verkleidung ist ihm
nicht auf den Leib geschnitten. Ueberall schaut der deutsche Schalk hinter der
Jesuitenrobe oder der französischen Modetoilette hervor, und es ist eben doch
Hilarius Jocundus, der schreibt. Wer ist Hilarius Jocundus? Wir haben
darüber, wie Falstaff, als Pseudo-Heinrich IV. von der legitimen Geburt des
Prinzen Heinz sagt, theils seiner Mutter Wort und theils unsre eigene Mei¬
nung. Aber, wenn wir's genau wüßten, wir thäten dem "Wort" und der
"Jndependänce" und der vornehm schmollenden "Luxemburger Zeitung" oben¬
drein noch lange nicht die Liebe an es zu sagen, zumal da bis in die letzten
Tage hinein wieder luxemburger Briefe des Pseudonymen Herrn in der "Metzer
Zeitung" erschienen sind. Wozu auch Namen? Namen sind uns Dunst. Aber
die Dinge und Personen, die Hilarius Jocundus gegeißelt hat, verdienen wol
eingehende Erwähnung und Beachtung in weitesten Kreisen.

Die scheinbar verschiedenartigsten Dinge zieht Hilarius -- wir nennen
den sonderbaren Heiligen beim Bornamen, wie das die Heiligen gewohnt sind
^- in den Kreis seiner Betrachtungen. Die heterogensten Stoffe sind oft in
einem einzigen der kurzen Briefe durchetnandergeworfen. Er spricht von unsrer
Neutralität und von unsrer Banknotenpresse, vom Teufel der Jesuiten und


Grenzboten 1873. in. ^

Die „Metzer Zeitung", das national-deutsche, trefflich redigirte Blatt der
Hauptstadt Deutsch-Lothringens, hat in den letzten Wochen eine Reihe Briefe
aus Luxemburg, aus der Feder unsres Pseudonymen Mitbürgers, des Herrn
Hilarius Jocundus, gebracht, welche ungewöhnliches Aussehen erregt haben.
Eine ganze Anzahl süddeutscher Blätter und nach ihnen sogar die „Nordd.
Allg. Zeitung" stellten diesen „gepfefferter Briefen" das Zeugniß aus, daß
sie die luxemburgischen Zustände mit größter Sachkenntniß und unerbittlicher
Schärfe darstellten. Dieses Urtheil ist gewiß zutreffend. Man braucht nur
die Organe unsrer Schwarzen und Rothen, das „Wort für Wahrheit und
Recht", das Jesuitenblatt, oder die Jndchendance Luxembourgeoise" (die vor¬
dem „^Internationale" hieß) zu lesen, um das Urtheil bestätigt zu finden.
Wenn diese edeln Blätter fuchsteufelswild werden über Schilderungen, die
über unser Reich in fremde Blätter „fremder" Nationen dringen — worunter
wir vorzugsweise immer die deutsche Nation, „den Preuß" verstehen — so
kann man ganz sicher sein, daß die Schilderungen treu und wahr, wenn auch
abschreckend, sind, und daß die Hiebe gesessen haben. Herr Hilarius Joeundus
führt eine schneidige Klinge, manchmal auch einen derben Knotenstock. Er
ist nicht übermäßig fein in Wort und Bild. Er schreibt unter der sehr durch¬
sichtigen Maske eines streng ultramontanen Fransquillons, der leidenschaft¬
licher Luxemburger ist — und sonst nichts. Aber die Verkleidung ist ihm
nicht auf den Leib geschnitten. Ueberall schaut der deutsche Schalk hinter der
Jesuitenrobe oder der französischen Modetoilette hervor, und es ist eben doch
Hilarius Jocundus, der schreibt. Wer ist Hilarius Jocundus? Wir haben
darüber, wie Falstaff, als Pseudo-Heinrich IV. von der legitimen Geburt des
Prinzen Heinz sagt, theils seiner Mutter Wort und theils unsre eigene Mei¬
nung. Aber, wenn wir's genau wüßten, wir thäten dem „Wort" und der
„Jndependänce" und der vornehm schmollenden „Luxemburger Zeitung" oben¬
drein noch lange nicht die Liebe an es zu sagen, zumal da bis in die letzten
Tage hinein wieder luxemburger Briefe des Pseudonymen Herrn in der „Metzer
Zeitung" erschienen sind. Wozu auch Namen? Namen sind uns Dunst. Aber
die Dinge und Personen, die Hilarius Jocundus gegeißelt hat, verdienen wol
eingehende Erwähnung und Beachtung in weitesten Kreisen.

Die scheinbar verschiedenartigsten Dinge zieht Hilarius — wir nennen
den sonderbaren Heiligen beim Bornamen, wie das die Heiligen gewohnt sind
^- in den Kreis seiner Betrachtungen. Die heterogensten Stoffe sind oft in
einem einzigen der kurzen Briefe durchetnandergeworfen. Er spricht von unsrer
Neutralität und von unsrer Banknotenpresse, vom Teufel der Jesuiten und


Grenzboten 1873. in. ^
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[0321] Die „Metzer Zeitung", das national-deutsche, trefflich redigirte Blatt der Hauptstadt Deutsch-Lothringens, hat in den letzten Wochen eine Reihe Briefe aus Luxemburg, aus der Feder unsres Pseudonymen Mitbürgers, des Herrn Hilarius Jocundus, gebracht, welche ungewöhnliches Aussehen erregt haben. Eine ganze Anzahl süddeutscher Blätter und nach ihnen sogar die „Nordd. Allg. Zeitung" stellten diesen „gepfefferter Briefen" das Zeugniß aus, daß sie die luxemburgischen Zustände mit größter Sachkenntniß und unerbittlicher Schärfe darstellten. Dieses Urtheil ist gewiß zutreffend. Man braucht nur die Organe unsrer Schwarzen und Rothen, das „Wort für Wahrheit und Recht", das Jesuitenblatt, oder die Jndchendance Luxembourgeoise" (die vor¬ dem „^Internationale" hieß) zu lesen, um das Urtheil bestätigt zu finden. Wenn diese edeln Blätter fuchsteufelswild werden über Schilderungen, die über unser Reich in fremde Blätter „fremder" Nationen dringen — worunter wir vorzugsweise immer die deutsche Nation, „den Preuß" verstehen — so kann man ganz sicher sein, daß die Schilderungen treu und wahr, wenn auch abschreckend, sind, und daß die Hiebe gesessen haben. Herr Hilarius Joeundus führt eine schneidige Klinge, manchmal auch einen derben Knotenstock. Er ist nicht übermäßig fein in Wort und Bild. Er schreibt unter der sehr durch¬ sichtigen Maske eines streng ultramontanen Fransquillons, der leidenschaft¬ licher Luxemburger ist — und sonst nichts. Aber die Verkleidung ist ihm nicht auf den Leib geschnitten. Ueberall schaut der deutsche Schalk hinter der Jesuitenrobe oder der französischen Modetoilette hervor, und es ist eben doch Hilarius Jocundus, der schreibt. Wer ist Hilarius Jocundus? Wir haben darüber, wie Falstaff, als Pseudo-Heinrich IV. von der legitimen Geburt des Prinzen Heinz sagt, theils seiner Mutter Wort und theils unsre eigene Mei¬ nung. Aber, wenn wir's genau wüßten, wir thäten dem „Wort" und der „Jndependänce" und der vornehm schmollenden „Luxemburger Zeitung" oben¬ drein noch lange nicht die Liebe an es zu sagen, zumal da bis in die letzten Tage hinein wieder luxemburger Briefe des Pseudonymen Herrn in der „Metzer Zeitung" erschienen sind. Wozu auch Namen? Namen sind uns Dunst. Aber die Dinge und Personen, die Hilarius Jocundus gegeißelt hat, verdienen wol eingehende Erwähnung und Beachtung in weitesten Kreisen. Die scheinbar verschiedenartigsten Dinge zieht Hilarius — wir nennen den sonderbaren Heiligen beim Bornamen, wie das die Heiligen gewohnt sind ^- in den Kreis seiner Betrachtungen. Die heterogensten Stoffe sind oft in einem einzigen der kurzen Briefe durchetnandergeworfen. Er spricht von unsrer Neutralität und von unsrer Banknotenpresse, vom Teufel der Jesuiten und Grenzboten 1873. in. ^

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_192802/321>, abgerufen am 05.02.2025.