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Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. I. Band.

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von ist im größeren Publikum, welches die Grenzen der Wirksamkeit der Ge¬
setze nicht genau kennt, und eine rechtliche Verantwortlichkeit oft da an¬
nimmt, wo nur eine moralische Verantwortlichkeit besteht, eine richtige Ansicht
selten vorhanden. Gar Mancher glaubt, daß die Versicherung des Goldwaa¬
renverkäufers, ein Gegenstand bestehe aus "gutem Golde", die Garantie eines
besseren Feingehaltes enthalte. Und doch würde eine Klage, welche, auf diese
Aeußerung gestützt, Schadenersatz wegen Lieferung geringhaltiger Goldwaare
forderte, abgewiesen werden müssen, da §. 906 des Sächsischen bürgerlichen
Gesetzbuches (in Uebereinstimmung mit den Quellen des gemeinen Rechtes)
bestimmt: "Allgemeine Anpreisungen (das Gesetz versteht hierunter solche,
welche eine Zusicherung bestimmter Eigenschaften, d. h. des NichtVorhan¬
denseins bestimmter Mängel oder des Vorhandenseins bestimmter Vorzüge,
nicht enthalten) begründen keine Haftpflicht auf Grund eines Versprechens."
Noch weniger ist in solchen Fällen ein criminell strafbarer Betrug anzu-
nehmen. Das Publikum ist daher beim Kaufe von Gold- und Silberwaaren
weit mehr, als in anderen Geschäftszweigen, auf die Redlichkeit und das bloße
Wort des Verkäufers angewiesen. Die Prüfung des Feingehaltes durch die
Strichprobe reicht bei den neueren Fortschritten der Legirungstechnik nicht
mehr aus. Namentlich bei Silberwaaren versteht man jetzt, durch Beimischung
von Nickel geringhaltigen Legirungen den Anschein hochhaltiger zu verleihen.
Eine wirklich zuverlässigePrüfung kann in den meisten Fällen nur durch Abschmel-
zung eines Stückes erfolgen, also durch einen Prozeß, der den Gegenstand
selbst theilweise zerstört. Eine solche Prüfung findet aber meist erst dann
statt, wenn ein Gegenstand nach längerem Gebrauche, oft genug nach mehr¬
maligem Wechsel des Besitzers als Bruchmetall veräußert wird. Hier kommt
aber die Erkenntniß regelmäßig zu spät. Denn wenn der Gegenstand aus einem
Lande stammte, in welchem eine gesetzliche Verpflichtung zur Abstempelung
mit Firma und Feingehaltsnummer nicht galt^ dann wird der Beweis, daß
er von einem bestimmten Händler zu einem bestimmten Feingehalte verkauft
wurde, nur sehr schwer zu erbringen sein. Und selbst wenn dieser schwierige
Beweis möglich sein sollte, wird die Verjährung oft genug die Geltend-
Machung des Anspruches verhindern, da Gold- und Silbersachen in den mei¬
sten Fällen einen langedauernden Gebrauch gestatten.


e, Die Bedeutung der Gold- und Silberwaaren für das
B olksvermögen.

Der Umfang des Gebrauches von Edelmetallwaaren ist im Norden
Deutschlands allerdings bedeutend geringer als in manchen anderen, insbe¬
sondere katholischen Gegenden. Das Silber findet sich meist nur zu Gegen-
ständen des häuslichen Gebrauches, Löffeln, Gabeln, Messerheften, Zuckerdosen.
Kannen und Bechern verarbeitet, während silberne Kandelaber und Tafelauf-


von ist im größeren Publikum, welches die Grenzen der Wirksamkeit der Ge¬
setze nicht genau kennt, und eine rechtliche Verantwortlichkeit oft da an¬
nimmt, wo nur eine moralische Verantwortlichkeit besteht, eine richtige Ansicht
selten vorhanden. Gar Mancher glaubt, daß die Versicherung des Goldwaa¬
renverkäufers, ein Gegenstand bestehe aus „gutem Golde", die Garantie eines
besseren Feingehaltes enthalte. Und doch würde eine Klage, welche, auf diese
Aeußerung gestützt, Schadenersatz wegen Lieferung geringhaltiger Goldwaare
forderte, abgewiesen werden müssen, da §. 906 des Sächsischen bürgerlichen
Gesetzbuches (in Uebereinstimmung mit den Quellen des gemeinen Rechtes)
bestimmt: „Allgemeine Anpreisungen (das Gesetz versteht hierunter solche,
welche eine Zusicherung bestimmter Eigenschaften, d. h. des NichtVorhan¬
denseins bestimmter Mängel oder des Vorhandenseins bestimmter Vorzüge,
nicht enthalten) begründen keine Haftpflicht auf Grund eines Versprechens."
Noch weniger ist in solchen Fällen ein criminell strafbarer Betrug anzu-
nehmen. Das Publikum ist daher beim Kaufe von Gold- und Silberwaaren
weit mehr, als in anderen Geschäftszweigen, auf die Redlichkeit und das bloße
Wort des Verkäufers angewiesen. Die Prüfung des Feingehaltes durch die
Strichprobe reicht bei den neueren Fortschritten der Legirungstechnik nicht
mehr aus. Namentlich bei Silberwaaren versteht man jetzt, durch Beimischung
von Nickel geringhaltigen Legirungen den Anschein hochhaltiger zu verleihen.
Eine wirklich zuverlässigePrüfung kann in den meisten Fällen nur durch Abschmel-
zung eines Stückes erfolgen, also durch einen Prozeß, der den Gegenstand
selbst theilweise zerstört. Eine solche Prüfung findet aber meist erst dann
statt, wenn ein Gegenstand nach längerem Gebrauche, oft genug nach mehr¬
maligem Wechsel des Besitzers als Bruchmetall veräußert wird. Hier kommt
aber die Erkenntniß regelmäßig zu spät. Denn wenn der Gegenstand aus einem
Lande stammte, in welchem eine gesetzliche Verpflichtung zur Abstempelung
mit Firma und Feingehaltsnummer nicht galt^ dann wird der Beweis, daß
er von einem bestimmten Händler zu einem bestimmten Feingehalte verkauft
wurde, nur sehr schwer zu erbringen sein. Und selbst wenn dieser schwierige
Beweis möglich sein sollte, wird die Verjährung oft genug die Geltend-
Machung des Anspruches verhindern, da Gold- und Silbersachen in den mei¬
sten Fällen einen langedauernden Gebrauch gestatten.


e, Die Bedeutung der Gold- und Silberwaaren für das
B olksvermögen.

Der Umfang des Gebrauches von Edelmetallwaaren ist im Norden
Deutschlands allerdings bedeutend geringer als in manchen anderen, insbe¬
sondere katholischen Gegenden. Das Silber findet sich meist nur zu Gegen-
ständen des häuslichen Gebrauches, Löffeln, Gabeln, Messerheften, Zuckerdosen.
Kannen und Bechern verarbeitet, während silberne Kandelaber und Tafelauf-


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[0315] von ist im größeren Publikum, welches die Grenzen der Wirksamkeit der Ge¬ setze nicht genau kennt, und eine rechtliche Verantwortlichkeit oft da an¬ nimmt, wo nur eine moralische Verantwortlichkeit besteht, eine richtige Ansicht selten vorhanden. Gar Mancher glaubt, daß die Versicherung des Goldwaa¬ renverkäufers, ein Gegenstand bestehe aus „gutem Golde", die Garantie eines besseren Feingehaltes enthalte. Und doch würde eine Klage, welche, auf diese Aeußerung gestützt, Schadenersatz wegen Lieferung geringhaltiger Goldwaare forderte, abgewiesen werden müssen, da §. 906 des Sächsischen bürgerlichen Gesetzbuches (in Uebereinstimmung mit den Quellen des gemeinen Rechtes) bestimmt: „Allgemeine Anpreisungen (das Gesetz versteht hierunter solche, welche eine Zusicherung bestimmter Eigenschaften, d. h. des NichtVorhan¬ denseins bestimmter Mängel oder des Vorhandenseins bestimmter Vorzüge, nicht enthalten) begründen keine Haftpflicht auf Grund eines Versprechens." Noch weniger ist in solchen Fällen ein criminell strafbarer Betrug anzu- nehmen. Das Publikum ist daher beim Kaufe von Gold- und Silberwaaren weit mehr, als in anderen Geschäftszweigen, auf die Redlichkeit und das bloße Wort des Verkäufers angewiesen. Die Prüfung des Feingehaltes durch die Strichprobe reicht bei den neueren Fortschritten der Legirungstechnik nicht mehr aus. Namentlich bei Silberwaaren versteht man jetzt, durch Beimischung von Nickel geringhaltigen Legirungen den Anschein hochhaltiger zu verleihen. Eine wirklich zuverlässigePrüfung kann in den meisten Fällen nur durch Abschmel- zung eines Stückes erfolgen, also durch einen Prozeß, der den Gegenstand selbst theilweise zerstört. Eine solche Prüfung findet aber meist erst dann statt, wenn ein Gegenstand nach längerem Gebrauche, oft genug nach mehr¬ maligem Wechsel des Besitzers als Bruchmetall veräußert wird. Hier kommt aber die Erkenntniß regelmäßig zu spät. Denn wenn der Gegenstand aus einem Lande stammte, in welchem eine gesetzliche Verpflichtung zur Abstempelung mit Firma und Feingehaltsnummer nicht galt^ dann wird der Beweis, daß er von einem bestimmten Händler zu einem bestimmten Feingehalte verkauft wurde, nur sehr schwer zu erbringen sein. Und selbst wenn dieser schwierige Beweis möglich sein sollte, wird die Verjährung oft genug die Geltend- Machung des Anspruches verhindern, da Gold- und Silbersachen in den mei¬ sten Fällen einen langedauernden Gebrauch gestatten. e, Die Bedeutung der Gold- und Silberwaaren für das B olksvermögen. Der Umfang des Gebrauches von Edelmetallwaaren ist im Norden Deutschlands allerdings bedeutend geringer als in manchen anderen, insbe¬ sondere katholischen Gegenden. Das Silber findet sich meist nur zu Gegen- ständen des häuslichen Gebrauches, Löffeln, Gabeln, Messerheften, Zuckerdosen. Kannen und Bechern verarbeitet, während silberne Kandelaber und Tafelauf-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_192802/315>, abgerufen am 05.02.2025.