Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. I. Band.20,989 Pfötchen mit dem Lineal, 136,715 "Handschmisse". 10.233 Manl- Stand es somit um die Dorfschulen schlecht, (also um den Un¬ Dies die trübe Seite der Ansicht vom deutschen Schulwesen im vorigen Am schlimmsten steht es auf dem Gebiete des Unterrichtswesens. Durch 20,989 Pfötchen mit dem Lineal, 136,715 „Handschmisse". 10.233 Manl- Stand es somit um die Dorfschulen schlecht, (also um den Un¬ Dies die trübe Seite der Ansicht vom deutschen Schulwesen im vorigen Am schlimmsten steht es auf dem Gebiete des Unterrichtswesens. Durch <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0163" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/192966"/> <p xml:id="ID_504" prev="#ID_503"> 20,989 Pfötchen mit dem Lineal, 136,715 „Handschmisse". 10.233 Manl-<lb/> schellen und 7905 Ohrfeigen (eine uns nicht ganz klare feine Nuance) 1,113000<lb/> Kopfnüsse, 22,763 Notabenes (wohl auch auf den Kopf) mit Bibel, Gesang¬<lb/> buch u. s. w., 777 mal auf Erbsen knieen. 613 mal dito auf einem dreikan¬<lb/> tigen scharfen Holze, 3001 Esel tragen, 1707 Ruthen hoch halten lassen.<lb/> An Schimpfwörtern besaß der glückliche Mann einen Vorrath von 3000.<lb/> darunter ^ angestaunt schwäbische, '/z importirte fremde. Offenbar ist<lb/> dies eine satirische Uebertreibung, die indeß von der Wahrheit doch nicht all-<lb/> zufern sein mochte. Jedenfalls war die Ermahnung nicht überflüssig, die sich<lb/> in einem preußischen Schulreglement von 1782 findet: „Stock und Ruthe sind<lb/> bei Weitem die einzigen Mittel der Besserung nicht."</p><lb/> <p xml:id="ID_505"> Stand es somit um die Dorfschulen schlecht, (also um den Un¬<lb/> terricht des namentlich damals weitaus größten Bruchtheiles der Bevöl¬<lb/> kerung eines Landes), so fand sich in den Städten ebenfalls eine bedenkliche<lb/> Abnormität wieder anderer Art. Hier gab es meist bis gegen oder über das<lb/> Ende des 18. Jahrhunderts hinaus lediglich sog. „lateinische Schulen", worin<lb/> nußer den Elementarkenntnissen auch Latein, wohl gar Griechisch gelehrt wurde,<lb/> wogegen es an Realien, wie Geographie, Geschichte u. f. w, in der Regel gänzlich<lb/> fehlte. Wir citirten oben einen Ausspruch von Zedlitz über die mangelhafte Bil¬<lb/> dung der Bauern; er setzt hinzu: „den künftigen Schneider dagegen erzieht man<lb/> wie einen künftigen Schulrector, lehrt ihn Latein, Griechisch, Dogmatik." Die<lb/> Bürgerschulen, in denen man auf die Bildungsbedürfnisse der Mittelklassen<lb/> oder der sog. („Nichtstudirten") Rücksicht nahm, sind zumeist erst eine Errun¬<lb/> genschaft des jetzigen Jahrhunderts. Nur zu der „Realschule", als einer höhern<lb/> bürgerlichen Lehranstalt mit vorwiegend realistischem, fürs Leben brauchba¬<lb/> rem Unterrichtsstoff, war schon in den Franke'schen Anstalten der Grund ge¬<lb/> legt, der erste selbständige Anfang 1746 in Berlin durch Hecker gemacht<lb/> worden.</p><lb/> <p xml:id="ID_506"> Dies die trübe Seite der Ansicht vom deutschen Schulwesen im vorigen<lb/> Jahrhundert. Aber es giebt auch eine lichtere. Das sind die im letzten<lb/> Drittel oder Viertel des vorigen Jahrhunderts hervortretenden Bestrebungen<lb/> zur Hebung des Schulwesens und ganz besonders des Volksschulwesens auf<lb/> dem Lande. Von diesen berichten wir in einem besonderen Artikel.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> <div n="1"> <head> </head><lb/> <p xml:id="ID_507" next="#ID_508"> Am schlimmsten steht es auf dem Gebiete des Unterrichtswesens. Durch<lb/> das Gesetz vom Jahr 1862, mehr aber noch durch eine Ministerialpraris,</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0163]
20,989 Pfötchen mit dem Lineal, 136,715 „Handschmisse". 10.233 Manl-
schellen und 7905 Ohrfeigen (eine uns nicht ganz klare feine Nuance) 1,113000
Kopfnüsse, 22,763 Notabenes (wohl auch auf den Kopf) mit Bibel, Gesang¬
buch u. s. w., 777 mal auf Erbsen knieen. 613 mal dito auf einem dreikan¬
tigen scharfen Holze, 3001 Esel tragen, 1707 Ruthen hoch halten lassen.
An Schimpfwörtern besaß der glückliche Mann einen Vorrath von 3000.
darunter ^ angestaunt schwäbische, '/z importirte fremde. Offenbar ist
dies eine satirische Uebertreibung, die indeß von der Wahrheit doch nicht all-
zufern sein mochte. Jedenfalls war die Ermahnung nicht überflüssig, die sich
in einem preußischen Schulreglement von 1782 findet: „Stock und Ruthe sind
bei Weitem die einzigen Mittel der Besserung nicht."
Stand es somit um die Dorfschulen schlecht, (also um den Un¬
terricht des namentlich damals weitaus größten Bruchtheiles der Bevöl¬
kerung eines Landes), so fand sich in den Städten ebenfalls eine bedenkliche
Abnormität wieder anderer Art. Hier gab es meist bis gegen oder über das
Ende des 18. Jahrhunderts hinaus lediglich sog. „lateinische Schulen", worin
nußer den Elementarkenntnissen auch Latein, wohl gar Griechisch gelehrt wurde,
wogegen es an Realien, wie Geographie, Geschichte u. f. w, in der Regel gänzlich
fehlte. Wir citirten oben einen Ausspruch von Zedlitz über die mangelhafte Bil¬
dung der Bauern; er setzt hinzu: „den künftigen Schneider dagegen erzieht man
wie einen künftigen Schulrector, lehrt ihn Latein, Griechisch, Dogmatik." Die
Bürgerschulen, in denen man auf die Bildungsbedürfnisse der Mittelklassen
oder der sog. („Nichtstudirten") Rücksicht nahm, sind zumeist erst eine Errun¬
genschaft des jetzigen Jahrhunderts. Nur zu der „Realschule", als einer höhern
bürgerlichen Lehranstalt mit vorwiegend realistischem, fürs Leben brauchba¬
rem Unterrichtsstoff, war schon in den Franke'schen Anstalten der Grund ge¬
legt, der erste selbständige Anfang 1746 in Berlin durch Hecker gemacht
worden.
Dies die trübe Seite der Ansicht vom deutschen Schulwesen im vorigen
Jahrhundert. Aber es giebt auch eine lichtere. Das sind die im letzten
Drittel oder Viertel des vorigen Jahrhunderts hervortretenden Bestrebungen
zur Hebung des Schulwesens und ganz besonders des Volksschulwesens auf
dem Lande. Von diesen berichten wir in einem besonderen Artikel.
Am schlimmsten steht es auf dem Gebiete des Unterrichtswesens. Durch
das Gesetz vom Jahr 1862, mehr aber noch durch eine Ministerialpraris,
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