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Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band.

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Wir wiesen schon vorher darauf hin, daß Kruse in richtiger poetischer Em¬
pfindung das persönliche Element zu dem politischen hinzugefügt und so
für das Drama die Kette der Motive fester geschlossen hat. Ein Vorgefühl
des Unterganges vermag Moritz nicht zu unterdrücken. Dennoch ist er per¬
sönlich in die Schlacht gezogen.

"Ich habe nicht bloß mich zu schützen, nein,

Das ganze deutsche Vaterland."

"Ich bin der größte, kriegserfahrenste

Der deutschen Fürsten jetzt. Ich muß des Reichs,

Ich muß des armen Mannes mich erbarmen.

Ich muß auch ohne Namen Kaiser sein."


Zum Tode getroffen, wirft er auf sein Leben den Rückblick:

"Gottlob, ich habe nicht umsonst gelebt!
Mein Leben hab' ich nicht verspielt, versäumt.
In großen, würdigen Entwürfen hab' ich
Es hingebracht, und alle glückten mir
Durch Gottes gnädige Barmherzigkeit,
Den Bund allein, den schlimmsten, zu besiegen
Der Dummheit und der Bosheit schlug mir fehl,
Und alle Lästerzungen stechen mich."


Doch Karlowitz bezeugt ihm darauf:

"Du hast das Joch Germaniens zerbrochen,
Die Freiheit gabst Du den Gewissen wieder,
Und jetzt verließest Du aus freiem Trieb
Dein Weib, Dein Kind, den prächtigen Palast,
Des armen Mannes Hütten zu beschirmen.
Und in den ersten Reihen männlich streitend,
Ein Fürst und Ritter, wenn es einen gab.
Stirbst Du den süßen Tod sür's Vaterland
Ein großes, schönes Leben schön besiegelnd/'


Die Schlußrede Karlowitz' lautet:

"Ruh, junger Held, gebettet in dem Sieg!
Nechtfert'gen muß Dich Jeder, welcher Dich
Begreifen kann, sind ihrer auch nicht viel;
Doch Alle müssen, Alle. Freund und Feind,
Moritz von Sachsen lieben und bewundern
Und Dich beklagen, junger freud'gar Held!"

Man wird bemerkt haben schon aus den wenigen Citaten, daß Kruse
über eine kräftige, schöne Sprache verfügt. Angemessen, kurz, schlagend ist sein
Ausdruck -- von dem Phrasengeklingel, das gerade in historischen Dramen
uns zu verfolgen und zu peinigen liebt, ist bei ihm keine Spur aufzutreiben.
Aecht poetisch ist vielmehr sein Styl, und wo es hingehört, auch pathetisch
und gehoben. Im Ganzen ist sein Buch eine erquickende und erfreuende Lec-
ture, die drei ersten Akte geradezu eine hervorragende, meisterhafte Leistung.
Sie werden auch auf der Bühne von guter Wirkung sein. Ob das Ganze als


Wir wiesen schon vorher darauf hin, daß Kruse in richtiger poetischer Em¬
pfindung das persönliche Element zu dem politischen hinzugefügt und so
für das Drama die Kette der Motive fester geschlossen hat. Ein Vorgefühl
des Unterganges vermag Moritz nicht zu unterdrücken. Dennoch ist er per¬
sönlich in die Schlacht gezogen.

„Ich habe nicht bloß mich zu schützen, nein,

Das ganze deutsche Vaterland."

„Ich bin der größte, kriegserfahrenste

Der deutschen Fürsten jetzt. Ich muß des Reichs,

Ich muß des armen Mannes mich erbarmen.

Ich muß auch ohne Namen Kaiser sein."


Zum Tode getroffen, wirft er auf sein Leben den Rückblick:

„Gottlob, ich habe nicht umsonst gelebt!
Mein Leben hab' ich nicht verspielt, versäumt.
In großen, würdigen Entwürfen hab' ich
Es hingebracht, und alle glückten mir
Durch Gottes gnädige Barmherzigkeit,
Den Bund allein, den schlimmsten, zu besiegen
Der Dummheit und der Bosheit schlug mir fehl,
Und alle Lästerzungen stechen mich."


Doch Karlowitz bezeugt ihm darauf:

„Du hast das Joch Germaniens zerbrochen,
Die Freiheit gabst Du den Gewissen wieder,
Und jetzt verließest Du aus freiem Trieb
Dein Weib, Dein Kind, den prächtigen Palast,
Des armen Mannes Hütten zu beschirmen.
Und in den ersten Reihen männlich streitend,
Ein Fürst und Ritter, wenn es einen gab.
Stirbst Du den süßen Tod sür's Vaterland
Ein großes, schönes Leben schön besiegelnd/'


Die Schlußrede Karlowitz' lautet:

„Ruh, junger Held, gebettet in dem Sieg!
Nechtfert'gen muß Dich Jeder, welcher Dich
Begreifen kann, sind ihrer auch nicht viel;
Doch Alle müssen, Alle. Freund und Feind,
Moritz von Sachsen lieben und bewundern
Und Dich beklagen, junger freud'gar Held!"

Man wird bemerkt haben schon aus den wenigen Citaten, daß Kruse
über eine kräftige, schöne Sprache verfügt. Angemessen, kurz, schlagend ist sein
Ausdruck — von dem Phrasengeklingel, das gerade in historischen Dramen
uns zu verfolgen und zu peinigen liebt, ist bei ihm keine Spur aufzutreiben.
Aecht poetisch ist vielmehr sein Styl, und wo es hingehört, auch pathetisch
und gehoben. Im Ganzen ist sein Buch eine erquickende und erfreuende Lec-
ture, die drei ersten Akte geradezu eine hervorragende, meisterhafte Leistung.
Sie werden auch auf der Bühne von guter Wirkung sein. Ob das Ganze als


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[0060] Wir wiesen schon vorher darauf hin, daß Kruse in richtiger poetischer Em¬ pfindung das persönliche Element zu dem politischen hinzugefügt und so für das Drama die Kette der Motive fester geschlossen hat. Ein Vorgefühl des Unterganges vermag Moritz nicht zu unterdrücken. Dennoch ist er per¬ sönlich in die Schlacht gezogen. „Ich habe nicht bloß mich zu schützen, nein, Das ganze deutsche Vaterland." „Ich bin der größte, kriegserfahrenste Der deutschen Fürsten jetzt. Ich muß des Reichs, Ich muß des armen Mannes mich erbarmen. Ich muß auch ohne Namen Kaiser sein." Zum Tode getroffen, wirft er auf sein Leben den Rückblick: „Gottlob, ich habe nicht umsonst gelebt! Mein Leben hab' ich nicht verspielt, versäumt. In großen, würdigen Entwürfen hab' ich Es hingebracht, und alle glückten mir Durch Gottes gnädige Barmherzigkeit, Den Bund allein, den schlimmsten, zu besiegen Der Dummheit und der Bosheit schlug mir fehl, Und alle Lästerzungen stechen mich." Doch Karlowitz bezeugt ihm darauf: „Du hast das Joch Germaniens zerbrochen, Die Freiheit gabst Du den Gewissen wieder, Und jetzt verließest Du aus freiem Trieb Dein Weib, Dein Kind, den prächtigen Palast, Des armen Mannes Hütten zu beschirmen. Und in den ersten Reihen männlich streitend, Ein Fürst und Ritter, wenn es einen gab. Stirbst Du den süßen Tod sür's Vaterland Ein großes, schönes Leben schön besiegelnd/' Die Schlußrede Karlowitz' lautet: „Ruh, junger Held, gebettet in dem Sieg! Nechtfert'gen muß Dich Jeder, welcher Dich Begreifen kann, sind ihrer auch nicht viel; Doch Alle müssen, Alle. Freund und Feind, Moritz von Sachsen lieben und bewundern Und Dich beklagen, junger freud'gar Held!" Man wird bemerkt haben schon aus den wenigen Citaten, daß Kruse über eine kräftige, schöne Sprache verfügt. Angemessen, kurz, schlagend ist sein Ausdruck — von dem Phrasengeklingel, das gerade in historischen Dramen uns zu verfolgen und zu peinigen liebt, ist bei ihm keine Spur aufzutreiben. Aecht poetisch ist vielmehr sein Styl, und wo es hingehört, auch pathetisch und gehoben. Im Ganzen ist sein Buch eine erquickende und erfreuende Lec- ture, die drei ersten Akte geradezu eine hervorragende, meisterhafte Leistung. Sie werden auch auf der Bühne von guter Wirkung sein. Ob das Ganze als

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_128991/60>, abgerufen am 02.10.2024.