Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite
Deutsche Staatsmänner und Abgeordnete.
Eduard Laster.

Eduard Laster war längst ein berühmter Mann. Plötzlich ist er
Mode geworden. Das ist sehr zweierlei. Bekanntlich haben die Bücher ihre
launenhaften Schicksale wie die Menschen; und wie den Büchern gehts auch
den Rednern. Welche Verdienste hat Laster seit sieben Jahren sich erworben
um die Gesetzgebung, um die parlamentarische Entwickelung Preußens und
Deutschlands. Doch alle zusammen haben ihm nicht so viel Jubelgeschrei
eingetragen, wie die Rede, welche er am 7. Februar gegen Wagener, gegen
Jtzenplitz, gegen die Gründer gehalten hat. Wenn man die lautesten und
begeistertsten Zujauchzer dieser Tage mit dem Löffel abschöpfte, würde man
schwerlich'den Nahm der deutschen Tugend auffangen. Wenn der selige Max
Friedländer noch auf Erden wandelte, auf dessen Keuschheit der Präsident
des Münchener Journalistentages eine so rührende Rede gehalten hat, so würde
er gewiß auch den Tribut seiner tugendhaften Entrüstung scheffelweise auf
Laster's Sitz im preußischen Parlamente niedergelegt haben. Beeilen wir
uns zu sagen: der Nedn'er vom 7. Februar steht hoch über den Meisten seiner
improvisirten Verehrer, und wenn ihn nicht Klarheit und Unerschrockenhett
in Thun und Denken allein führten, so wäre zu besorgen, daß der maßlose
Beifallssturm einer zweideutigen Claque, die sich an seinem Rockschoß in's
Paradies einschmuggeln möchte, ihn irre machen könnte.

Aber weder Beifall noch Mißfall macht ihn irre. Er ist im geistigen,
was man sonst von den Menschen im irdischen Besitz sagt: ein seit lnaZs man.

Und es freut uns, daß wir, der Mode des Tages folgend, welche sich
ihren Helden in der Nähe besehen möchte, aus der Region des Gemeinen zur
Betrachtung einer Natur geführt werden, von der sich ohne Uebertreibung
das hohe Wort gebrauchen läßt, daß auch ihr das Gemeine fernabliegt.

Eduard Laster war eines der Wunderkinder, welche ausnahmsweise
Wort halten. Er ist so honett geboren, daß er auch gehalten, was er als
2 und Mhriges Kind versprach. Seine Wiege stand etwa drei Meilen von
der polnischen Grenze im Städtchen Jaroscin, Pleschener Kreis. Sein Bater,
Daniel Laster, war ein angesehener Kaufmann, der unbeschadet seiner weit"


Grenzboten 1873. I. 5"
Deutsche Staatsmänner und Abgeordnete.
Eduard Laster.

Eduard Laster war längst ein berühmter Mann. Plötzlich ist er
Mode geworden. Das ist sehr zweierlei. Bekanntlich haben die Bücher ihre
launenhaften Schicksale wie die Menschen; und wie den Büchern gehts auch
den Rednern. Welche Verdienste hat Laster seit sieben Jahren sich erworben
um die Gesetzgebung, um die parlamentarische Entwickelung Preußens und
Deutschlands. Doch alle zusammen haben ihm nicht so viel Jubelgeschrei
eingetragen, wie die Rede, welche er am 7. Februar gegen Wagener, gegen
Jtzenplitz, gegen die Gründer gehalten hat. Wenn man die lautesten und
begeistertsten Zujauchzer dieser Tage mit dem Löffel abschöpfte, würde man
schwerlich'den Nahm der deutschen Tugend auffangen. Wenn der selige Max
Friedländer noch auf Erden wandelte, auf dessen Keuschheit der Präsident
des Münchener Journalistentages eine so rührende Rede gehalten hat, so würde
er gewiß auch den Tribut seiner tugendhaften Entrüstung scheffelweise auf
Laster's Sitz im preußischen Parlamente niedergelegt haben. Beeilen wir
uns zu sagen: der Nedn'er vom 7. Februar steht hoch über den Meisten seiner
improvisirten Verehrer, und wenn ihn nicht Klarheit und Unerschrockenhett
in Thun und Denken allein führten, so wäre zu besorgen, daß der maßlose
Beifallssturm einer zweideutigen Claque, die sich an seinem Rockschoß in's
Paradies einschmuggeln möchte, ihn irre machen könnte.

Aber weder Beifall noch Mißfall macht ihn irre. Er ist im geistigen,
was man sonst von den Menschen im irdischen Besitz sagt: ein seit lnaZs man.

Und es freut uns, daß wir, der Mode des Tages folgend, welche sich
ihren Helden in der Nähe besehen möchte, aus der Region des Gemeinen zur
Betrachtung einer Natur geführt werden, von der sich ohne Uebertreibung
das hohe Wort gebrauchen läßt, daß auch ihr das Gemeine fernabliegt.

Eduard Laster war eines der Wunderkinder, welche ausnahmsweise
Wort halten. Er ist so honett geboren, daß er auch gehalten, was er als
2 und Mhriges Kind versprach. Seine Wiege stand etwa drei Meilen von
der polnischen Grenze im Städtchen Jaroscin, Pleschener Kreis. Sein Bater,
Daniel Laster, war ein angesehener Kaufmann, der unbeschadet seiner weit«


Grenzboten 1873. I. 5«
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0449" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/129441"/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Deutsche Staatsmänner und Abgeordnete.</head><lb/>
          <div n="2">
            <head> Eduard Laster.</head><lb/>
            <p xml:id="ID_1434"> Eduard Laster war längst ein berühmter Mann. Plötzlich ist er<lb/>
Mode geworden. Das ist sehr zweierlei. Bekanntlich haben die Bücher ihre<lb/>
launenhaften Schicksale wie die Menschen; und wie den Büchern gehts auch<lb/>
den Rednern. Welche Verdienste hat Laster seit sieben Jahren sich erworben<lb/>
um die Gesetzgebung, um die parlamentarische Entwickelung Preußens und<lb/>
Deutschlands. Doch alle zusammen haben ihm nicht so viel Jubelgeschrei<lb/>
eingetragen, wie die Rede, welche er am 7. Februar gegen Wagener, gegen<lb/>
Jtzenplitz, gegen die Gründer gehalten hat. Wenn man die lautesten und<lb/>
begeistertsten Zujauchzer dieser Tage mit dem Löffel abschöpfte, würde man<lb/>
schwerlich'den Nahm der deutschen Tugend auffangen. Wenn der selige Max<lb/>
Friedländer noch auf Erden wandelte, auf dessen Keuschheit der Präsident<lb/>
des Münchener Journalistentages eine so rührende Rede gehalten hat, so würde<lb/>
er gewiß auch den Tribut seiner tugendhaften Entrüstung scheffelweise auf<lb/>
Laster's Sitz im preußischen Parlamente niedergelegt haben. Beeilen wir<lb/>
uns zu sagen: der Nedn'er vom 7. Februar steht hoch über den Meisten seiner<lb/>
improvisirten Verehrer, und wenn ihn nicht Klarheit und Unerschrockenhett<lb/>
in Thun und Denken allein führten, so wäre zu besorgen, daß der maßlose<lb/>
Beifallssturm einer zweideutigen Claque, die sich an seinem Rockschoß in's<lb/>
Paradies einschmuggeln möchte, ihn irre machen könnte.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1435"> Aber weder Beifall noch Mißfall macht ihn irre. Er ist im geistigen,<lb/>
was man sonst von den Menschen im irdischen Besitz sagt: ein seit lnaZs man.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1436"> Und es freut uns, daß wir, der Mode des Tages folgend, welche sich<lb/>
ihren Helden in der Nähe besehen möchte, aus der Region des Gemeinen zur<lb/>
Betrachtung einer Natur geführt werden, von der sich ohne Uebertreibung<lb/>
das hohe Wort gebrauchen läßt, daß auch ihr das Gemeine fernabliegt.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1437" next="#ID_1438"> Eduard Laster war eines der Wunderkinder, welche ausnahmsweise<lb/>
Wort halten. Er ist so honett geboren, daß er auch gehalten, was er als<lb/>
2 und Mhriges Kind versprach. Seine Wiege stand etwa drei Meilen von<lb/>
der polnischen Grenze im Städtchen Jaroscin, Pleschener Kreis. Sein Bater,<lb/>
Daniel Laster, war ein angesehener Kaufmann, der unbeschadet seiner weit«</p><lb/>
            <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten 1873. I. 5«</fw><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0449] Deutsche Staatsmänner und Abgeordnete. Eduard Laster. Eduard Laster war längst ein berühmter Mann. Plötzlich ist er Mode geworden. Das ist sehr zweierlei. Bekanntlich haben die Bücher ihre launenhaften Schicksale wie die Menschen; und wie den Büchern gehts auch den Rednern. Welche Verdienste hat Laster seit sieben Jahren sich erworben um die Gesetzgebung, um die parlamentarische Entwickelung Preußens und Deutschlands. Doch alle zusammen haben ihm nicht so viel Jubelgeschrei eingetragen, wie die Rede, welche er am 7. Februar gegen Wagener, gegen Jtzenplitz, gegen die Gründer gehalten hat. Wenn man die lautesten und begeistertsten Zujauchzer dieser Tage mit dem Löffel abschöpfte, würde man schwerlich'den Nahm der deutschen Tugend auffangen. Wenn der selige Max Friedländer noch auf Erden wandelte, auf dessen Keuschheit der Präsident des Münchener Journalistentages eine so rührende Rede gehalten hat, so würde er gewiß auch den Tribut seiner tugendhaften Entrüstung scheffelweise auf Laster's Sitz im preußischen Parlamente niedergelegt haben. Beeilen wir uns zu sagen: der Nedn'er vom 7. Februar steht hoch über den Meisten seiner improvisirten Verehrer, und wenn ihn nicht Klarheit und Unerschrockenhett in Thun und Denken allein führten, so wäre zu besorgen, daß der maßlose Beifallssturm einer zweideutigen Claque, die sich an seinem Rockschoß in's Paradies einschmuggeln möchte, ihn irre machen könnte. Aber weder Beifall noch Mißfall macht ihn irre. Er ist im geistigen, was man sonst von den Menschen im irdischen Besitz sagt: ein seit lnaZs man. Und es freut uns, daß wir, der Mode des Tages folgend, welche sich ihren Helden in der Nähe besehen möchte, aus der Region des Gemeinen zur Betrachtung einer Natur geführt werden, von der sich ohne Uebertreibung das hohe Wort gebrauchen läßt, daß auch ihr das Gemeine fernabliegt. Eduard Laster war eines der Wunderkinder, welche ausnahmsweise Wort halten. Er ist so honett geboren, daß er auch gehalten, was er als 2 und Mhriges Kind versprach. Seine Wiege stand etwa drei Meilen von der polnischen Grenze im Städtchen Jaroscin, Pleschener Kreis. Sein Bater, Daniel Laster, war ein angesehener Kaufmann, der unbeschadet seiner weit« Grenzboten 1873. I. 5«

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_128991
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_128991/449
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_128991/449>, abgerufen am 22.07.2024.