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Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band.

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Meißerwerke moderner Holzschneidekunst.

Die Holzschneidekunst ist die Mutter des Buchdrucks. Sie wurde in der
ersten Hälfte des fünfzehnten Jahrhunderts erfunden, als sich das Bedürfniß
herausstellte, rohe Heiligenbilder, welche zur Privatandacht vielfach begehrt
wurden, auf billigem Wege, möglichst schnell, schneller als durch Patro¬
niren geschehen konnte, in großer Anzahl herzustellen. Das geschah durch
Abdrucken von Holztafeln, an welchen so viel Oberfläche fortgeschnitten ist,
daß die gewünschte Zeichnung erhaben stehen bleibt, und welche mit Farbestoff
angerieben sind, auf Papier. Bald fügte man zu den Bildern auch erläu¬
ternde Inschriften hinzu, fertigte dann in gleicher Weise auch Holztafeln und
Abdrücke davon, welche nur Schrift enthielten und stellte auf diese Weise kleine
(xylographische) Bücher, meist Erbauungsbücher, her. Einige Zeit später erst
kam man, ebenfalls aus Rücksichten der Ersparung, darauf, die Schrift aus
einzelnen, beweglichen Lettern zusammenzusetzen und mit ihnen zu drucken.
Das ist die Erfindung des eigentlichen Buchdrucks.

Schon am Ende des fünfzehnten Jahrhunderts beherrschte man die Tech¬
nik des Bild- und Buchdrucks in solcher Vollkommenheit, daß sehr große Werke
-- ich erwähne nur Schedel's Weltchronik vom Jahre 1493 -- mit so vielen
Illustrationen gedruckt werden konnte, daß Schrift und Bilder sich das Gleich¬
gewicht halten. A. Dürer, der größte deutsche Künstler, bildete den Holz¬
schnitt dann zu hoher Bollendung aus. Sein Leben der Marie dürfte als
das bedeutendste Holzschnittwerk alter Zeit zu bezeichnen sein. Er zeichnete
höchst wahrscheinlich selbst auf Holz. Der Xylograph hatte die rein handwerks¬
mäßige Aufgabe, die vorgezeichneten Linien möglichst genau nachzuschreiben.
Natürlich mußte die Zeichnung in kräftigen Linien gehalten sein; alle fei¬
neren Linien und sonstigen Uebergänge mußten ausgeschlossen bleiben, weil die¬
selben -- man schnitt damals stets in Linden-Langholz -- schon bei der Aus¬
führung, noch mehr aber beim Druck absprangen und dadurch Lücken in der Zeich¬
nung hervorbrachten, welche man bei späteren Abdrücken älterer Holzschnitte
oft genug bemerkt. Bon malerischer Wirkung oder gar Stimmung konnte
bet jenen alten Holzschnitten auch nicht entfernt die Rede sein. Man druckte
wohl ohne Ausnahme mit den Originalholzstöcken.") Der Holzschnitt wurde
bald so beliebt, daß ohne diesen für Bücher geeignetsten Schmuck, und waren
es auch nur Initialen und Vignetten, kaum ein Buch erscheinen konnte. Das
dauerte das ganze sechszehnte Jahrhundert hindurch.

Dann aber wurde der Kupferstich im Allgemeinen mehr beliebt und ver-



') Ob es sogenannte Metallschnitte wirklich gibt, ist nach den neusten Untersuchungen
fehr zweifelhaft geworden.
Meißerwerke moderner Holzschneidekunst.

Die Holzschneidekunst ist die Mutter des Buchdrucks. Sie wurde in der
ersten Hälfte des fünfzehnten Jahrhunderts erfunden, als sich das Bedürfniß
herausstellte, rohe Heiligenbilder, welche zur Privatandacht vielfach begehrt
wurden, auf billigem Wege, möglichst schnell, schneller als durch Patro¬
niren geschehen konnte, in großer Anzahl herzustellen. Das geschah durch
Abdrucken von Holztafeln, an welchen so viel Oberfläche fortgeschnitten ist,
daß die gewünschte Zeichnung erhaben stehen bleibt, und welche mit Farbestoff
angerieben sind, auf Papier. Bald fügte man zu den Bildern auch erläu¬
ternde Inschriften hinzu, fertigte dann in gleicher Weise auch Holztafeln und
Abdrücke davon, welche nur Schrift enthielten und stellte auf diese Weise kleine
(xylographische) Bücher, meist Erbauungsbücher, her. Einige Zeit später erst
kam man, ebenfalls aus Rücksichten der Ersparung, darauf, die Schrift aus
einzelnen, beweglichen Lettern zusammenzusetzen und mit ihnen zu drucken.
Das ist die Erfindung des eigentlichen Buchdrucks.

Schon am Ende des fünfzehnten Jahrhunderts beherrschte man die Tech¬
nik des Bild- und Buchdrucks in solcher Vollkommenheit, daß sehr große Werke
— ich erwähne nur Schedel's Weltchronik vom Jahre 1493 — mit so vielen
Illustrationen gedruckt werden konnte, daß Schrift und Bilder sich das Gleich¬
gewicht halten. A. Dürer, der größte deutsche Künstler, bildete den Holz¬
schnitt dann zu hoher Bollendung aus. Sein Leben der Marie dürfte als
das bedeutendste Holzschnittwerk alter Zeit zu bezeichnen sein. Er zeichnete
höchst wahrscheinlich selbst auf Holz. Der Xylograph hatte die rein handwerks¬
mäßige Aufgabe, die vorgezeichneten Linien möglichst genau nachzuschreiben.
Natürlich mußte die Zeichnung in kräftigen Linien gehalten sein; alle fei¬
neren Linien und sonstigen Uebergänge mußten ausgeschlossen bleiben, weil die¬
selben — man schnitt damals stets in Linden-Langholz — schon bei der Aus¬
führung, noch mehr aber beim Druck absprangen und dadurch Lücken in der Zeich¬
nung hervorbrachten, welche man bei späteren Abdrücken älterer Holzschnitte
oft genug bemerkt. Bon malerischer Wirkung oder gar Stimmung konnte
bet jenen alten Holzschnitten auch nicht entfernt die Rede sein. Man druckte
wohl ohne Ausnahme mit den Originalholzstöcken.") Der Holzschnitt wurde
bald so beliebt, daß ohne diesen für Bücher geeignetsten Schmuck, und waren
es auch nur Initialen und Vignetten, kaum ein Buch erscheinen konnte. Das
dauerte das ganze sechszehnte Jahrhundert hindurch.

Dann aber wurde der Kupferstich im Allgemeinen mehr beliebt und ver-



') Ob es sogenannte Metallschnitte wirklich gibt, ist nach den neusten Untersuchungen
fehr zweifelhaft geworden.
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[0418] Meißerwerke moderner Holzschneidekunst. Die Holzschneidekunst ist die Mutter des Buchdrucks. Sie wurde in der ersten Hälfte des fünfzehnten Jahrhunderts erfunden, als sich das Bedürfniß herausstellte, rohe Heiligenbilder, welche zur Privatandacht vielfach begehrt wurden, auf billigem Wege, möglichst schnell, schneller als durch Patro¬ niren geschehen konnte, in großer Anzahl herzustellen. Das geschah durch Abdrucken von Holztafeln, an welchen so viel Oberfläche fortgeschnitten ist, daß die gewünschte Zeichnung erhaben stehen bleibt, und welche mit Farbestoff angerieben sind, auf Papier. Bald fügte man zu den Bildern auch erläu¬ ternde Inschriften hinzu, fertigte dann in gleicher Weise auch Holztafeln und Abdrücke davon, welche nur Schrift enthielten und stellte auf diese Weise kleine (xylographische) Bücher, meist Erbauungsbücher, her. Einige Zeit später erst kam man, ebenfalls aus Rücksichten der Ersparung, darauf, die Schrift aus einzelnen, beweglichen Lettern zusammenzusetzen und mit ihnen zu drucken. Das ist die Erfindung des eigentlichen Buchdrucks. Schon am Ende des fünfzehnten Jahrhunderts beherrschte man die Tech¬ nik des Bild- und Buchdrucks in solcher Vollkommenheit, daß sehr große Werke — ich erwähne nur Schedel's Weltchronik vom Jahre 1493 — mit so vielen Illustrationen gedruckt werden konnte, daß Schrift und Bilder sich das Gleich¬ gewicht halten. A. Dürer, der größte deutsche Künstler, bildete den Holz¬ schnitt dann zu hoher Bollendung aus. Sein Leben der Marie dürfte als das bedeutendste Holzschnittwerk alter Zeit zu bezeichnen sein. Er zeichnete höchst wahrscheinlich selbst auf Holz. Der Xylograph hatte die rein handwerks¬ mäßige Aufgabe, die vorgezeichneten Linien möglichst genau nachzuschreiben. Natürlich mußte die Zeichnung in kräftigen Linien gehalten sein; alle fei¬ neren Linien und sonstigen Uebergänge mußten ausgeschlossen bleiben, weil die¬ selben — man schnitt damals stets in Linden-Langholz — schon bei der Aus¬ führung, noch mehr aber beim Druck absprangen und dadurch Lücken in der Zeich¬ nung hervorbrachten, welche man bei späteren Abdrücken älterer Holzschnitte oft genug bemerkt. Bon malerischer Wirkung oder gar Stimmung konnte bet jenen alten Holzschnitten auch nicht entfernt die Rede sein. Man druckte wohl ohne Ausnahme mit den Originalholzstöcken.") Der Holzschnitt wurde bald so beliebt, daß ohne diesen für Bücher geeignetsten Schmuck, und waren es auch nur Initialen und Vignetten, kaum ein Buch erscheinen konnte. Das dauerte das ganze sechszehnte Jahrhundert hindurch. Dann aber wurde der Kupferstich im Allgemeinen mehr beliebt und ver- ') Ob es sogenannte Metallschnitte wirklich gibt, ist nach den neusten Untersuchungen fehr zweifelhaft geworden.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_128991/418>, abgerufen am 24.08.2024.