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Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band.

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Montalembert das römische Programm von heute anticipirte, nämlich den
Absolutismus des Vatikans auf die allerbreiteste Grundlage basirte. Eine der
Aufgaben der künftigen Gesellschaft, sagte er im August 1863 auf dem Con-
greß von Mecheln, wo er zum letzten Male öffentlich sprach, wäre es, den
Katholicismus mit der Demokratie zu vereinbaren. Die Hoffnung, jemals
noch eine absolute Monarchie dem Katholicismus günstig <zu sehen, müsse als
eine eitle aufgegeben werden.

Eine Folge dieser Anschauung war es, daß seine letzte schließliche Opposition
sich gegen Rom wandte. Trotzdem würde er vielleicht die Jnfallibilität aner¬
kannt haben, sobald sie eine "vollendete Thatsache" gewesen wäre. Er
sprach diesen Entschluß aus, als man ihn geradezu befragte, was er in dem
Falle zu thun gedenke. Dem Papst als Vater gehorchen, auch wenn ihm
Persönlich Widerstrebendes gefordert würde, das war sein klarer Wille. Er
würde sich der Form nach unterwerfen, meinte der, welcher ihn befrug. --
Nein, war die Antwort, er würde sich einfach unterwerfen, seinen Willen
und seine Intelligenz gefangen geben. Gott verlange von ihm kein Begreifen,
nur Gehorsam. Bis zu seinem Tode, welcher am 13. März erfolgte, war
Karl von Montalembert das Kind und der Ritter Roms.




Lin Wort über StriKes.

Diese Blätter haben Jahre und Jahrzehnte lang, ehe die Errungenschaften
wirthschaftlicher Freiheit geborgen waren, welche der norddeutsche Bund und
das deutsche Reich in Gesetze gefügt hat, für dieselben Freiheiten gesprochen
und gestritten. Sie werden daher niemals über sich gewinnen -- was Blättern
ohne Vergangenheit natürlich viel leichter fällt -- die mühsam errungene
Freiheit wieder verkümmern oder vernichten zu helfen. Kommt doch auch den
Klagen, daß die gewonnene Freih eit die Gesellschaft, die Wirthschaft und den
Staat gefährde, nur etwa diejenige Berechtigung und Logik zu, mit welcher
das Kind den Tisch schlägt, an dem es sich gestoßen hat.

Wir haben in Bezug auf Bewegung, Verkehr, und die selbständige Ver¬
werthung der eigenen Productionskraft ein Maß von Freiheit errungen, um
welches die freiesten Nationen der Erde uns mit Recht beneiden: Freizügigkeit,
Niederlassungs- und Gewerbefreiheit, Coalitionsfreiheit und Heimathserwerb
am Orte der Niederlassung durch bloßen längern Aufenthalt, ist uns fast ohne
Schranke gewährt. Die bösen Weissagungen der komischen Geister unsrer
Parlamente, welche diese Gesetze bei ihrer Geburt verdammten als einen


Montalembert das römische Programm von heute anticipirte, nämlich den
Absolutismus des Vatikans auf die allerbreiteste Grundlage basirte. Eine der
Aufgaben der künftigen Gesellschaft, sagte er im August 1863 auf dem Con-
greß von Mecheln, wo er zum letzten Male öffentlich sprach, wäre es, den
Katholicismus mit der Demokratie zu vereinbaren. Die Hoffnung, jemals
noch eine absolute Monarchie dem Katholicismus günstig <zu sehen, müsse als
eine eitle aufgegeben werden.

Eine Folge dieser Anschauung war es, daß seine letzte schließliche Opposition
sich gegen Rom wandte. Trotzdem würde er vielleicht die Jnfallibilität aner¬
kannt haben, sobald sie eine „vollendete Thatsache" gewesen wäre. Er
sprach diesen Entschluß aus, als man ihn geradezu befragte, was er in dem
Falle zu thun gedenke. Dem Papst als Vater gehorchen, auch wenn ihm
Persönlich Widerstrebendes gefordert würde, das war sein klarer Wille. Er
würde sich der Form nach unterwerfen, meinte der, welcher ihn befrug. —
Nein, war die Antwort, er würde sich einfach unterwerfen, seinen Willen
und seine Intelligenz gefangen geben. Gott verlange von ihm kein Begreifen,
nur Gehorsam. Bis zu seinem Tode, welcher am 13. März erfolgte, war
Karl von Montalembert das Kind und der Ritter Roms.




Lin Wort über StriKes.

Diese Blätter haben Jahre und Jahrzehnte lang, ehe die Errungenschaften
wirthschaftlicher Freiheit geborgen waren, welche der norddeutsche Bund und
das deutsche Reich in Gesetze gefügt hat, für dieselben Freiheiten gesprochen
und gestritten. Sie werden daher niemals über sich gewinnen — was Blättern
ohne Vergangenheit natürlich viel leichter fällt — die mühsam errungene
Freiheit wieder verkümmern oder vernichten zu helfen. Kommt doch auch den
Klagen, daß die gewonnene Freih eit die Gesellschaft, die Wirthschaft und den
Staat gefährde, nur etwa diejenige Berechtigung und Logik zu, mit welcher
das Kind den Tisch schlägt, an dem es sich gestoßen hat.

Wir haben in Bezug auf Bewegung, Verkehr, und die selbständige Ver¬
werthung der eigenen Productionskraft ein Maß von Freiheit errungen, um
welches die freiesten Nationen der Erde uns mit Recht beneiden: Freizügigkeit,
Niederlassungs- und Gewerbefreiheit, Coalitionsfreiheit und Heimathserwerb
am Orte der Niederlassung durch bloßen längern Aufenthalt, ist uns fast ohne
Schranke gewährt. Die bösen Weissagungen der komischen Geister unsrer
Parlamente, welche diese Gesetze bei ihrer Geburt verdammten als einen


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[0227] Montalembert das römische Programm von heute anticipirte, nämlich den Absolutismus des Vatikans auf die allerbreiteste Grundlage basirte. Eine der Aufgaben der künftigen Gesellschaft, sagte er im August 1863 auf dem Con- greß von Mecheln, wo er zum letzten Male öffentlich sprach, wäre es, den Katholicismus mit der Demokratie zu vereinbaren. Die Hoffnung, jemals noch eine absolute Monarchie dem Katholicismus günstig <zu sehen, müsse als eine eitle aufgegeben werden. Eine Folge dieser Anschauung war es, daß seine letzte schließliche Opposition sich gegen Rom wandte. Trotzdem würde er vielleicht die Jnfallibilität aner¬ kannt haben, sobald sie eine „vollendete Thatsache" gewesen wäre. Er sprach diesen Entschluß aus, als man ihn geradezu befragte, was er in dem Falle zu thun gedenke. Dem Papst als Vater gehorchen, auch wenn ihm Persönlich Widerstrebendes gefordert würde, das war sein klarer Wille. Er würde sich der Form nach unterwerfen, meinte der, welcher ihn befrug. — Nein, war die Antwort, er würde sich einfach unterwerfen, seinen Willen und seine Intelligenz gefangen geben. Gott verlange von ihm kein Begreifen, nur Gehorsam. Bis zu seinem Tode, welcher am 13. März erfolgte, war Karl von Montalembert das Kind und der Ritter Roms. Lin Wort über StriKes. Diese Blätter haben Jahre und Jahrzehnte lang, ehe die Errungenschaften wirthschaftlicher Freiheit geborgen waren, welche der norddeutsche Bund und das deutsche Reich in Gesetze gefügt hat, für dieselben Freiheiten gesprochen und gestritten. Sie werden daher niemals über sich gewinnen — was Blättern ohne Vergangenheit natürlich viel leichter fällt — die mühsam errungene Freiheit wieder verkümmern oder vernichten zu helfen. Kommt doch auch den Klagen, daß die gewonnene Freih eit die Gesellschaft, die Wirthschaft und den Staat gefährde, nur etwa diejenige Berechtigung und Logik zu, mit welcher das Kind den Tisch schlägt, an dem es sich gestoßen hat. Wir haben in Bezug auf Bewegung, Verkehr, und die selbständige Ver¬ werthung der eigenen Productionskraft ein Maß von Freiheit errungen, um welches die freiesten Nationen der Erde uns mit Recht beneiden: Freizügigkeit, Niederlassungs- und Gewerbefreiheit, Coalitionsfreiheit und Heimathserwerb am Orte der Niederlassung durch bloßen längern Aufenthalt, ist uns fast ohne Schranke gewährt. Die bösen Weissagungen der komischen Geister unsrer Parlamente, welche diese Gesetze bei ihrer Geburt verdammten als einen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_128991/227>, abgerufen am 02.10.2024.