Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite
Ms dem Leben Karls v. Montalembert.*)

Im Jahre nach der Julirevolution erschien vor dem Gerichtshof der
Pairskammer von Frankreich ein Jüngling, der vor kurzer Zeit seinem
Vater in der erblichen Pairswürde nachgefolgt war. Noch war er vier
Jahre zu jung, um seinen Sitz in der Kammer einnehmen zu können,
aber von seinen Pairs gerichtet zu werden, konnte er verlangen und hatte
er verlangt. Sein Vergehen bestand in der Eröffnung einer Freischule für
arme Kinder, seine Mitschuldigen waren ein Herr von Cour und ein Priester,
Heinrich Lacordaire, Der Jüngling, der Pair und Schulmeister selbst war,
hieß Karl Forbes Rene' Graf von Montalembert.

Wie sein zweiter Taufname beweist, mischte sich in ihm französisches
und englisches Blut. Sein Vater Mare Neue' von Montalembert, welcher
mit fünfzehn Jahren emigrirt und in die angloindische Armee getreten war,
heirathete ungefähr 1808 die einzige Tochter von James Forbes, Verfasser
der 0rieutg.1 Uemoii's, eines noch jetzt ^geschätzten Werkes. Im Hause seines
britischen Großvaters zu London 1810 geboren, wurde Karl fünfzehn Mo¬
nate darauf von seinen Eltern ganz der Zärtlichkeit und Sorge des alten
Gelehrten überlassen und von diesem wie ein künftiger großer Mann erzogen.
Der Pedantismus, welcher durch die ganze Jugend Karls von Montalembert
geht, läßt sich aus dieser sonderbaren ersten Erziehung ableiten. Dagegen
haben seine nüchternen protestantischen Kindererinnerungen nie auch nur den
mindesten Einfluß auf seinen späteren lyrischen Katholicismus ausgeübt.

Er war zwölf Jahr alt, als ein protestantisches Mitglied seiner Familie in
den Schooß der römischen Kirche aufgenommen wurde. Man wandte den
Knaben zum Ausziehen von Stellen an. welche für die katholische und gegen die
anglikanische Kirche sprachen. Unwillkührlich wurde Karl dadurch zur Par¬
teinahme in diesen dogmatischen Controversen angeregt. Im nächsten
Jahr empfing er in Se. Thomas d' Aquino, der Kirche, wo er am
Ende seiner Laufbahn die letzte Messe hörte, den Unterricht, durch welchen
er zu seiner ersten Communion vorbereitet wurde. In der Politik, wenn in
solchem Alter schon von Politik die Rede sein kann, war er zu einem leiden¬
schaftlichen Anhänger der Charte erzogen; die Auflehnung gegen jeden welt¬
lichen Absolutismus hat er in England gelernt. Der geistliche Absolutismus
sollte bald keinen Geist unterwürfiger finden als den seinen. Ob diese Un¬
terwürfigkeit ganz und immer Ueberzeugung war, oder un Mrti pris -- wer



Nvmoir ok pound alö UonIÄvmbA't, ?<ZM ok Kranes, vsput/ lor tds vöMrtsniSllt
voukg. ^, oll-Wtvr ok l'Spotte l^llllvlt lliLtoi'/ b/ Urs. OliMmd, I^vipi-ij;,, '1'imoliniti!-
KMjou.
Ms dem Leben Karls v. Montalembert.*)

Im Jahre nach der Julirevolution erschien vor dem Gerichtshof der
Pairskammer von Frankreich ein Jüngling, der vor kurzer Zeit seinem
Vater in der erblichen Pairswürde nachgefolgt war. Noch war er vier
Jahre zu jung, um seinen Sitz in der Kammer einnehmen zu können,
aber von seinen Pairs gerichtet zu werden, konnte er verlangen und hatte
er verlangt. Sein Vergehen bestand in der Eröffnung einer Freischule für
arme Kinder, seine Mitschuldigen waren ein Herr von Cour und ein Priester,
Heinrich Lacordaire, Der Jüngling, der Pair und Schulmeister selbst war,
hieß Karl Forbes Rene' Graf von Montalembert.

Wie sein zweiter Taufname beweist, mischte sich in ihm französisches
und englisches Blut. Sein Vater Mare Neue' von Montalembert, welcher
mit fünfzehn Jahren emigrirt und in die angloindische Armee getreten war,
heirathete ungefähr 1808 die einzige Tochter von James Forbes, Verfasser
der 0rieutg.1 Uemoii's, eines noch jetzt ^geschätzten Werkes. Im Hause seines
britischen Großvaters zu London 1810 geboren, wurde Karl fünfzehn Mo¬
nate darauf von seinen Eltern ganz der Zärtlichkeit und Sorge des alten
Gelehrten überlassen und von diesem wie ein künftiger großer Mann erzogen.
Der Pedantismus, welcher durch die ganze Jugend Karls von Montalembert
geht, läßt sich aus dieser sonderbaren ersten Erziehung ableiten. Dagegen
haben seine nüchternen protestantischen Kindererinnerungen nie auch nur den
mindesten Einfluß auf seinen späteren lyrischen Katholicismus ausgeübt.

Er war zwölf Jahr alt, als ein protestantisches Mitglied seiner Familie in
den Schooß der römischen Kirche aufgenommen wurde. Man wandte den
Knaben zum Ausziehen von Stellen an. welche für die katholische und gegen die
anglikanische Kirche sprachen. Unwillkührlich wurde Karl dadurch zur Par¬
teinahme in diesen dogmatischen Controversen angeregt. Im nächsten
Jahr empfing er in Se. Thomas d' Aquino, der Kirche, wo er am
Ende seiner Laufbahn die letzte Messe hörte, den Unterricht, durch welchen
er zu seiner ersten Communion vorbereitet wurde. In der Politik, wenn in
solchem Alter schon von Politik die Rede sein kann, war er zu einem leiden¬
schaftlichen Anhänger der Charte erzogen; die Auflehnung gegen jeden welt¬
lichen Absolutismus hat er in England gelernt. Der geistliche Absolutismus
sollte bald keinen Geist unterwürfiger finden als den seinen. Ob diese Un¬
terwürfigkeit ganz und immer Ueberzeugung war, oder un Mrti pris — wer



Nvmoir ok pound alö UonIÄvmbA't, ?<ZM ok Kranes, vsput/ lor tds vöMrtsniSllt
voukg. ^, oll-Wtvr ok l'Spotte l^llllvlt lliLtoi'/ b/ Urs. OliMmd, I^vipi-ij;,, '1'imoliniti!-
KMjou.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0221" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/129213"/>
          </div>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Ms dem Leben Karls v. Montalembert.*)</head><lb/>
          <p xml:id="ID_715"> Im Jahre nach der Julirevolution erschien vor dem Gerichtshof der<lb/>
Pairskammer von Frankreich ein Jüngling, der vor kurzer Zeit seinem<lb/>
Vater in der erblichen Pairswürde nachgefolgt war. Noch war er vier<lb/>
Jahre zu jung, um seinen Sitz in der Kammer einnehmen zu können,<lb/>
aber von seinen Pairs gerichtet zu werden, konnte er verlangen und hatte<lb/>
er verlangt. Sein Vergehen bestand in der Eröffnung einer Freischule für<lb/>
arme Kinder, seine Mitschuldigen waren ein Herr von Cour und ein Priester,<lb/>
Heinrich Lacordaire, Der Jüngling, der Pair und Schulmeister selbst war,<lb/>
hieß Karl Forbes Rene' Graf von Montalembert.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_716"> Wie sein zweiter Taufname beweist, mischte sich in ihm französisches<lb/>
und englisches Blut. Sein Vater Mare Neue' von Montalembert, welcher<lb/>
mit fünfzehn Jahren emigrirt und in die angloindische Armee getreten war,<lb/>
heirathete ungefähr 1808 die einzige Tochter von James Forbes, Verfasser<lb/>
der 0rieutg.1 Uemoii's, eines noch jetzt ^geschätzten Werkes. Im Hause seines<lb/>
britischen Großvaters zu London 1810 geboren, wurde Karl fünfzehn Mo¬<lb/>
nate darauf von seinen Eltern ganz der Zärtlichkeit und Sorge des alten<lb/>
Gelehrten überlassen und von diesem wie ein künftiger großer Mann erzogen.<lb/>
Der Pedantismus, welcher durch die ganze Jugend Karls von Montalembert<lb/>
geht, läßt sich aus dieser sonderbaren ersten Erziehung ableiten. Dagegen<lb/>
haben seine nüchternen protestantischen Kindererinnerungen nie auch nur den<lb/>
mindesten Einfluß auf seinen späteren lyrischen Katholicismus ausgeübt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_717" next="#ID_718"> Er war zwölf Jahr alt, als ein protestantisches Mitglied seiner Familie in<lb/>
den Schooß der römischen Kirche aufgenommen wurde. Man wandte den<lb/>
Knaben zum Ausziehen von Stellen an. welche für die katholische und gegen die<lb/>
anglikanische Kirche sprachen. Unwillkührlich wurde Karl dadurch zur Par¬<lb/>
teinahme in diesen dogmatischen Controversen angeregt. Im nächsten<lb/>
Jahr empfing er in Se. Thomas d' Aquino, der Kirche, wo er am<lb/>
Ende seiner Laufbahn die letzte Messe hörte, den Unterricht, durch welchen<lb/>
er zu seiner ersten Communion vorbereitet wurde. In der Politik, wenn in<lb/>
solchem Alter schon von Politik die Rede sein kann, war er zu einem leiden¬<lb/>
schaftlichen Anhänger der Charte erzogen; die Auflehnung gegen jeden welt¬<lb/>
lichen Absolutismus hat er in England gelernt. Der geistliche Absolutismus<lb/>
sollte bald keinen Geist unterwürfiger finden als den seinen. Ob diese Un¬<lb/>
terwürfigkeit ganz und immer Ueberzeugung war, oder un Mrti pris &#x2014; wer</p><lb/>
          <note xml:id="FID_41" place="foot"> Nvmoir ok pound alö UonIÄvmbA't, ?&lt;ZM ok Kranes, vsput/ lor tds vöMrtsniSllt<lb/>
voukg.  ^, oll-Wtvr ok l'Spotte l^llllvlt lliLtoi'/ b/ Urs. OliMmd,  I^vipi-ij;,, '1'imoliniti!-<lb/>
KMjou.</note><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0221] Ms dem Leben Karls v. Montalembert.*) Im Jahre nach der Julirevolution erschien vor dem Gerichtshof der Pairskammer von Frankreich ein Jüngling, der vor kurzer Zeit seinem Vater in der erblichen Pairswürde nachgefolgt war. Noch war er vier Jahre zu jung, um seinen Sitz in der Kammer einnehmen zu können, aber von seinen Pairs gerichtet zu werden, konnte er verlangen und hatte er verlangt. Sein Vergehen bestand in der Eröffnung einer Freischule für arme Kinder, seine Mitschuldigen waren ein Herr von Cour und ein Priester, Heinrich Lacordaire, Der Jüngling, der Pair und Schulmeister selbst war, hieß Karl Forbes Rene' Graf von Montalembert. Wie sein zweiter Taufname beweist, mischte sich in ihm französisches und englisches Blut. Sein Vater Mare Neue' von Montalembert, welcher mit fünfzehn Jahren emigrirt und in die angloindische Armee getreten war, heirathete ungefähr 1808 die einzige Tochter von James Forbes, Verfasser der 0rieutg.1 Uemoii's, eines noch jetzt ^geschätzten Werkes. Im Hause seines britischen Großvaters zu London 1810 geboren, wurde Karl fünfzehn Mo¬ nate darauf von seinen Eltern ganz der Zärtlichkeit und Sorge des alten Gelehrten überlassen und von diesem wie ein künftiger großer Mann erzogen. Der Pedantismus, welcher durch die ganze Jugend Karls von Montalembert geht, läßt sich aus dieser sonderbaren ersten Erziehung ableiten. Dagegen haben seine nüchternen protestantischen Kindererinnerungen nie auch nur den mindesten Einfluß auf seinen späteren lyrischen Katholicismus ausgeübt. Er war zwölf Jahr alt, als ein protestantisches Mitglied seiner Familie in den Schooß der römischen Kirche aufgenommen wurde. Man wandte den Knaben zum Ausziehen von Stellen an. welche für die katholische und gegen die anglikanische Kirche sprachen. Unwillkührlich wurde Karl dadurch zur Par¬ teinahme in diesen dogmatischen Controversen angeregt. Im nächsten Jahr empfing er in Se. Thomas d' Aquino, der Kirche, wo er am Ende seiner Laufbahn die letzte Messe hörte, den Unterricht, durch welchen er zu seiner ersten Communion vorbereitet wurde. In der Politik, wenn in solchem Alter schon von Politik die Rede sein kann, war er zu einem leiden¬ schaftlichen Anhänger der Charte erzogen; die Auflehnung gegen jeden welt¬ lichen Absolutismus hat er in England gelernt. Der geistliche Absolutismus sollte bald keinen Geist unterwürfiger finden als den seinen. Ob diese Un¬ terwürfigkeit ganz und immer Ueberzeugung war, oder un Mrti pris — wer Nvmoir ok pound alö UonIÄvmbA't, ?<ZM ok Kranes, vsput/ lor tds vöMrtsniSllt voukg. ^, oll-Wtvr ok l'Spotte l^llllvlt lliLtoi'/ b/ Urs. OliMmd, I^vipi-ij;,, '1'imoliniti!- KMjou.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_128991
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_128991/221
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_128991/221>, abgerufen am 02.10.2024.