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Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band.

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Der Schrecken von Sciacca.
Eine Episode der Geschichte Siciliens
von
Prof. Felix Liebrecht.

Die nachstehende, streng historische Erzählung ist den vor nicht langer
Zeit (Palermo 1870) erschienenen 8tuäi <Zi Ltoris, Lieiliang, des ausge¬
zeichneten Gelehrten Sidoro La Lumia, entnommen, der unter Benutzung
von Quellen, wie sie gewöhnlich nur Eingeborenen in gleicher Beschaffenheit
und Fülle zu Gebote stehen, die wichtigsten Ereignisse und Perioden der Ge¬
schichte seiner heimathlichen Insel in anschaulichster Schilderung vorführt, und
bildet dort eine Episode in dem Abschnitte "Sicilien unter Kaiser Karl dem
Fünften." Es handelt sich um den Caso ti Sciacca, ein Ereigniß. das
in den Jahren 1S2S--1530 vorbereitet und ausgeführt wurde und ein leben¬
diges Beispiel der damaligen gesellschaftlichen Zustände Siciliens gewährt.
Ein Privatzwist zweier Adelsfamilien wächst zu einem großen politischen Er¬
eigniß heran, das 5>le ganze Insel erschüttert. --

Auf der Westküste Siciliens erhebt sich auf einem reizenden und nicht
sehr hohen Hügel die Stadt Sciacca, welche der normannische Graf Roger,
(der Befreier der Insel von der arabischen Herrschaft, 1- 1101) vergrößert und
seiner Tochter Giullita oder Giletta als Lehn verliehen hatte. Diese vermählte
sich mit Gilibert Perollo, Herrn von Gagliano, dessen Nachkommen die Stadt
behielten, bis König Wilhelm der Böse (1154-1166) das Lehn gegen Ent¬
schädigung einzog, so daß den Perollo bloß die Gerichtsbarkeit und der Besitz
des Schlosses verblieb. Während der monarchischen Zeiten des vierzehnten
Jahrhunderts bemächtigten sich die Peralta der Stadt und bauten zu ihrer
Vertheidigung ein zweites Schloß, das dem Niccolo Peralta, Grafen von
Caltabellota und Scläfani als Schloßhauptmann auch dann noch verblieb,
als er die Stadt selbst der Krone wieder übergeben mußte. Bei seinem im
Jahre 1400 erfolgten Tode hinterließ er als einziges Kind eine Tochter,
Namens Margherita, welche mit Mutter und Großmutter den Lehnssitz
inne hatte. Ihre Jugend und Schönheit, sowie der Umstand, daß sie eine
der reichsten Erbinnen der Insel war, lockten Areale von Luna. einen Ver-


Gmizbotm 1873, I. ...
Der Schrecken von Sciacca.
Eine Episode der Geschichte Siciliens
von
Prof. Felix Liebrecht.

Die nachstehende, streng historische Erzählung ist den vor nicht langer
Zeit (Palermo 1870) erschienenen 8tuäi <Zi Ltoris, Lieiliang, des ausge¬
zeichneten Gelehrten Sidoro La Lumia, entnommen, der unter Benutzung
von Quellen, wie sie gewöhnlich nur Eingeborenen in gleicher Beschaffenheit
und Fülle zu Gebote stehen, die wichtigsten Ereignisse und Perioden der Ge¬
schichte seiner heimathlichen Insel in anschaulichster Schilderung vorführt, und
bildet dort eine Episode in dem Abschnitte „Sicilien unter Kaiser Karl dem
Fünften." Es handelt sich um den Caso ti Sciacca, ein Ereigniß. das
in den Jahren 1S2S—1530 vorbereitet und ausgeführt wurde und ein leben¬
diges Beispiel der damaligen gesellschaftlichen Zustände Siciliens gewährt.
Ein Privatzwist zweier Adelsfamilien wächst zu einem großen politischen Er¬
eigniß heran, das 5>le ganze Insel erschüttert. —

Auf der Westküste Siciliens erhebt sich auf einem reizenden und nicht
sehr hohen Hügel die Stadt Sciacca, welche der normannische Graf Roger,
(der Befreier der Insel von der arabischen Herrschaft, 1- 1101) vergrößert und
seiner Tochter Giullita oder Giletta als Lehn verliehen hatte. Diese vermählte
sich mit Gilibert Perollo, Herrn von Gagliano, dessen Nachkommen die Stadt
behielten, bis König Wilhelm der Böse (1154-1166) das Lehn gegen Ent¬
schädigung einzog, so daß den Perollo bloß die Gerichtsbarkeit und der Besitz
des Schlosses verblieb. Während der monarchischen Zeiten des vierzehnten
Jahrhunderts bemächtigten sich die Peralta der Stadt und bauten zu ihrer
Vertheidigung ein zweites Schloß, das dem Niccolo Peralta, Grafen von
Caltabellota und Scläfani als Schloßhauptmann auch dann noch verblieb,
als er die Stadt selbst der Krone wieder übergeben mußte. Bei seinem im
Jahre 1400 erfolgten Tode hinterließ er als einziges Kind eine Tochter,
Namens Margherita, welche mit Mutter und Großmutter den Lehnssitz
inne hatte. Ihre Jugend und Schönheit, sowie der Umstand, daß sie eine
der reichsten Erbinnen der Insel war, lockten Areale von Luna. einen Ver-


Gmizbotm 1873, I. ...
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[0169] Der Schrecken von Sciacca. Eine Episode der Geschichte Siciliens von Prof. Felix Liebrecht. Die nachstehende, streng historische Erzählung ist den vor nicht langer Zeit (Palermo 1870) erschienenen 8tuäi <Zi Ltoris, Lieiliang, des ausge¬ zeichneten Gelehrten Sidoro La Lumia, entnommen, der unter Benutzung von Quellen, wie sie gewöhnlich nur Eingeborenen in gleicher Beschaffenheit und Fülle zu Gebote stehen, die wichtigsten Ereignisse und Perioden der Ge¬ schichte seiner heimathlichen Insel in anschaulichster Schilderung vorführt, und bildet dort eine Episode in dem Abschnitte „Sicilien unter Kaiser Karl dem Fünften." Es handelt sich um den Caso ti Sciacca, ein Ereigniß. das in den Jahren 1S2S—1530 vorbereitet und ausgeführt wurde und ein leben¬ diges Beispiel der damaligen gesellschaftlichen Zustände Siciliens gewährt. Ein Privatzwist zweier Adelsfamilien wächst zu einem großen politischen Er¬ eigniß heran, das 5>le ganze Insel erschüttert. — Auf der Westküste Siciliens erhebt sich auf einem reizenden und nicht sehr hohen Hügel die Stadt Sciacca, welche der normannische Graf Roger, (der Befreier der Insel von der arabischen Herrschaft, 1- 1101) vergrößert und seiner Tochter Giullita oder Giletta als Lehn verliehen hatte. Diese vermählte sich mit Gilibert Perollo, Herrn von Gagliano, dessen Nachkommen die Stadt behielten, bis König Wilhelm der Böse (1154-1166) das Lehn gegen Ent¬ schädigung einzog, so daß den Perollo bloß die Gerichtsbarkeit und der Besitz des Schlosses verblieb. Während der monarchischen Zeiten des vierzehnten Jahrhunderts bemächtigten sich die Peralta der Stadt und bauten zu ihrer Vertheidigung ein zweites Schloß, das dem Niccolo Peralta, Grafen von Caltabellota und Scläfani als Schloßhauptmann auch dann noch verblieb, als er die Stadt selbst der Krone wieder übergeben mußte. Bei seinem im Jahre 1400 erfolgten Tode hinterließ er als einziges Kind eine Tochter, Namens Margherita, welche mit Mutter und Großmutter den Lehnssitz inne hatte. Ihre Jugend und Schönheit, sowie der Umstand, daß sie eine der reichsten Erbinnen der Insel war, lockten Areale von Luna. einen Ver- Gmizbotm 1873, I. ...

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_128991/169>, abgerufen am 02.10.2024.