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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band.

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er zu Feld ziehen. Es kam bei Sievershausen zum Treffen, am 9. Juli
1553. Das sächsische Heer siegte. Aber Moritz war schwer verwundet. Und
bald nachher am 11. Juli gab er seinen Geist auf, -- etwas mehr als 32
Jahre alt.

Was seine letzten Ziele gewesen, wer will unternehmen es zu sagen? Auch
1553 stand er wieder in geheimen Verhandlungen mit Frankreich. Gerüchte
gingen viele herum: einen großen Angriff auf den Kaiser habe er geplant,
seine Erhebung zum römischen Könige d. h. also an die Spitze des deutschen
Reiches hätten ihm die Franzosen angeboten. Ob das begründet gewesen?
In der Weise, wie es uns heute angedeutet vorliegt, klingt es sehr unwahr¬
scheinlich -- war doch der römische König Ferdinand. Karl's Bruder, damals
sein Alliirter. Was er in Gedanken geführt, das können wir nicht wissen.
Aber daß er etwas beabsichtigt, etwas mehr als die Niederhaltung Albrecht's,
das anzunehmen berechtigt uns seine Action von 1546 und 1552. Auch da¬
mals hätte vor dem Ziele Niemand zu sagen gewußt, welches das wirkliche
Ziel seiner vielseitigen Thätigkeit in jedem Falle war. Diesmal war er vor
dem Abschlüsse selbst weggerafft, -- und damit ist uns der Schlüssel seines
Geheimnisses für immer entzogen.

Und übersieht man, was Moritz schon bis dahin in den Anfängen
seines politischen Lebens, in dem Lebensalter, in welchem meistens die
politischen Charactere noch nicht zu ihrer vollen Reife gelangt sind, in einem
Zeitraum von sieben Jahren erreicht und geleistet hat, -- die Gründung einer
bedeutenderen norddeutschen Hausmacht und die Sicherung des Religionssriedens
für den bedrohten Protestantismus -- dann erhebt sich wie von selbst in uns
die Betrachtung, daß Größeres, wirklich Großes bei längerem Leben ihm noch
möglich gewesen wäre! Und hätte ein Mann seines Geistes noch weiterhin
über den Geschicken seiner Nation gewacht, und die Führung der Angelegen¬
heiten noch weiterhin in seine Hand genommen, es ist nicht zu sagen, wie an¬
ders die deutsche Geschichte sich gestaltet haben würde!

Die volle Bedeutung eines Staatsmannes für sein Volk ist ersichtlich
aus dem, was er gethan und vollbracht hat -- sie wird aber ebenso fühlbar
in der Lücke, die sein vorzeitiges Abscheiden unausgefüllt hinter sich zurückläßt.




Wie ich Livingstone auffand.*)

Dieser retsende Zeitungscorrespondent Mr. Henry Stanley ist in der
That ein höchst merkwürdiger Mensch. Sein Werk: "Wie ich Livingstone



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er zu Feld ziehen. Es kam bei Sievershausen zum Treffen, am 9. Juli
1553. Das sächsische Heer siegte. Aber Moritz war schwer verwundet. Und
bald nachher am 11. Juli gab er seinen Geist auf, — etwas mehr als 32
Jahre alt.

Was seine letzten Ziele gewesen, wer will unternehmen es zu sagen? Auch
1553 stand er wieder in geheimen Verhandlungen mit Frankreich. Gerüchte
gingen viele herum: einen großen Angriff auf den Kaiser habe er geplant,
seine Erhebung zum römischen Könige d. h. also an die Spitze des deutschen
Reiches hätten ihm die Franzosen angeboten. Ob das begründet gewesen?
In der Weise, wie es uns heute angedeutet vorliegt, klingt es sehr unwahr¬
scheinlich — war doch der römische König Ferdinand. Karl's Bruder, damals
sein Alliirter. Was er in Gedanken geführt, das können wir nicht wissen.
Aber daß er etwas beabsichtigt, etwas mehr als die Niederhaltung Albrecht's,
das anzunehmen berechtigt uns seine Action von 1546 und 1552. Auch da¬
mals hätte vor dem Ziele Niemand zu sagen gewußt, welches das wirkliche
Ziel seiner vielseitigen Thätigkeit in jedem Falle war. Diesmal war er vor
dem Abschlüsse selbst weggerafft, — und damit ist uns der Schlüssel seines
Geheimnisses für immer entzogen.

Und übersieht man, was Moritz schon bis dahin in den Anfängen
seines politischen Lebens, in dem Lebensalter, in welchem meistens die
politischen Charactere noch nicht zu ihrer vollen Reife gelangt sind, in einem
Zeitraum von sieben Jahren erreicht und geleistet hat, — die Gründung einer
bedeutenderen norddeutschen Hausmacht und die Sicherung des Religionssriedens
für den bedrohten Protestantismus — dann erhebt sich wie von selbst in uns
die Betrachtung, daß Größeres, wirklich Großes bei längerem Leben ihm noch
möglich gewesen wäre! Und hätte ein Mann seines Geistes noch weiterhin
über den Geschicken seiner Nation gewacht, und die Führung der Angelegen¬
heiten noch weiterhin in seine Hand genommen, es ist nicht zu sagen, wie an¬
ders die deutsche Geschichte sich gestaltet haben würde!

Die volle Bedeutung eines Staatsmannes für sein Volk ist ersichtlich
aus dem, was er gethan und vollbracht hat — sie wird aber ebenso fühlbar
in der Lücke, die sein vorzeitiges Abscheiden unausgefüllt hinter sich zurückläßt.




Wie ich Livingstone auffand.*)

Dieser retsende Zeitungscorrespondent Mr. Henry Stanley ist in der
That ein höchst merkwürdiger Mensch. Sein Werk: „Wie ich Livingstone



') IIV'V I kounÄ I^ivinAstoris; l'i'tosis, ^tlvknwl'of an<I DikiLovsi'ich in (üsiltral ^ki-wA;
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[0469] er zu Feld ziehen. Es kam bei Sievershausen zum Treffen, am 9. Juli 1553. Das sächsische Heer siegte. Aber Moritz war schwer verwundet. Und bald nachher am 11. Juli gab er seinen Geist auf, — etwas mehr als 32 Jahre alt. Was seine letzten Ziele gewesen, wer will unternehmen es zu sagen? Auch 1553 stand er wieder in geheimen Verhandlungen mit Frankreich. Gerüchte gingen viele herum: einen großen Angriff auf den Kaiser habe er geplant, seine Erhebung zum römischen Könige d. h. also an die Spitze des deutschen Reiches hätten ihm die Franzosen angeboten. Ob das begründet gewesen? In der Weise, wie es uns heute angedeutet vorliegt, klingt es sehr unwahr¬ scheinlich — war doch der römische König Ferdinand. Karl's Bruder, damals sein Alliirter. Was er in Gedanken geführt, das können wir nicht wissen. Aber daß er etwas beabsichtigt, etwas mehr als die Niederhaltung Albrecht's, das anzunehmen berechtigt uns seine Action von 1546 und 1552. Auch da¬ mals hätte vor dem Ziele Niemand zu sagen gewußt, welches das wirkliche Ziel seiner vielseitigen Thätigkeit in jedem Falle war. Diesmal war er vor dem Abschlüsse selbst weggerafft, — und damit ist uns der Schlüssel seines Geheimnisses für immer entzogen. Und übersieht man, was Moritz schon bis dahin in den Anfängen seines politischen Lebens, in dem Lebensalter, in welchem meistens die politischen Charactere noch nicht zu ihrer vollen Reife gelangt sind, in einem Zeitraum von sieben Jahren erreicht und geleistet hat, — die Gründung einer bedeutenderen norddeutschen Hausmacht und die Sicherung des Religionssriedens für den bedrohten Protestantismus — dann erhebt sich wie von selbst in uns die Betrachtung, daß Größeres, wirklich Großes bei längerem Leben ihm noch möglich gewesen wäre! Und hätte ein Mann seines Geistes noch weiterhin über den Geschicken seiner Nation gewacht, und die Führung der Angelegen¬ heiten noch weiterhin in seine Hand genommen, es ist nicht zu sagen, wie an¬ ders die deutsche Geschichte sich gestaltet haben würde! Die volle Bedeutung eines Staatsmannes für sein Volk ist ersichtlich aus dem, was er gethan und vollbracht hat — sie wird aber ebenso fühlbar in der Lücke, die sein vorzeitiges Abscheiden unausgefüllt hinter sich zurückläßt. Wie ich Livingstone auffand.*) Dieser retsende Zeitungscorrespondent Mr. Henry Stanley ist in der That ein höchst merkwürdiger Mensch. Sein Werk: „Wie ich Livingstone ') IIV'V I kounÄ I^ivinAstoris; l'i'tosis, ^tlvknwl'of an<I DikiLovsi'ich in (üsiltral ^ki-wA; iueluSiuA tour montlw' resiclgnoe witti or> I^ivingstoae. Lz^ llvlli^ StiwlL/, rravsllin^

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_128453/469>, abgerufen am 22.07.2024.