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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band.

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maligen Frankfurter Kampfgenossen, welchen beschieden war, die große Zeit
noch zu erleben, auf Seiten der national-liberalen Partei gesehen. Er ist aber
auch hier einer eigentlichen Parteithätigkeit entrückt worden durch die stete
Wahl zum Präsidenten aller norddeutschen und deutschen Reichstage vom Früh¬
jahr 1867 an bis 1872, sowie des deutschen Zollparlamentes von 1868 bis
1870. Den Werth und die Größe der Leistungen Simson's in dieser Stel¬
lung haben wir schon eingangs zu würdigen versucht. Sie werden mit jedem
Jahre höher geschätzt werden. So darf der edle gute Mann auch auf
sein Leben in jeder Beziehung, namentlich aber auf sein politisches
Streben das Göthe'sche Wort anwenden: "Was man in der Jugend wünscht,
hat man im Alter die Fülle." Als eine merkwürdig ausgleichende Gunst des
Schicksals namentlich liegt in der Fügung, daß demselben Manne, der
einst mit fast gebrochenem Herzen aus dem preußischen Königsschlosse trat,
als der vierte Friedrich Wilhelm die deutsche Krone von sich wies, beschieden
gewesen ist, der Sprecher der deutschen Volksvertretung zu sein bei jeder Ge¬
legenheit, wo der Reichstag den Schirmherrn des Norddeutschen Bundes auch
als Schirmherrn der nationalen Hoffnungen Deutschlands begrüßte. So am
3. October 1867 bei Ueberreichung der Adresse des Reichstags auf der Hohen"
zollernburg; so zu Berlin am 19. Juli 1870, am Tage der frechen französi¬
schen Kriegserklärung, so endlich an der Spitze einer anderen, glücklicheren
Kaiserdeputation am 18. December 1870 im französischen Königsschlosse zu
Versailles. Es war ein gutes Zeichen, daß die gesetzlichen Vertreter des deut¬
schen Volkes an der Wiege des neuen Kaiserthums standen, ein ebenso gün¬
stiges Zeichen aber, daß Präsident Sun son ihr Sprecher war; der Mann, der
in seltenem Grade entschiedenen Freimuth mit maßvoller Würde und vollen¬
deter Redegabe verbindet. Nun allerdings ist ihm das Haar gebleicht und in
das ruhige freundliche Antlitz haben die Jahre ihre Furchen gegraben. Aber
aufrecht und geistesfrisch wie immer steht er unter dem jüngeren Geschlechte.
Möge er noch lange ausdauern an der Spitze des deutschen Parlamentes, der
"ewige Präsident" Simson!




Der dreizehnte volkswirthschaftliche Kongreß in Danzig.
Uebersicht der Verhandlungen und Beschlüsse. -- Die Frage der Arbeiter-
Hülfs- und Invaliden-Cassen.

Die Wiederaufrichtung des deutschen Reiches hat ein Hauptziel des im
Jahres 1858 begründeten volkswirthschaftlichen Congresses -- Deutschlands
wtrthschaftliche Neugestaltung -- in ungeahnter Raschheit verwirklicht. Aber
die eigentliche Aufgabe des Congresses ist damit noch keineswegs erfüllt; denn


maligen Frankfurter Kampfgenossen, welchen beschieden war, die große Zeit
noch zu erleben, auf Seiten der national-liberalen Partei gesehen. Er ist aber
auch hier einer eigentlichen Parteithätigkeit entrückt worden durch die stete
Wahl zum Präsidenten aller norddeutschen und deutschen Reichstage vom Früh¬
jahr 1867 an bis 1872, sowie des deutschen Zollparlamentes von 1868 bis
1870. Den Werth und die Größe der Leistungen Simson's in dieser Stel¬
lung haben wir schon eingangs zu würdigen versucht. Sie werden mit jedem
Jahre höher geschätzt werden. So darf der edle gute Mann auch auf
sein Leben in jeder Beziehung, namentlich aber auf sein politisches
Streben das Göthe'sche Wort anwenden: „Was man in der Jugend wünscht,
hat man im Alter die Fülle." Als eine merkwürdig ausgleichende Gunst des
Schicksals namentlich liegt in der Fügung, daß demselben Manne, der
einst mit fast gebrochenem Herzen aus dem preußischen Königsschlosse trat,
als der vierte Friedrich Wilhelm die deutsche Krone von sich wies, beschieden
gewesen ist, der Sprecher der deutschen Volksvertretung zu sein bei jeder Ge¬
legenheit, wo der Reichstag den Schirmherrn des Norddeutschen Bundes auch
als Schirmherrn der nationalen Hoffnungen Deutschlands begrüßte. So am
3. October 1867 bei Ueberreichung der Adresse des Reichstags auf der Hohen«
zollernburg; so zu Berlin am 19. Juli 1870, am Tage der frechen französi¬
schen Kriegserklärung, so endlich an der Spitze einer anderen, glücklicheren
Kaiserdeputation am 18. December 1870 im französischen Königsschlosse zu
Versailles. Es war ein gutes Zeichen, daß die gesetzlichen Vertreter des deut¬
schen Volkes an der Wiege des neuen Kaiserthums standen, ein ebenso gün¬
stiges Zeichen aber, daß Präsident Sun son ihr Sprecher war; der Mann, der
in seltenem Grade entschiedenen Freimuth mit maßvoller Würde und vollen¬
deter Redegabe verbindet. Nun allerdings ist ihm das Haar gebleicht und in
das ruhige freundliche Antlitz haben die Jahre ihre Furchen gegraben. Aber
aufrecht und geistesfrisch wie immer steht er unter dem jüngeren Geschlechte.
Möge er noch lange ausdauern an der Spitze des deutschen Parlamentes, der
„ewige Präsident" Simson!




Der dreizehnte volkswirthschaftliche Kongreß in Danzig.
Uebersicht der Verhandlungen und Beschlüsse. — Die Frage der Arbeiter-
Hülfs- und Invaliden-Cassen.

Die Wiederaufrichtung des deutschen Reiches hat ein Hauptziel des im
Jahres 1858 begründeten volkswirthschaftlichen Congresses — Deutschlands
wtrthschaftliche Neugestaltung — in ungeahnter Raschheit verwirklicht. Aber
die eigentliche Aufgabe des Congresses ist damit noch keineswegs erfüllt; denn


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_128453/23>, abgerufen am 03.07.2024.