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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band.

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an die schlimmsten Tage der Schreckenszeit erinnerte. Aber wenn sich auch
zu Lyon und Paris die Hoffnung der Empörer auf geheime Sympathien bei
den Soldaten als nichtig erwiesen, so hätte die Regierung doch sehr unrecht
gehabt, wenn sie die ganze Armee als ihr ergeben betrachtete. Daß sie das
keineswegs sei, bewies gleich darauf eine republikanische Verschwörung der
drei in Luneville liegenden Cürassier-Regimenter, die zwar im Augenblick des
Ausbruchs vereitelt wurde, immerhin aber ein Karäon 1", oouronno! war. Erst
das abscheuliche Attentat Fieschi's besiegelte auf längere Zeit den Verfall der
republikanischen Partei. Louis Philipp's Revue vom 28. Juli schien der Aus¬
gangspunkt ruhigerer Tage werden zu sollen. Es mußte von glücklicher Vor¬
bedeutung sein, daß der Zuruf der Truppen und Nationalgarten, der zu
Anfang der Parade lau und geschäftsmäßig geklungen, nach dem Abbrennen
der Höllenmaschine in wahrhaft donnernden Jubel umschlug. Heer und
Bürger schienen dem Könige dauernd gewonnen.




MMo.

Im Jahre 1865 lernte ich den Gesandten der Republik Mexiko, Romero,
in Washington kennen. Der Mann hatte damals eine schwierige Stellung.
So sehr auch Präsident Johnson für ihn eingenommen war und so sehr man
den delligizrent?rineö Maximilian verabscheute, bis zu einem bewaffneten Ein¬
greifen für die Republik Mexiko ließ man es von Seiten der Union nicht
kommen. "Was hilft all dieses moralische Gewicht, welches in die Wagschale
geworfen wird?" pflegte mir Romero zu sagen, der gern Beziehungen zu den
Vertretern der Presse unterhielt. "Ein halbes Dutzend Kriegsschiffe der
Amerikaner vor Vera-Cruz oder>.Tampico wären uns lieber, als alle diese
moralische Unterstützung." Der mexikanische "Diplomat" ging sehr offen mit
seiner Sprache heraus; er hatte keine hohe diplomatische Schule durchgemacht,
war einfacher Advokat gewesen und die gelben Fingernagel, die straffen
schwarzen Haare, das wilde Feuer in den Augen bewiesen nur, daß der Mann
Jndianerblut in seinen Adern habe. Es ging ihm wie seinem Freunde und
ehemaligen Collegen Juarez. Was Romero mir damals über diesen sagte,
mag heute erzählt werden, denn Juarez wird stets eine hohe Stelle in der
mexikanischen Geschichte einnehmen, wenn er auch selbst kein großer Mann war.

Juarez, sagte Romero, Juarez ist nichts -- Don Sebastian Lerdo de
Tejada ist alles. Jener ist der Figurant, dieser der eigentliche Herr und


an die schlimmsten Tage der Schreckenszeit erinnerte. Aber wenn sich auch
zu Lyon und Paris die Hoffnung der Empörer auf geheime Sympathien bei
den Soldaten als nichtig erwiesen, so hätte die Regierung doch sehr unrecht
gehabt, wenn sie die ganze Armee als ihr ergeben betrachtete. Daß sie das
keineswegs sei, bewies gleich darauf eine republikanische Verschwörung der
drei in Luneville liegenden Cürassier-Regimenter, die zwar im Augenblick des
Ausbruchs vereitelt wurde, immerhin aber ein Karäon 1», oouronno! war. Erst
das abscheuliche Attentat Fieschi's besiegelte auf längere Zeit den Verfall der
republikanischen Partei. Louis Philipp's Revue vom 28. Juli schien der Aus¬
gangspunkt ruhigerer Tage werden zu sollen. Es mußte von glücklicher Vor¬
bedeutung sein, daß der Zuruf der Truppen und Nationalgarten, der zu
Anfang der Parade lau und geschäftsmäßig geklungen, nach dem Abbrennen
der Höllenmaschine in wahrhaft donnernden Jubel umschlug. Heer und
Bürger schienen dem Könige dauernd gewonnen.




MMo.

Im Jahre 1865 lernte ich den Gesandten der Republik Mexiko, Romero,
in Washington kennen. Der Mann hatte damals eine schwierige Stellung.
So sehr auch Präsident Johnson für ihn eingenommen war und so sehr man
den delligizrent?rineö Maximilian verabscheute, bis zu einem bewaffneten Ein¬
greifen für die Republik Mexiko ließ man es von Seiten der Union nicht
kommen. „Was hilft all dieses moralische Gewicht, welches in die Wagschale
geworfen wird?" pflegte mir Romero zu sagen, der gern Beziehungen zu den
Vertretern der Presse unterhielt. „Ein halbes Dutzend Kriegsschiffe der
Amerikaner vor Vera-Cruz oder>.Tampico wären uns lieber, als alle diese
moralische Unterstützung." Der mexikanische „Diplomat" ging sehr offen mit
seiner Sprache heraus; er hatte keine hohe diplomatische Schule durchgemacht,
war einfacher Advokat gewesen und die gelben Fingernagel, die straffen
schwarzen Haare, das wilde Feuer in den Augen bewiesen nur, daß der Mann
Jndianerblut in seinen Adern habe. Es ging ihm wie seinem Freunde und
ehemaligen Collegen Juarez. Was Romero mir damals über diesen sagte,
mag heute erzählt werden, denn Juarez wird stets eine hohe Stelle in der
mexikanischen Geschichte einnehmen, wenn er auch selbst kein großer Mann war.

Juarez, sagte Romero, Juarez ist nichts — Don Sebastian Lerdo de
Tejada ist alles. Jener ist der Figurant, dieser der eigentliche Herr und


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127927/460>, abgerufen am 21.12.2024.