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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band.

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Dom deutschen Keichstag.

Am 17. Juni hatten wir den zweiten Tag der neuen Jesuitendebatte.
Die Regierungsvorlage hinsichtlich der Jesuiten stand zur zweiten Lesung.
Wie bereits bemerkt, hatte die Regierungsvorlage Nichts weiter gewollt, als
den Landespolizeibehörden der sämmtlichen deutschen Staaten die Befugniß
beilegen, den Mitgliedern der Gesellschaft Jesu und verwandter Congregationen
an jedem Orte des Bundesgebietes den Aufenthalt zu versagen. Es wurde
erner über diesen Gesetzentwurf bemerkt, daß er die Möglichkeit gab, solche
Mitglieder der Gesellschaft Jesu, welche deutsche Staatsangehörige sind, auf
indirectem Wege zu interniren, Daß Ausländer jederzeit vom deutschen
Boden verwiesen werden können, braucht nicht durch eine neue Gesetzgebung
festgestellt zu, werden.

Es wurde nun bei der zweiten Lesung aus der Mitte des Reichstags an
Stelle der Regierungsvorlage ein anderer Gesetzvorschlag eingebracht, zu dessen
Unterstützung sich Mitglieder der national-liberalen Partei, der liberalen Reichs¬
partei (gemäßigte Particularisten), der deutschen Reichspartei (Freiconservative),
vereinigt hatten, An der Spitze der Unterzeichner stand der Name Meyer,
Abgeordneter für den Wahlkreis Thorn, Die Fortschrittspartei hatte sich von
der Einbringung des Antrags ausgeschlossen, obwohl im Reichstag einzelne
ihrer Mitglieder für denselben gestimmt haben.

Der neue Gesetzentwurf spricht das Verbot der Gesellschaft Jesu auf
deutschem Boden einfach und unbedingt aus. Er spricht außerdem etwas
Ueberflüssiges aus: nämlich, daß die Mitglieder der Gesellschaft, wenn sie
Ausländer sind, aus dem Bundesgebiet verwiesen werden können. Von
praktischer Bedeutung dagegen ist, daß dieselben, wenn Inländer, von bestimmten
Orten ausgewiesen und an bestimmten Orten internirt werden können.

Wenn einzelne Reichstagsmitglieder eine Sprache führten, als sei durch
den neuen Entwurf eine unsägliche Verbesserung der Regierungsvorlage erreicht,
so zu sagen, ein juristisches Meisterstück geschaffen worden, so läuft dabei doch
ein gutes Stück Selbsttäuschung und Selbstgefälligkeit unter. Da auf die
Theilnahme am Orden keine Strafe gesetzt ist. so wird das Verbot des Ordens
eben nur darin praktisch, daß die ausländischen Mitglieder aus dem Bundes¬
gebiet verwiesen, die inländischen auf demselben internirt werden können. Das
ist genau dasselbe, was bereits in der Regierungsvorlage stand. Nur die
Ausdrucksweise ist in dem vereinbarten Gesetzentwurf anspruchsvoller, und das
ist ein höchst zweifelhafter Vortheil. Indeß ist es gut, daß das beschlossene
Gesetz, dessen Genehmigung durch den Bundesrath außer Zweifel, nunmehr
als das Werk der Mehrheit des Reichstages gelten darf.


Dom deutschen Keichstag.

Am 17. Juni hatten wir den zweiten Tag der neuen Jesuitendebatte.
Die Regierungsvorlage hinsichtlich der Jesuiten stand zur zweiten Lesung.
Wie bereits bemerkt, hatte die Regierungsvorlage Nichts weiter gewollt, als
den Landespolizeibehörden der sämmtlichen deutschen Staaten die Befugniß
beilegen, den Mitgliedern der Gesellschaft Jesu und verwandter Congregationen
an jedem Orte des Bundesgebietes den Aufenthalt zu versagen. Es wurde
erner über diesen Gesetzentwurf bemerkt, daß er die Möglichkeit gab, solche
Mitglieder der Gesellschaft Jesu, welche deutsche Staatsangehörige sind, auf
indirectem Wege zu interniren, Daß Ausländer jederzeit vom deutschen
Boden verwiesen werden können, braucht nicht durch eine neue Gesetzgebung
festgestellt zu, werden.

Es wurde nun bei der zweiten Lesung aus der Mitte des Reichstags an
Stelle der Regierungsvorlage ein anderer Gesetzvorschlag eingebracht, zu dessen
Unterstützung sich Mitglieder der national-liberalen Partei, der liberalen Reichs¬
partei (gemäßigte Particularisten), der deutschen Reichspartei (Freiconservative),
vereinigt hatten, An der Spitze der Unterzeichner stand der Name Meyer,
Abgeordneter für den Wahlkreis Thorn, Die Fortschrittspartei hatte sich von
der Einbringung des Antrags ausgeschlossen, obwohl im Reichstag einzelne
ihrer Mitglieder für denselben gestimmt haben.

Der neue Gesetzentwurf spricht das Verbot der Gesellschaft Jesu auf
deutschem Boden einfach und unbedingt aus. Er spricht außerdem etwas
Ueberflüssiges aus: nämlich, daß die Mitglieder der Gesellschaft, wenn sie
Ausländer sind, aus dem Bundesgebiet verwiesen werden können. Von
praktischer Bedeutung dagegen ist, daß dieselben, wenn Inländer, von bestimmten
Orten ausgewiesen und an bestimmten Orten internirt werden können.

Wenn einzelne Reichstagsmitglieder eine Sprache führten, als sei durch
den neuen Entwurf eine unsägliche Verbesserung der Regierungsvorlage erreicht,
so zu sagen, ein juristisches Meisterstück geschaffen worden, so läuft dabei doch
ein gutes Stück Selbsttäuschung und Selbstgefälligkeit unter. Da auf die
Theilnahme am Orden keine Strafe gesetzt ist. so wird das Verbot des Ordens
eben nur darin praktisch, daß die ausländischen Mitglieder aus dem Bundes¬
gebiet verwiesen, die inländischen auf demselben internirt werden können. Das
ist genau dasselbe, was bereits in der Regierungsvorlage stand. Nur die
Ausdrucksweise ist in dem vereinbarten Gesetzentwurf anspruchsvoller, und das
ist ein höchst zweifelhafter Vortheil. Indeß ist es gut, daß das beschlossene
Gesetz, dessen Genehmigung durch den Bundesrath außer Zweifel, nunmehr
als das Werk der Mehrheit des Reichstages gelten darf.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127927/43>, abgerufen am 21.12.2024.