Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. II. Band.Kapitän Kojsel. Die Hinrichtung Rossel's ist von einem großen Theil der Presse, der Wir sind anderer Meinung. Wir erkennen bereitwillig an, daß der frü¬ Wir sind daher der Begnadigungs-Commission vielmehr Anerkennung Wrmzbotm II. 1871. 121
Kapitän Kojsel. Die Hinrichtung Rossel's ist von einem großen Theil der Presse, der Wir sind anderer Meinung. Wir erkennen bereitwillig an, daß der frü¬ Wir sind daher der Begnadigungs-Commission vielmehr Anerkennung Wrmzbotm II. 1871. 121
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Kapitän Kojsel.
Die Hinrichtung Rossel's ist von einem großen Theil der Presse, der
französischen, der englischen, auch der deutschen, als ein Act der Grausamkeit
bezeichnet worden. Andere Blätter, darunter selbst der conservative „Standard",
verurtheilen sie zugleich als einen politischen Fehler, der die Sache der Com¬
mune fördern müsse. Republikanische Journale Südfrankreichs gehen sogar
so weit, daß sie für den „Märtyrer" ein Denkmal verlangen.
Wir sind anderer Meinung. Wir erkennen bereitwillig an, daß der frü¬
here militärische Chef der Communistenregierung von Paris ein Talent war,
dessen Tod in so jungen Jahren Mitleid verdient, und wir ehren die anstän¬
dige Weise, mit der er in Satory gestorben ist. Aber sterben mußte er. Es
war keine rohe Rache und keine ungerechte Härte, wenn die Inhaber des Be¬
gnadigungsrechtes sich außer Stande glaubten, von demselben in seinem Falle
Gebrauch zu machen. Unter den in Frankreich obwaltenden Verhältnissen,
bei der dort herrschenden Begriffsverwirrung in Betreff von Recht und Un¬
echt, die unter andern gemeine Mörder wie Bertin und Tonnelet freisprach,
^eil sie „aus Patriotismus" gemordet haben sollten, hätte man die öffentliche
Meinung nur weiter in die Irre geführt, wenn man einen eidbrüchigen
^fficier auf Grund der Behauptung geschont hätte, daß er sich aus Haß
Hegen den auswärtigen Feind der Empörung angeschlossen habe, eine Be¬
hauptung, die überdieß nicht einmal ganz zutrifft, da Rössel erwiesenermaßen
seinem verhängnißvollen Schritte zugleich von brennendem Ehrgeiz ge¬
rieben wurde.
Wir sind daher der Begnadigungs-Commission vielmehr Anerkennung
schuldig für die männliche Entschlossenheit, mit der sie die sentimentalen Ein¬
brüche gegen das Urtheil, die massenhaft auf sie eindrangen, von sich gewiesen
und das erfüllt hat, was ihre Pflicht, wenn auch eine schmerzliche und furcht¬
bare Pflicht war. Hierzubewegen uns aber noch einige andere Gründe neben
oben angeführten; Gründe, vor denen alle Romantik, mit welcher gewisse
^riser Sensationsmaler Rössel umgeben haben, wie Nebel vor der Sonne
Zerstiebt.
Wrmzbotm II. 1871. 121
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