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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. II. Band.

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verliehen, über welcher der Fanatismus ihrer Anhänger wie so manches An¬
dere auch die Liebe zur Freiheit und Gleichheit vergißt.




Nachschrift.

Wir lassen dem Vorstehenden die neuesten Nachrichten
über den Erfolg des Einschreitens der Unionsbehörden gegen den mormoni¬
schen Unfug in Utah folgen. Sie reichen bis Ende October und sind in der
Wochennummer der "Newyork Tribune" vom 1. November enthalten:

Der Oberrichter Mac Kean sprach ge¬
stern über Thomas Hawkins, den der Polygamie Angeklagten, das Urtheil,
wie folgt:

"Thomas Hawkins, ich bedauere Sie sehr -- Sie mögen das jetzt nicht
glauben, aber ich werde versuchen, Sie es durch die Barmherzigkeit glauben
zu machen, die ich Ihnen erzeigen werde. Sie kamen von England hierher
Mit der Gattin Ihrer jungen Jahre, lange Zeit waren Sie ein treuer Ehe¬
mann und ein liebreicher Vater. Endlich aber versuchte Sie der böse Geist
der Polygamie und nahm Besitz von Ihnen. Da wich das Glück aus Ihrem
Hause, und jetzt stehen Sie in Folge einer Klage Ihrer treuen Gattin und
kraft des Verdicts eines dem Gesetz gehorsamen Schwurgerichts vor dieser
Schranke als überwiesener Verbrecher. Ich muß darauf sehen, daß mein Ur¬
theil nicht so streng ausfällt, damit es nicht wie Rache erscheint, und nicht
so leicht, damit es nicht aussieht, als ließe sich mit der Gerechtigkeit scherzen.
Ich will hier sagen, daß wenn Ihre gute Aufführung und das öffentliche
Ä5ohl mir dazu das Recht geben, ich mit Freuden Ihre Begnadigung befür¬
worten will. Jetzt aber lautet der Spruch des Gerichtshofes, daß Sie eine
Geldstrafe von 600 Dollars zu entrichten haben und auf drei Jahre Gefäng¬
niß mit schwerer Arbeit."

Gegen alle Erwartung rief dieses Urtheil wenig Aufregung im Gerichts-
!^al hervor. Ferner wurden heute durch den Vereinigten-Staaten-Marschall
Patrick Daniel H. Wells, der Bürgermeister der Stadt, Hozea Stone, der
^'ühere General-Staatsanwalt des Territoriums, und William Beiden, der
Besitzer von Timballs Hotel, auf einen Beschluß der großen Jury wegen
Mordes in Haft genommen und nach Camp Douglas gebracht. Das Ver¬
gehen, dessen man sie beschuldigt, ist die vor etwa 12 Jahren erfolgte Er¬
mordung eines gewissen Richard Aales und eines Mannes Namens Buel
"Ares einen Mormonen, der sich Jose Meacham nennt, und der von ihnen
""gestiftet worden sein soll. Auf dieselbe Anklage hin erging ein Verhafts-
^fehl gegen Orson Hyde, einen der zwölf Apostel, aber er flüchtete in den
Glieder Theil des Territoriums, wohin man ihn verfolgt. Desgleichen wur-


Grmzbotm II. 1871. 118

verliehen, über welcher der Fanatismus ihrer Anhänger wie so manches An¬
dere auch die Liebe zur Freiheit und Gleichheit vergißt.




Nachschrift.

Wir lassen dem Vorstehenden die neuesten Nachrichten
über den Erfolg des Einschreitens der Unionsbehörden gegen den mormoni¬
schen Unfug in Utah folgen. Sie reichen bis Ende October und sind in der
Wochennummer der „Newyork Tribune" vom 1. November enthalten:

Der Oberrichter Mac Kean sprach ge¬
stern über Thomas Hawkins, den der Polygamie Angeklagten, das Urtheil,
wie folgt:

„Thomas Hawkins, ich bedauere Sie sehr — Sie mögen das jetzt nicht
glauben, aber ich werde versuchen, Sie es durch die Barmherzigkeit glauben
zu machen, die ich Ihnen erzeigen werde. Sie kamen von England hierher
Mit der Gattin Ihrer jungen Jahre, lange Zeit waren Sie ein treuer Ehe¬
mann und ein liebreicher Vater. Endlich aber versuchte Sie der böse Geist
der Polygamie und nahm Besitz von Ihnen. Da wich das Glück aus Ihrem
Hause, und jetzt stehen Sie in Folge einer Klage Ihrer treuen Gattin und
kraft des Verdicts eines dem Gesetz gehorsamen Schwurgerichts vor dieser
Schranke als überwiesener Verbrecher. Ich muß darauf sehen, daß mein Ur¬
theil nicht so streng ausfällt, damit es nicht wie Rache erscheint, und nicht
so leicht, damit es nicht aussieht, als ließe sich mit der Gerechtigkeit scherzen.
Ich will hier sagen, daß wenn Ihre gute Aufführung und das öffentliche
Ä5ohl mir dazu das Recht geben, ich mit Freuden Ihre Begnadigung befür¬
worten will. Jetzt aber lautet der Spruch des Gerichtshofes, daß Sie eine
Geldstrafe von 600 Dollars zu entrichten haben und auf drei Jahre Gefäng¬
niß mit schwerer Arbeit."

Gegen alle Erwartung rief dieses Urtheil wenig Aufregung im Gerichts-
!^al hervor. Ferner wurden heute durch den Vereinigten-Staaten-Marschall
Patrick Daniel H. Wells, der Bürgermeister der Stadt, Hozea Stone, der
^'ühere General-Staatsanwalt des Territoriums, und William Beiden, der
Besitzer von Timballs Hotel, auf einen Beschluß der großen Jury wegen
Mordes in Haft genommen und nach Camp Douglas gebracht. Das Ver¬
gehen, dessen man sie beschuldigt, ist die vor etwa 12 Jahren erfolgte Er¬
mordung eines gewissen Richard Aales und eines Mannes Namens Buel
"Ares einen Mormonen, der sich Jose Meacham nennt, und der von ihnen
""gestiftet worden sein soll. Auf dieselbe Anklage hin erging ein Verhafts-
^fehl gegen Orson Hyde, einen der zwölf Apostel, aber er flüchtete in den
Glieder Theil des Territoriums, wohin man ihn verfolgt. Desgleichen wur-


Grmzbotm II. 1871. 118
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[0385] verliehen, über welcher der Fanatismus ihrer Anhänger wie so manches An¬ dere auch die Liebe zur Freiheit und Gleichheit vergißt. Nachschrift. Wir lassen dem Vorstehenden die neuesten Nachrichten über den Erfolg des Einschreitens der Unionsbehörden gegen den mormoni¬ schen Unfug in Utah folgen. Sie reichen bis Ende October und sind in der Wochennummer der „Newyork Tribune" vom 1. November enthalten: Der Oberrichter Mac Kean sprach ge¬ stern über Thomas Hawkins, den der Polygamie Angeklagten, das Urtheil, wie folgt: „Thomas Hawkins, ich bedauere Sie sehr — Sie mögen das jetzt nicht glauben, aber ich werde versuchen, Sie es durch die Barmherzigkeit glauben zu machen, die ich Ihnen erzeigen werde. Sie kamen von England hierher Mit der Gattin Ihrer jungen Jahre, lange Zeit waren Sie ein treuer Ehe¬ mann und ein liebreicher Vater. Endlich aber versuchte Sie der böse Geist der Polygamie und nahm Besitz von Ihnen. Da wich das Glück aus Ihrem Hause, und jetzt stehen Sie in Folge einer Klage Ihrer treuen Gattin und kraft des Verdicts eines dem Gesetz gehorsamen Schwurgerichts vor dieser Schranke als überwiesener Verbrecher. Ich muß darauf sehen, daß mein Ur¬ theil nicht so streng ausfällt, damit es nicht wie Rache erscheint, und nicht so leicht, damit es nicht aussieht, als ließe sich mit der Gerechtigkeit scherzen. Ich will hier sagen, daß wenn Ihre gute Aufführung und das öffentliche Ä5ohl mir dazu das Recht geben, ich mit Freuden Ihre Begnadigung befür¬ worten will. Jetzt aber lautet der Spruch des Gerichtshofes, daß Sie eine Geldstrafe von 600 Dollars zu entrichten haben und auf drei Jahre Gefäng¬ niß mit schwerer Arbeit." Gegen alle Erwartung rief dieses Urtheil wenig Aufregung im Gerichts- !^al hervor. Ferner wurden heute durch den Vereinigten-Staaten-Marschall Patrick Daniel H. Wells, der Bürgermeister der Stadt, Hozea Stone, der ^'ühere General-Staatsanwalt des Territoriums, und William Beiden, der Besitzer von Timballs Hotel, auf einen Beschluß der großen Jury wegen Mordes in Haft genommen und nach Camp Douglas gebracht. Das Ver¬ gehen, dessen man sie beschuldigt, ist die vor etwa 12 Jahren erfolgte Er¬ mordung eines gewissen Richard Aales und eines Mannes Namens Buel "Ares einen Mormonen, der sich Jose Meacham nennt, und der von ihnen ""gestiftet worden sein soll. Auf dieselbe Anklage hin erging ein Verhafts- ^fehl gegen Orson Hyde, einen der zwölf Apostel, aber er flüchtete in den Glieder Theil des Territoriums, wohin man ihn verfolgt. Desgleichen wur- Grmzbotm II. 1871. 118

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_192299/385>, abgerufen am 05.02.2025.