Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

mit der neuesten und unserer nationalen Entwicklung gefährlichsten Partei¬
bildung, mit den Clerialen deren besonders in Norddeutschland so über Er¬
warten starkes Auftreten zu den ernstlichsten Besorgnissen Anlaß giebt.

I. Reactionäre Parteien.
Ultramontane...........69
Centrifugale (Welsen, Schleswig-Holsteiner, Polen,
der Eine Däne und der Eine schwäbische Gro߬
deutsche) .............. . 23
Preußische A ltconservative und sächsische Par-
ticularisten.............74
II. Mittelparteien nationaler Färbung.
Freiconservative Deutsche Reichspartei
(bisher)*)..............35
Allgemein liberal und n ational .... 32
Nationalliberal...........98
III. Vorgeschrittene Parteien.
Fortschritt mit linken Centrum.....37
Republikaner............1
Socialdemokraten.......... 2
Dazu unbestimmbar 13
Zusammen 384

Zum näheren Verständniß des Tableaus muß bemerkt werden, daß, während
die reactionären Parteien so extrem als möglich sich zu geriren suchen, die
Fortschrittsmänner, welche fünf Baiern unter sich zählen, die Absicht eines
gemäßigten Verhaltens deutlich zu erkennen geben, im Gegensatz zu ihrem
radicalen Auftreten während der Wahlagitation. Ferner verdient Erwäh¬
nung, daß von dem Theil der zweiten Gruppe, welchen wir als allgemein
liberal und national bezeichnet, nicht wenig Mitglieder dem Vorhaben geneigt
und, eine formelle Fraction zu bilden. Als Häupter derselben werden die
Herren von Bernuth aus Preußen, Fürst Hohenlohe aus Baiern und
von Roggenbach aus Baden fungiren. Ueber das Zustandekommen dieses
Planes läßt sich nichts voraussagen. Im Allgemeinen ist die Herrschaft des
Fractionswesens auch diesmal anerkannt. Die "Senioren" des Parlaments
haben sich, wie früher im EinVerständniß mit ihren betreffenden Fractionen,
über eine Ordnung für die Zusammensetzung von Commissionen derart geeinigt,
daß die sich selbst als liberal bezeichnenden Fractionen in Zukunft die eine
Hälfte aller Commissionsmitglicder ernennen sollen (bei ungerader Zahl sogar



Diese Partei besteht aus den bisherigen norddeutschen Freiconservativen und einigen
nationalen Würtenbergern, wie dem Kriegsminister Wagner, Fürst Hohenlohe-Langenberg,
Fürst Waldburg-Zeni.

mit der neuesten und unserer nationalen Entwicklung gefährlichsten Partei¬
bildung, mit den Clerialen deren besonders in Norddeutschland so über Er¬
warten starkes Auftreten zu den ernstlichsten Besorgnissen Anlaß giebt.

I. Reactionäre Parteien.
Ultramontane...........69
Centrifugale (Welsen, Schleswig-Holsteiner, Polen,
der Eine Däne und der Eine schwäbische Gro߬
deutsche) .............. . 23
Preußische A ltconservative und sächsische Par-
ticularisten.............74
II. Mittelparteien nationaler Färbung.
Freiconservative Deutsche Reichspartei
(bisher)*)..............35
Allgemein liberal und n ational .... 32
Nationalliberal...........98
III. Vorgeschrittene Parteien.
Fortschritt mit linken Centrum.....37
Republikaner............1
Socialdemokraten.......... 2
Dazu unbestimmbar 13
Zusammen 384

Zum näheren Verständniß des Tableaus muß bemerkt werden, daß, während
die reactionären Parteien so extrem als möglich sich zu geriren suchen, die
Fortschrittsmänner, welche fünf Baiern unter sich zählen, die Absicht eines
gemäßigten Verhaltens deutlich zu erkennen geben, im Gegensatz zu ihrem
radicalen Auftreten während der Wahlagitation. Ferner verdient Erwäh¬
nung, daß von dem Theil der zweiten Gruppe, welchen wir als allgemein
liberal und national bezeichnet, nicht wenig Mitglieder dem Vorhaben geneigt
und, eine formelle Fraction zu bilden. Als Häupter derselben werden die
Herren von Bernuth aus Preußen, Fürst Hohenlohe aus Baiern und
von Roggenbach aus Baden fungiren. Ueber das Zustandekommen dieses
Planes läßt sich nichts voraussagen. Im Allgemeinen ist die Herrschaft des
Fractionswesens auch diesmal anerkannt. Die „Senioren" des Parlaments
haben sich, wie früher im EinVerständniß mit ihren betreffenden Fractionen,
über eine Ordnung für die Zusammensetzung von Commissionen derart geeinigt,
daß die sich selbst als liberal bezeichnenden Fractionen in Zukunft die eine
Hälfte aller Commissionsmitglicder ernennen sollen (bei ungerader Zahl sogar



Diese Partei besteht aus den bisherigen norddeutschen Freiconservativen und einigen
nationalen Würtenbergern, wie dem Kriegsminister Wagner, Fürst Hohenlohe-Langenberg,
Fürst Waldburg-Zeni.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0030" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/125812"/>
          <p xml:id="ID_67" prev="#ID_66"> mit der neuesten und unserer nationalen Entwicklung gefährlichsten Partei¬<lb/>
bildung, mit den Clerialen deren besonders in Norddeutschland so über Er¬<lb/>
warten starkes Auftreten zu den ernstlichsten Besorgnissen Anlaß giebt.</p><lb/>
          <list>
            <item> I. Reactionäre Parteien.</item>
            <item> Ultramontane...........69</item>
            <item> Centrifugale (Welsen, Schleswig-Holsteiner, Polen,<lb/>
der Eine Däne und der Eine schwäbische Gro߬<lb/>
deutsche) .............. . 23</item>
            <item> Preußische A ltconservative und sächsische Par-<lb/>
ticularisten.............74</item>
          </list><lb/>
          <div n="2">
            <head> II. Mittelparteien nationaler Färbung.<lb/>
Freiconservative  Deutsche Reichspartei</head><lb/>
            <list>
              <item> (bisher)*)..............35</item>
              <item> Allgemein liberal und n ational  .... 32</item>
              <item> Nationalliberal...........98</item>
              <item> III. Vorgeschrittene Parteien.</item>
              <item> Fortschritt mit linken Centrum.....37</item>
              <item> Republikaner............1</item>
              <item> Socialdemokraten.......... 2</item>
              <item> Dazu unbestimmbar 13</item>
              <item> Zusammen 384</item>
            </list><lb/>
            <p xml:id="ID_68" next="#ID_69"> Zum näheren Verständniß des Tableaus muß bemerkt werden, daß, während<lb/>
die reactionären Parteien so extrem als möglich sich zu geriren suchen, die<lb/>
Fortschrittsmänner, welche fünf Baiern unter sich zählen, die Absicht eines<lb/>
gemäßigten Verhaltens deutlich zu erkennen geben, im Gegensatz zu ihrem<lb/>
radicalen Auftreten während der Wahlagitation. Ferner verdient Erwäh¬<lb/>
nung, daß von dem Theil der zweiten Gruppe, welchen wir als allgemein<lb/>
liberal und national bezeichnet, nicht wenig Mitglieder dem Vorhaben geneigt<lb/>
und, eine formelle Fraction zu bilden. Als Häupter derselben werden die<lb/>
Herren von Bernuth aus Preußen, Fürst Hohenlohe aus Baiern und<lb/>
von Roggenbach aus Baden fungiren. Ueber das Zustandekommen dieses<lb/>
Planes läßt sich nichts voraussagen. Im Allgemeinen ist die Herrschaft des<lb/>
Fractionswesens auch diesmal anerkannt. Die &#x201E;Senioren" des Parlaments<lb/>
haben sich, wie früher im EinVerständniß mit ihren betreffenden Fractionen,<lb/>
über eine Ordnung für die Zusammensetzung von Commissionen derart geeinigt,<lb/>
daß die sich selbst als liberal bezeichnenden Fractionen in Zukunft die eine<lb/>
Hälfte aller Commissionsmitglicder ernennen sollen (bei ungerader Zahl sogar</p><lb/>
            <note xml:id="FID_11" place="foot"> Diese Partei besteht aus den bisherigen norddeutschen Freiconservativen und einigen<lb/>
nationalen Würtenbergern, wie dem Kriegsminister Wagner, Fürst Hohenlohe-Langenberg,<lb/>
Fürst Waldburg-Zeni.</note><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0030] mit der neuesten und unserer nationalen Entwicklung gefährlichsten Partei¬ bildung, mit den Clerialen deren besonders in Norddeutschland so über Er¬ warten starkes Auftreten zu den ernstlichsten Besorgnissen Anlaß giebt. I. Reactionäre Parteien. Ultramontane...........69 Centrifugale (Welsen, Schleswig-Holsteiner, Polen, der Eine Däne und der Eine schwäbische Gro߬ deutsche) .............. . 23 Preußische A ltconservative und sächsische Par- ticularisten.............74 II. Mittelparteien nationaler Färbung. Freiconservative Deutsche Reichspartei (bisher)*)..............35 Allgemein liberal und n ational .... 32 Nationalliberal...........98 III. Vorgeschrittene Parteien. Fortschritt mit linken Centrum.....37 Republikaner............1 Socialdemokraten.......... 2 Dazu unbestimmbar 13 Zusammen 384 Zum näheren Verständniß des Tableaus muß bemerkt werden, daß, während die reactionären Parteien so extrem als möglich sich zu geriren suchen, die Fortschrittsmänner, welche fünf Baiern unter sich zählen, die Absicht eines gemäßigten Verhaltens deutlich zu erkennen geben, im Gegensatz zu ihrem radicalen Auftreten während der Wahlagitation. Ferner verdient Erwäh¬ nung, daß von dem Theil der zweiten Gruppe, welchen wir als allgemein liberal und national bezeichnet, nicht wenig Mitglieder dem Vorhaben geneigt und, eine formelle Fraction zu bilden. Als Häupter derselben werden die Herren von Bernuth aus Preußen, Fürst Hohenlohe aus Baiern und von Roggenbach aus Baden fungiren. Ueber das Zustandekommen dieses Planes läßt sich nichts voraussagen. Im Allgemeinen ist die Herrschaft des Fractionswesens auch diesmal anerkannt. Die „Senioren" des Parlaments haben sich, wie früher im EinVerständniß mit ihren betreffenden Fractionen, über eine Ordnung für die Zusammensetzung von Commissionen derart geeinigt, daß die sich selbst als liberal bezeichnenden Fractionen in Zukunft die eine Hälfte aller Commissionsmitglicder ernennen sollen (bei ungerader Zahl sogar Diese Partei besteht aus den bisherigen norddeutschen Freiconservativen und einigen nationalen Würtenbergern, wie dem Kriegsminister Wagner, Fürst Hohenlohe-Langenberg, Fürst Waldburg-Zeni.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_125781
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_125781/30
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_125781/30>, abgerufen am 27.12.2024.