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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band.

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Millern hab ich geschrieben, ich lieb ihn wie meinen Augapfel, er ist zum
Poeten geboren. Schick mir Klingers Schauspiel, aber mit Gelegenheit. Ich
bin durch meine Correspondenz hier in tiefe Schulden gerathen, die mir auch
wacker zusetzen. Das sollte mich freuen, wenn du was von deinen Mufikalten
hättest drucken lassen und das wär' ich zu sehen am meisten begierig.

In Boyens Monatsschrift*) kommt eine Schulmeisterchrie in Versen
von mir, die dich auch freuen wird. Bester wenn Du doch bei Gelegenheit
dich erkundigen könntest, was aus meinem Petrarch**) geworden ist. Es
wäre der beste Wundstillende Balsam in diesem für mich kritischen Zeit¬
punkt um des Publikums Wuth gegen mich ein klein klein wenig zu be¬
sänftigen.


Grüße Lavatern.
Lenz.

Auch kommt bei Göttern""*) ein neues Lustspiel nach dem Plautus
von mir zum Vorschein, worin ich dem Faß vollends den Boden ausschlage.
Es muß diesmal bauen oder brechen auf immer. Ich bin zu allem gefaßt
Unser aller Freiheit hängt vom Petrarch ab.

Wie schön man eben vom Münsters) ein Danklted abbläst. Das Feuer war
gerade der Kirche gegenüber und ist Gottlob! glücklich gelöscht. Herr Gott
dich loben wir.

Frage doch Lavatern, ob er mein letztes Briefgen erhalten hat, in dem
von der Physiognomik die Rede war. Ich gab ihn Jemanden bis Basel
mit, dessen mir bekannte Nachlässigkeit mir itzt Sorgen macht.


9.
Lenz an Kayser.

Lieber Kaiser, es freut mich um Deinetwillen, daß Du mir meinen letz¬
ten Brief nicht übel genommen. Sey versichert, daß ich Dich liebe und den
Geist, den ich aus den herabfallenden Blüthen Deiner Kompositionen ahnde
zu ehren weiß. Sage Lavatern, ich lasse über Wieland jetzt noch nichts
drucken. Die Herzogin Mutter-I-j-) hat mir neulich eine Stelle aus seiner
Physiognomik mit sehr vieler Empfindung vorgelesen und dabey den Wunsch







") Aber das Angekündigte findet sich dort nicht, sondern in Lenz flüchtigen.Aufsätzen heranSg.
von Kayser. denn die 1774 erschienenen Lustspiele können ja nicht gemeint sein.
-) Gedicht aus seinen Liedern gezogen, erschien Winterthur 1776.
Fehlt und steht in Lenz Schriften v> Tieck 2. 310 unter dem Titel Matz Höcker.
-I') Nämlich in Strasburg.
fs) Amalia.
Grenzboten IV. 1S7C 68

Millern hab ich geschrieben, ich lieb ihn wie meinen Augapfel, er ist zum
Poeten geboren. Schick mir Klingers Schauspiel, aber mit Gelegenheit. Ich
bin durch meine Correspondenz hier in tiefe Schulden gerathen, die mir auch
wacker zusetzen. Das sollte mich freuen, wenn du was von deinen Mufikalten
hättest drucken lassen und das wär' ich zu sehen am meisten begierig.

In Boyens Monatsschrift*) kommt eine Schulmeisterchrie in Versen
von mir, die dich auch freuen wird. Bester wenn Du doch bei Gelegenheit
dich erkundigen könntest, was aus meinem Petrarch**) geworden ist. Es
wäre der beste Wundstillende Balsam in diesem für mich kritischen Zeit¬
punkt um des Publikums Wuth gegen mich ein klein klein wenig zu be¬
sänftigen.


Grüße Lavatern.
Lenz.

Auch kommt bei Göttern""*) ein neues Lustspiel nach dem Plautus
von mir zum Vorschein, worin ich dem Faß vollends den Boden ausschlage.
Es muß diesmal bauen oder brechen auf immer. Ich bin zu allem gefaßt
Unser aller Freiheit hängt vom Petrarch ab.

Wie schön man eben vom Münsters) ein Danklted abbläst. Das Feuer war
gerade der Kirche gegenüber und ist Gottlob! glücklich gelöscht. Herr Gott
dich loben wir.

Frage doch Lavatern, ob er mein letztes Briefgen erhalten hat, in dem
von der Physiognomik die Rede war. Ich gab ihn Jemanden bis Basel
mit, dessen mir bekannte Nachlässigkeit mir itzt Sorgen macht.


9.
Lenz an Kayser.

Lieber Kaiser, es freut mich um Deinetwillen, daß Du mir meinen letz¬
ten Brief nicht übel genommen. Sey versichert, daß ich Dich liebe und den
Geist, den ich aus den herabfallenden Blüthen Deiner Kompositionen ahnde
zu ehren weiß. Sage Lavatern, ich lasse über Wieland jetzt noch nichts
drucken. Die Herzogin Mutter-I-j-) hat mir neulich eine Stelle aus seiner
Physiognomik mit sehr vieler Empfindung vorgelesen und dabey den Wunsch







") Aber das Angekündigte findet sich dort nicht, sondern in Lenz flüchtigen.Aufsätzen heranSg.
von Kayser. denn die 1774 erschienenen Lustspiele können ja nicht gemeint sein.
-) Gedicht aus seinen Liedern gezogen, erschien Winterthur 1776.
Fehlt und steht in Lenz Schriften v> Tieck 2. 310 unter dem Titel Matz Höcker.
-I') Nämlich in Strasburg.
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[0465] Millern hab ich geschrieben, ich lieb ihn wie meinen Augapfel, er ist zum Poeten geboren. Schick mir Klingers Schauspiel, aber mit Gelegenheit. Ich bin durch meine Correspondenz hier in tiefe Schulden gerathen, die mir auch wacker zusetzen. Das sollte mich freuen, wenn du was von deinen Mufikalten hättest drucken lassen und das wär' ich zu sehen am meisten begierig. In Boyens Monatsschrift*) kommt eine Schulmeisterchrie in Versen von mir, die dich auch freuen wird. Bester wenn Du doch bei Gelegenheit dich erkundigen könntest, was aus meinem Petrarch**) geworden ist. Es wäre der beste Wundstillende Balsam in diesem für mich kritischen Zeit¬ punkt um des Publikums Wuth gegen mich ein klein klein wenig zu be¬ sänftigen. Grüße Lavatern. Lenz. Auch kommt bei Göttern""*) ein neues Lustspiel nach dem Plautus von mir zum Vorschein, worin ich dem Faß vollends den Boden ausschlage. Es muß diesmal bauen oder brechen auf immer. Ich bin zu allem gefaßt Unser aller Freiheit hängt vom Petrarch ab. Wie schön man eben vom Münsters) ein Danklted abbläst. Das Feuer war gerade der Kirche gegenüber und ist Gottlob! glücklich gelöscht. Herr Gott dich loben wir. Frage doch Lavatern, ob er mein letztes Briefgen erhalten hat, in dem von der Physiognomik die Rede war. Ich gab ihn Jemanden bis Basel mit, dessen mir bekannte Nachlässigkeit mir itzt Sorgen macht. 9. Lenz an Kayser. Lieber Kaiser, es freut mich um Deinetwillen, daß Du mir meinen letz¬ ten Brief nicht übel genommen. Sey versichert, daß ich Dich liebe und den Geist, den ich aus den herabfallenden Blüthen Deiner Kompositionen ahnde zu ehren weiß. Sage Lavatern, ich lasse über Wieland jetzt noch nichts drucken. Die Herzogin Mutter-I-j-) hat mir neulich eine Stelle aus seiner Physiognomik mit sehr vieler Empfindung vorgelesen und dabey den Wunsch ") Aber das Angekündigte findet sich dort nicht, sondern in Lenz flüchtigen.Aufsätzen heranSg. von Kayser. denn die 1774 erschienenen Lustspiele können ja nicht gemeint sein. -) Gedicht aus seinen Liedern gezogen, erschien Winterthur 1776. Fehlt und steht in Lenz Schriften v> Tieck 2. 310 unter dem Titel Matz Höcker. -I') Nämlich in Strasburg. fs) Amalia. Grenzboten IV. 1S7C 68

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_124705/465>, abgerufen am 22.12.2024.